Schauspielerin im Interview

Nadine Boske: "Gleichberechtigung sieht anders aus"

von Sarah Kohlberger

In der neuen ARD-Freitagsreihe "Die Küstenpiloten" ist Nadine Boske der Star, doch ihre Rolle hat es mit der Männerwelt alles andere als leicht. In welchen Bereichen Männer immer noch bevorzugt werden, und wovor sie große Angst hat, verrät die Schauspielerin im Interview.

In der neuen ARD-Freitagsreihe "Die Küstenpiloten" geht es für Schauspielerin Nadine Boske hoch hinaus: Ihre Figur Swantje Hansen, die als Pilotin und Mechanikerin auf dem Flugplatz ihres Vaters arbeitet, stellt sich endlich ihrer Flugangst. Doch nicht nur die macht ihr das Leben in dem kleinen Familienbetrieb schwer: Swantjes Vater verkündet, dass er seinem Sohn den Flugplatz vermachen möchte. Dabei hat Swantje doch so hart für das kleine Familienunternehmen gearbeitet... – Nadine Boske, die in den beiden Auftaktfolgen "Kleine Schwester, großer Bruder" (Freitag, 6. November) und "Mütter und Töchter" (Freitag, 13. November, jeweils 20.15 Uhr, im Ersten) die Hauptrolle übernimmt, setzt sich im Interview mit der Gleichberechtigung von Männern und Frauen auseinander. Außerdem gibt die 34-Jährige, die in Berlin geboren wurde und heute mit ihrem Mann in Dresden wohnt, Einblicke in den Alltag einer Schauspielerin in Zeiten der Corona-Pandemie.

prisma: Die neue ARD-Reihe "Die Küstenpiloten" spielt in Büsum. Was ist so reizvoll an dieser Region?

Nadine Boske: Ich bin ein Ostseekind, für mich war es ganz neu, an der Nordsee zu sein. Reizvoll an der Gegend ist vor allem das Naturgeschehen: Ebbe und Flut, die Schafe auf dem Deich, es steht ein Fischrestaurant neben dem anderen, und es ist immer windig und rau. Außerdem sind die Leute direkter, das ist schon ein anderer Schnack als in Sachsen, wo ich wohne.

prisma: Wie kamen Sie mit dem Plattdeutschen zurecht?

Boske: Richtig Plattdütsch kann ich nicht. Aber meine Mama kommt von der Ostsee, daher ist dieses Nordische ein bisschen bei uns drin. Ich habe mich beim Dreh einfach an meine Wurzeln erinnert, dann hat das ganz gut geklappt. Wir hatten auch jemand, der mit uns die Aussprache geübt hat und mit uns das Textbuch durchgegangen ist.

prisma: Die Freitagsfilme im Ersten werden häufig an schönen Orten gedreht. Warum sind solche Filme so beliebt?

Boske: Wenn man sich nach einer anstrengenden Arbeitswoche am Freitagabend hinsetzt, und schöne Natur, eine idyllische Umgebung und vielleicht eine bekannte Region sieht, spricht das die Leute einfach an. Ich kann mir vorstellen, dass sich die Menschen in Büsum wahnsinnig gefreut haben, dass wir dort gedreht haben. Ihr Ort kommt ins Fernsehen – das ist sicher etwas Besonderes für sie.

prisma: Sie durften für die Reihe selbst mit einem Flugzeug fliegen. Wie war das für Sie?

Boske: Sehr cool. Ich hatte sogar Flugunterricht. Die Stuntmen und Piloten haben mit uns richtig geübt! Wir haben gelernt, wie man auf dem Rollfeld fährt und wie man lenkt. Das ist, wie wenn man Autofahren lernt: Der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz hat auf seiner Seite unten Pedale, mit denen er einschreiten kann. Und so ist es im Flugzeug auch. Wir hatten immer einen Copiloten an unserer Seite. Auf dem Rollfeld habe ich wirklich alleine dieses Ding gesteuert, wenn wir aber abgehoben sind, hat er das gemacht. Da will ich ehrlich sein.

prisma: Das hat bestimmt viel Spaß gemacht ...

Boske: Ja, total! Es hilft auch der Figur. Es ist etwas ganz anderes, außerhalb des Studios "on location" zu drehen. Wenn man wirklich in so einer Maschine sitzt, die Knöpfe drücken darf und dieses Headset auf dem Kopf hat, macht das viel aus. Wenn es irgendwo geregnet hat, sind wir durchgeflogen, damit wir schöne Bilder haben. Das war sehr aufregend für uns, da hat danach schon mal der Bauch ein bisschen gegrummelt (lacht).

prisma: Ihre Figur Swantje hat große Flugangst – Sie ja offensichtlich nicht. Vor was haben Sie Angst?

Boske: Ich bin ein Mensch, der schwer mit der Ungewissheit umgehen kann. Mich beunruhigt zum Beispiel, dass ich nicht weiß, wie die Zukunft aussieht. Ich habe es gern, wenn alles geplant ist und ich weiß, wie es weitergeht. Aber Flugangst habe ich nicht. So ein Kleinflugzeug ist auch ganz anders als ein großer Flieger: Man merkt ganz anders den Wind, man sieht die Sonne, wie sie durch die Wolken bricht, und unten das Watt ... das ist toll! Aber lustigerweise habe ich Höhenangst.

prisma: Höhenangst?

Boske: Ja. Das habe ich beim Kölner Dom gemerkt. Die Treppe liegt im Freien, und ich musste tatsächlich aufhören, hochzugehen. Warum auch immer. Mir ist noch nie etwas passiert in der Höhe, aber das war mir nicht geheuer.

prisma: Und wie hat das mit dem Fliegen funktioniert?

Boske: Das hat mir nichts ausgemacht. Ich glaube, das liegt am Urvertrauen: Ich gehe davon aus, dass der Pilot weiß, was er macht. Ich vertraue ihm. Wir haben uns kennengelernt, er war sehr nett, und wir haben uns gut verstanden. Das sind Leute, die oft mit Filmmenschen zusammenarbeiten und wissen, wie sie mit uns umgehen müssen, damit wir die Angst verlieren. Wir können ja nicht rausgucken und die Landschaft genießen, sondern müssen auch unserer Rollen spielen dabei.

prisma: Der Vater in "Die Küstenpiloten" sieht ganz klar in seinem Sohn den Nachfolger für seinen Flugplatz, die Tochter lässt er außen vor. Wie sehr begegnen Ihnen solche Bevorzugungen von Männern noch im Alltag?

Boske: In meinem privaten Umfeld erlebe ich das nicht, mir wurde immer viel zugetraut, auch von meinen Großeltern. Allerdings gibt es gerade beim Thema Gage und Gehalt noch viel Nachholbedarf. Generell im Job merke ich, dass Männer, die genauso Väter sind und auf die Kinder aufpassen, nicht nach der Familie gefragt werden. Wenn Frauen etwa um die 30 Jahre sind, wird bei Einstellungsgesprächen oft noch gefragt, ob man eine Familie gründen will. Gleichberechtigung sieht anders aus.

prisma: Ist dieses Denken Ihrer Meinung nach noch sehr verbreitet in Deutschland?

Boske: Ja, total. Männer kriegen oftmals immer noch mehr Gehalt als wir. Das ist sehr ungerecht. Ich habe es schon erlebt, dass selbst wenn die Chefin eine Frau ist, die Männer zuerst die Gehaltserhöhung bekommen haben. Andererseits merke ich aber auch, dass im Familienleben sehr viele Männer mehr Aufgaben zu Hause übernehmen. Der Haushalt wird gemeinsam gemacht. Da haben wir schon viel geschafft.

prisma: Wie kann die Gleichberechtigung auch im Arbeitsleben weiterentwickelt werden?

Boske: Das müssen vor allem die Frauen vorantreiben, aber auch die Männer müssen die Frauen unterstützen! Wenn sie zum Beispiel im Theaterbetrieb merken, dass Frauen ungerecht behandelt werden, müssen sie aufstehen und sagen: "Stopp! Wir spielen alle gleich viel, wir sollten alle gleich viel verdienen!" Dazu fehlt aber teilweise noch die Zivilcourage. Das ist ein langer Weg, und das schafft man nur gemeinsam, indem man sich gegenseitig unterstützt.

prisma: Bisher waren Sie vor allem im Theater aktiv. Wollen Sie sich nun mehr auf die Schauspielerei in Film und Fernsehen konzentrieren?

Boske: Ja, ich möchte aber das Theater auf keinen Fall aufgeben. Das ist eine ganz wunderbare Arbeitsweise. Auf der Bühne kann man sich ganz anders präsentieren und bekommt immer sofort eine Reaktion vom Publikum. Ich finde, es ist ein großes Geschenk, wenn ich beides machen kann, und bis jetzt klappt das ganz gut.

prisma: Wie geht es dem Theater aktuell in diesem Corona-Jahr?

Boske: Es ist eine schwierige Situation. Die Festangestellten proben wieder, natürlich mit Abstand und ganz puristisch. Es gibt keinerlei Requisiten, denn die müsste man immer desinfizieren, das kann man in einem Spielfluss nicht. Man besinnt sich nun wirklich auf die Schauspieler und das schauspielerische Talent, und versucht, so viel wie möglich wegzulassen.

"Das Virus wird uns noch einige Zeit begleiten"

prisma: Das kann auch ein Vorteil sein ...

Boske: Man kann viel mit Stilmitteln arbeiten und sich wirklich auf das Wesentliche konzentrieren. Man muss sich etwas einfallen lassen, um die Leute am Ball zu halten, damit die Aufmerksamkeit nicht schwindet. Inwieweit das die Spielweise beeinflusst, müssen wir abwarten – da müssten wir uns in zwei Jahren noch mal drüber unterhalten.

prisma: Auch beim Film hat sich viel verändert.

Boske: Ja, und oft sieht man sofort, was jetzt gedreht wurde. Ich habe mal eine Szene gesehen, in der eine Mutter zusammengebrochen ist. Ihre Tochter stand drei Meter weg und meinte: "Mama, kann ich dir irgendwie helfen?" Eigentlich wäre der erste Impuls eines Menschen, zu der Frau hinzugehen und sie in den Arm zu nehmen. Es ist schwierig.

prisma: Wie schätzen Sie die Zukunft der Schauspielerei ein?

Boske: Ich gehe mal davon aus, dass uns das Virus bestimmt noch einige Zeit begleiten wird. Man schreibt Drehbücher um, und muss sowohl im Film als auch auf der Bühne anders inszenieren. Auf der Bühne kann man das ganz gut machen, da spielt man auf Distanz und kann trotzdem die Geschichte erzählen. Im Film ist es ein bisschen schwieriger – es fällt auf, wenn sich ein Ehepaar kaum berührt.

prisma: Man muss eben das Beste aus der Situation machen.

Boske: Richtig. Die Schauspieler wollen weiterarbeiten, und auch die Menschen wollen weiterhin Filme sehen, ins Theater gehen und Musik hören. Man muss sich darauf einstellen und damit leben lernen. Und das können wir nur, wenn wir alle zusammenhalten. Im Rückblick wird man sich fragen, wie wir da durchgekommen sind.

prisma: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Boske: Der allergrößte Wunsch ist natürlich, dass das Publikum "Die Küstenpiloten" liebt und wir weiterdrehen können. Wenn es den Leuten gefällt und das Feedback positiv ist, wollen wir nächstes Jahr weitermachen. Ansonsten bin ich sehr offen. Je unterschiedlicher die Rollen, desto besser! Einen Kostümfilm fände ich super, also eine Geschichte, die vor vielen Jahren passiert ist.

prisma: Sie spielen häufig Figuren in extremen Lebenssituationen. Was ist das Besondere an so herausfordernden Rollen?

Boske: In dem Film "Auf der Straße" (Wiederholung am Mittwoch, 11. November, 23.10 Uhr, bei 3sat, d. Red.) habe ich eine obdachlose Frau gespielt. Bei Obdachlosen geht es ums Überleben und darum, wo man das nächste Essen herkriegt. Das ist eine ganz andere Welt als bei der Pilotin. Ihr geht es darum, von ihrem Vater wahrgenommen zu werden. Das ist das Tolle an der Schauspielerei, dass man sich verwandeln kann. Für jede Rolle muss man Recherche betreiben und sich mit dem Thema befassen. Man kommt immer einen Tick klüger aus jedem Film heraus.

"Man ist völlig machtlos"

prisma: Ihr letzter Beitrag auf Instagram stammt vom 23. Oktober 2019. Warum sind Sie seit einem Jahr inaktiv?

Boske: Weil mein Konto gehackt wurde! Ich komme seit einem Jahr einfach nicht mehr auf meine Seite. Das ist ärgerlich, da ich das für meinen Beruf nutze. Es ist gruselig, worauf die Hacker zugreifen können. Man ist völlig machtlos. Je nachdem, was gehackt wurde, hat man keinen Zugriff mehr, auch das Löschen geht nicht, das ist ziemlich beängstigend. Ich habe es jetzt aufgegeben, ich muss mich neu anmelden. Es gibt eine zweite Nadine Boske auf Instagram unter "nadine_boske". Ich fange halt wieder von vorne an.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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