Doku im BR

Spider Murphy Gang – mehr als 40 Jahre aufrecht rebellisch

von Rupert Sommer

Eine sehenswerte Doku im BR beleuchtet das Auf und Ab der Spider Murphy Gang, die auf der Neuen Deutschen Welle mal ganz oben schwamm, im Kern aber immer den kantigen Rock dem gefälligen Pop vorzog.

BR
Spider Murphy Gang – Glory Days of Rock'n'Roll
Dokumentarfilm • 09.12.2020 • 22:45 Uhr

Auch ein Stück Heimatgeschichte: Sie erzählt von Amerika-Sehnsüchten, von dem hochinfektiösen Blues- und Rock'n'Roll-Virus und der enormen Schwierigkeit, im München der ersten Nachkriegszeit überhaupt eine E-Gitarre und eine für wilde Kerle standesgemäße Blue Jeans aufzutreiben. Der augenzwinkernd charmante, gleichermaßen raubeinige wie liebevolle Dokumentarfilm "Spider Murphy Gang – Glory Days of Rock'n'Roll" erzählt von der kompromisslosen Liebe zur Musik, vom alten Schwabing und von zwei Freunden, deren Hartnäckigkeit es zu verdanken ist, dass auch den Bayern ihre Rock'n'Roll-Rendezvous beschert wurden. Der Film von Jens Pfeifer kam im vergangenen Juli in die Kinos. Nun läuft die BR-Koproduktion auf dem speziellen Schaufenster-Sendeplatz "DoX – Der Dokumentarfilm" erstmalig im Fernsehen – im BR-Spätprogramm.

Man tut der Spider Murphy Gang gewiss nicht unbedingt hartes Unrecht, wenn man sie fast schon stereotyp mit ihrem Bierzelt-Kracher "Skandal im Sperrbezirk", ihrem großen Hit, verbindet – jenem Song, mit dem sie sich eher ungewollt mitten hinein in die Pop-Wirren der Neue-Deutsche-Welle-Begeisterung der 80er-Jahre verirrt hatten. Direkt hinein in den Trubel, zu den Massen und zu den vielen schönen jungen Mädchen, die sie auf der Bühne bejubeln – dorthin wollten Günther Sigl und sein ganz spezieller Lebens-Spezl Barny Murphy ja schon immer. Dafür ließen sie ihre bürgerlichen Lebensläufe hinter sich. Sigl gab sogar eine Banklehre auf. Das Rechnen und Zahlen-Denken hat der verschmitzte gebürtige Schongauer, dem auch mit 73 Jahren immer noch so etwas wie ein Lausbuben-Grinsen im Gesicht steht, nie abgelegt.

"1962 fing alles an, als ich mit ein paar Freunden eine erste Band aufmachte, um ein paar Beatles-Songs nachzuspielen. Wie man das damals halt gemacht hat. Wir waren vier Buben in einem Keller – und wollten alle Paul, John, George und Ringo sein", erinnert sich Sigl im Rückblick auf seine ersten Gehversuche als Band-Musiker. 1971 ging's dann ernsthaft los, als er bei der Bank kündigte. 1977 gründete er die Spider Murphy Gang, die sich seither nie aufgelöst hat. Im vergangenen Jahr feierten die "Spiders" ihr 40-Jahre-Jubiläum und füllten bis zum Einbruch durch die Corona-Kontaktbeschränkungen weiterhin fleißig die Konzertsäle.

Der Dokumentarfilm blickt noch einmal ganz zurück auf die Anfänge in kleinen Schwabinger Clubs, den deutschlandweiten Durchbruch mit "Skandal im Sperrbezirk" im Jahr 1981 und die verrückte Zeit danach an der Spitze der Charts, die selbst für den Songschreiber Sigl im Rückblick unwirklich wirkt. Roter Faden der Dramaturgie ist das frotzelnde Miteinander der beiden Band-Köpfe Sigl und Murphy. Gitarrist und Co-Bandgründer Murphy, der eigentlich Gerhard Gmell heißt, will dabei seinen Mitmusiker immer wieder dazu überreden, doch noch einen neuen Song einzuspielen. Sigl ziert sich im Film lange – und hat den neuen Kracher in Wirklichkeit längst fertig. Es ist der titelgebende Song "Glory Days Of Rock'n'Roll".

Selbst eingefleischte Fans und Weggefährten der Band dürften in der Nahbetrachtung ihrer Helden immer noch ein wenig Neues entdecken. So kommt Jens Pfeifer, der nicht nur Regie führte, sondern mit Stefan Donaubauer auch das Drehbuch schrieb, den gelegentlich durchaus sperrigen Protagonisten stets sehr nah. Außerdem kann er aus teilweise zuvor noch nicht veröffentlichtem Archivmaterial sowie aus sehr offenen Interviews schöpfen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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