Karriereende im Dezember

"TV Total" mit Stefan Raab: Eine Woche leichte TV-Kost

11.09.2015, 07.53 Uhr
von Marcel Romahn

Es sind nur noch wenige Monate, bis die letzte Folge "TV Total" über die Bildschirme flimmert. Legt Stefan Raab zum Endspurt nochmal einen drauf? Unser Autor hat die Folgen dieser Woche auf den Prüfstand gestellt.

Weißes T-Shirt, hellblaues Hemd, schwarzes Sakko und ausgebeulte Jeans – wer seit 1999 fester Bestandteil des Unterhaltungsprogramms ist, darüber hinaus eine Marke in der deutschen TV- und Musikindustrie und zu den bekanntesten Gesichtern im Land gehört, der darf bei ProSieben wohl jeden Abend dieselben Klamotten tragen. Doch nicht nur das Outfit, sondern auch die Show selbst hat Entertainer Stefan Raab (48) über die Jahre hinweg nicht sonderlich verändert.

Der Zuschauer weiß, was ihn erwartet, wenn er beim Zappen zufällig bei dem Kölner Lästermaul hängenbleibt: ein paar Minuten Stand-Up-Comedy, ein mal mehr, mal weniger bekannter Promi als Studiogast, vielleicht noch ein spontanes Spielchen mit dem Publikum. Dazwischen gibt's dann ganz plötzlich immer "ein kleines bisschen Werbung" – das war's dann auch schon. "Wir sehen uns morgen wieder!"

Nach mehr als 16 Jahren und rund 2200 Folgen scheint bald der Moment gekommen, in dem die Endlosschleife aus Lästereien über Nachrichtensprecher, Talkshow-Moderatoren und Politiker dann doch ein Ende findet. Ende Dezember ist Schluss mit "TV Total". Gott sei Dank, mögen viele denken. Doch für viele Zuschauer klafft fortan ein Loch im Programm. Denn: Wer "TV Total" nachts zwischen Spielfilm und Nachtjournal einschaltet, weiß, was er bekommt: leichte TV-Kost vom gelernten Metzger, improvisierte Berieselung, wie sie nur Stefan Raab beherrscht.

Stand-Up-Comedy, die zum Schmunzeln reicht

Gäbe es Statistiken darüber, wann der Zuschauer bei TV-Total am häufigsten lacht, würden sie von den ersten bis zur letzten Minute der Show sicherlich steil bergab gehen. Die erste Viertelstunde bleibt die lustigste. In dieser Zeit nimmt Raab schonungslos alles aufs Korn, was Zeitung und Fernsehen zu bieten haben. Den Anfang machen am Montag natürlich: die Holländer. "Eine EM ohne Holland ist wie Musik ohne Andrea Berg", kommentiert Raab in aller Schadenfreude. Was folgt, ist die tägliche Sammlung von Tollpatschigkeiten, etwa Moderatorin Kim Fisher, die bei der Live-Sendung zur "Goldenen Kamera" beinahe von der herannahenden Videowand von den Füßen geholt wurde.

Auch am Folgetag eröffnet Raab seine spitzzüngige Viertelstunde mit dem Thema Fußball, genauer gesagt das Spiel Deutschland gegen Schottland. "Gesehen hab ich das ja nicht", sagt der Entertainer. "Lief auf RTL, ist bei mir nicht einprogrammiert." Ja, Seitenhiebe gegen den großen Konkurrenten sind Teil der Raab-DNA. Den folgenden eher ernsten Bericht über protestierende Milchbauern in Brüssel, die die Polizei mit Stroh bewarfen, kommentiert Raab mit "die Polizei durch Heuschnupfen außer Gefecht gesetzt." Naja, für einen kurzen Schmunzler reicht es gerade noch.

Dass aus dem Schmunzler jedoch gelegentlich auch ein Lacher werden kann, bewies die Sendung am Mittwoch, als Stefan Raab eines seiner Lieblingsziele, die WDR-Lokalzeit, erneut ins Visier nahm. Waren sonst die Moderatoren mit ihren durchaus häufigen Versprechern das Opfer des Entertainers, ging es diesmal um das totale Chaos zwischen Bild und Ton, das sich bei einem Beitrag der aktuellen Lokalzeit aus Düsseldorf abspielte. "Der WDR hat von Zwei- auf Zwölfkanalton umgestellt", sagt Raab und erntet wieder nur Höflichkeitslacher. "Man hat in diesem Beitrag weniger verstanden, als bei einem Til-Schweiger-Film." Schon besser, jetzt lacht das Publikum wenigstens einmal richtig.

Am Donnerstag blüht Raab dann so richtig auf. "Bakterien-Alarm in Flugzeugen" – aus dieser aktuellen Schlagzeile zieht er seine eigenen Schlüsse: "Jetzt kriegen Sie die Syphilis schon im Flugzeug und nicht erst auf Malle." Nachdem dann auch noch der Bayrische Rundfunk und der ZDF-Fernsehgarten ihr Fett wegkriegen, kommt der Entertainer zu seinem Opfer der Woche: die leicht verwirrte Moderatorin von Astro TV. Das Publikum hängt an Raabs Lippen. Zugegeben: Mit "Engelsdüften aus der Sprühflasche" und den dazugehörigen Engelsliedern auf CD, die von der Moderatorin für "nur 129,95 Euro" angeboten werden, hat Raab großzügige Angriffsfläche.

Auffangtherapie für C- bis Z-Promis

Frage: Warum kommt ein Promi als Gast zu TV Total? Antwort: Damit er erzählen kann, wer er ist (gelegentlich vonnöten), was er erreicht hat (sprich: was ihn berechtigt, neben Stefan Raab zu sitzen) und (ganz wichtig) wann er demnächst auf Kinoleinwand oder TV-Bildschirm zu sehen sein wird. In all den Jahren hatte Raab zwar auch große Namen im Gästesessel – James Brown, Jennifer Lopez, Alicia Keys oder Will Smith, um nur einige zu nennen. Doch gefühlte 90 Prozent fallen klar in die Kategorie C- bis Z-Promi.

Paradebeispiel in dieser Woche: Ex-GZSZ-Sternchen Susan Sideropoulos, mittlerweile 34 Jahre alt und lange genug von der Bildfläche verschwunden, um im Werbegespräch mit Raab um die Gunst der Zuschauer zu buhlen. So dreht sich das gesamte Gespräch um ihre neue Sendung. In der neuen Sat.1-Serie "Mila – Allein war gestern" – der Beschreibung nach zu urteilen eine Romantikschnulze von vielen – ist sie jetzt täglich ab 19 Uhr zu sehen. Mission erfüllt, Werbung platziert!

Eigentlich hätte Sideropoulos bereits nach fünf Minuten das Studio wieder verlassen können. Viel mehr als den Sendetermin der Soap erfährt der Zuschauer nicht. "Du bist dann täglich um 19 Uhr auf Sat.1", wirft Raab immer mal wieder ein. "Ja genau", sagt die 34-Jährige. "Immer um 19 Uhr." Die Geduld des Zuschauers, sie wird auf eine harte Probe gestellt. Zwischendurch wird noch kurz der Name Sideropoulos zum Thema. Der ist griechisch, genau wie ihr Vater. Und dann steht schon die Verabschiedung an. Kurz noch ein Hinweis von Raab. "Susan Sideropoulos gibt's jetzt immer abends auf Sat.1 um 19 Uhr." Danke, gutes Gespräch.

Den wohl verzichtbarsten Besuch seit langem empfängt Stefan Raab am Donnerstag: den Rapper und selbsternannten "Roughrider of Love", gespielt von Komödiant Buddy Ogün. Übertriebener Proleten-Rap und eine Figur, die mit hoher Piepsstimme maximal zwei Sätze am Stück fließend aussprechen kann – ohne dabei auch nur minimal komisch zu sein – machen den Kurzbesuch zur anstrengenden Fremdschäm-Nummer für jeden Zuseher. Sowas bitte bis Dezember nicht mehr Herr Raab! Aber das Album des "Roughriders" wird sich sicherlich nach diesem denkwürdigen Donnerstagabend ein paar Mal mehr verkaufen. Für alle, die es inzwischen vergessen haben: Susan Sideropoulos läuft täglich um 19 Uhr auf Sat.1.

Kein Vollgas zum "Raabschied"

Lockere Sprüche, oft lahme Gags, gelegentlich große Namen, oft langweilige Gäste – "TV Total"- Fans wissen: Wer Raab einschaltet, bekommt kein Feuerwerk zu sehen. Und das mag auch der Grund sein, warum der 48-Jährige in den letzten Wochen seines TV-Entertainer-Daseins nicht täglich mit Edelpromis und Spitzenkabarett aufwartet. Schließlich hat er es geschafft mit einer oft improvisierten Show eine vorher nie dagewesene Karriere hinzulegen. Vielleicht sehen Sender und Entertainer es als ihr gutes Recht an, die Marke Stefan Raab und die langlebigste Late-Night-Show im deutschen Fernsehen auf die Art zu verabschieden, die sie so erfolgreich hat werden lassen – durch und durch authentisch.

In Kooperation mit RP ONLINE.

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