Sonntag am "Tatort"

Dr. Wangilas letzter Weg

26.04.2016, 06.00 Uhr
Da ist es passiert: Heimleiter Korte (Volker Muthmann) zeigt den Kommissaren den Ort, wo ein Flüchtling zu Tode kam.
Da ist es passiert: Heimleiter Korte (Volker Muthmann) zeigt den Kommissaren den Ort, wo ein Flüchtling zu Tode kam.  Fotoquelle: WDR/Uwe Stratmann

In einer Folge wie dieser, sie heißt "Narben", landet der 1000-jährige Tatort wieder ganz bei sich, bei seinen Ursprüngen. So war er früher schon.

Das Ergebnis fällt gar nicht mal altbacken aus. Ganz bei sich, das heißt, ein grundsolider Krimi mit zwei Ermittlern, die in wenig aufregender Kleinarbeit Fakten auf Fakten häufeln. Sie sind dabei in Milieus unterwegs, die zu unser aller Gegenwart gehören und doch genug Exotik für einen Filmstoff in sich bergen.

Wir sehen Dr. Patrick Wangila, einen Arzt, von dem wir bald erfahren werden, dass er aus dem Kongo nach Köln geflohen ist und am Klinikum St. Ursula einigen Respekt genießt. Dr. Wangila verlässt zu später Stunde seinen Arbeitsplatz, um zu Fuß nach Hause zu gehen. In der nächsten Szene liegt er tot neben einem Teich. Erstochen.

Der Rest ist Polizeiarbeit: das Beleuchten und Ausleuchten vom Umfeld. Wie war es um die Familie des Opfers bestellt? Um seinen Arbeitsplatz? Wie stand es um seine Verankerung in kongolesischen Kreisen? Hatte er ein Verhältnis?

Was Flüchtlinge erlitten haben

Das sind lauter Arbeiten, die in die Kategorie "nichts Besonderes" fallen, zumal ein Mord in der heutigen Fernsehlandschaft, in der gefühlt zwanzig Mal täglich gemordet wird, tatsächlich nichts Besonderes mehr ist.

Aber gerade das beharrliche Wühlen ohne wirklich spektakuläre Szenen (Verfolgungsjagden etc.) machte schon oft die halbe Miete beim Tatort aus; so gesehen handelt es sich um eine ausgesprochen konservative Folge (Regie: Torsten C. Fischer, Buch: Rainer Butt).

Für Action sind die Kommissare Ballauf und Schenk nach all den Dienstjahren ohnehin nicht mehr zu haben. Sie fahren einen neu eingeführten und in diesem Zusammenhang absurd wirkenden Ami-Oldtimer spazieren, derweil die ermittlungstechnisch wichtigen Erkenntnisse von Assistent Tobias (Patrick Abozen) via Polizeicomputer und am Telefon gewonnen werden.

Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) zelebrieren unterdessen das "Ein-Blick-sagt-mehr-als-1000-Worte-Spiel".

Ein Stück von früher

In Ermangelung ausgefeilter Verhör-Dialoge signalisieren diese Blicke, wie sie von Schenk zu Ballauf und wieder zurückwandern: Hier stimmt was nicht! Auch das ein Stück von früher.

Umso überzeugender die weiblichen Rollen. Julia Jäger beweist als leitende Ärztin einmal mehr, dass es ein Leben (und die besseren Rollen) jenseits der Signora Brunetti gibt. Laura Tomke als Krankenschwester und Anne Ratte-Polle in ihrer Tatort-Standardrolle als Frau auf schwankendem Boden gefallen ebenfalls.

Der Zuschauer lernt etwas über die aufopferungsvolle Arbeit mit Flüchtlingen. Er erfährt von ihrer Angst und spürt den Wahnsinn, den die Erlebnisse ihnen eingegraben haben.

Das Schulbuchhafte und Gutmenschliche, das dem Thema innewohnt, umschifft der Film mit knapper Kunst zugunsten einer bis zuletzt anhaltenden Tätersuche.

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