Ein furchtbares Ereignis verändert das Leben zweier Familien für immer: Bei einem Segeltörn geht der jugendliche Sohn der Küsters über Bord und bleibt verschwunden. Aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet das Drama die Frage nach Schuld und Verantwortung.
Mysteriös liegen die dänischen Ochseninseln in der Flensburger Förde. In diesem Naturparadies nahe der deutschen Grenze spielt die ZDF-Miniserie "Tod von Freunden", die in vier Doppelfolgen große Fragen nach Vertrauen, Schuld und Lüge verhandelt. Inszeniert vom vielfach prämierten Regisseur Friedemann Fromm ("Die Wölfe"), der auch das Drehbuch schrieb, beleuchtet das in düsteren Tönen gehaltene Thriller-Drama aus unterschiedlichen Perspektiven, wie ein schreckliches Ereignis das zuvor scheinbar perfekte Leben zweier Familien zu zerstören droht.
Eigentlich haben die befreundeten Familien Küster und Jensen erreicht, was viele anstreben: Gemeinsam zogen die vier Erwachsenen die vier Kinder auf, eine kollektive Existenz inmitten eines herrlichen Eilandes, frei von zahlreichen Normen und Zwängen – kurzum: eine für die meisten utopische Definition von Glück. Doch das perfekte Paradies bekommt Risse: Bei einem Segeltörn mit den Jensens geht der Teenager Kjell Küster (Lukas Zumbrock) über Bord, seine Eltern Bernd und Sabine vergehen vor Sorge. Jan Josef Liefers und Katharina Schüttler geben glaubhaft das ohnehin kriselnde Elternpaar, das an dem Unglück zu zerbrechen droht.
"Wir lassen das nicht ausgehen, bis er wieder da ist!", schreit Sabine an einer lodernden Feuertonne am Strand – doch Kjell taucht nicht wieder auf. Ist ihr Sohn tot oder lebt er noch? Die Ungewissheit nagt (schauspielerisch wie dramaturgisch mitreißend umgesetzt) an den Seelen der Protagonisten. Zumal die Küsters ihre Angst vor dem zweiten Sohn Karl (Anton Petzold) verbergen wollen, der ebenfalls an Bord war – und aufgrund seines Autismus sichere Verhältnisse braucht. Diese jedoch fallen langsam in sich zusammen.
"Wahrheit ist wie ein sterbender Drache"
Neben der einsetzenden Trauer wird jedoch auch das gegenseitige Misstrauen größer: Bernd vermutet, dass sein Freund Jakob Jensen (Thure Lindhardt), der den Törn anführte, ihm etwas zu den Details des Unglücks verschweigt. "Ich will die Wahrheit!", entfährt es dem leidenden Vater. Die unaussprechliche Vermutung: War das Verschwinden des Sohnes gar kein Unfall? Nach und nach kommen Details aus der Vergangenheit ans Licht, die das traute Gemeinwesen in seinen Grundfesten erschüttern.
Eine große Rolle spielt dabei Jakobs Bruder Jonas ( Jacob Cedergren), der Sabines Leben einst prägte, und nun überraschend wieder auftaucht. Wie wirkt sich das einstige Trauma der beiden, ausgelöst vom Schuss eines Polizisten, auf die Gegenwart aus? Und was hat es zu bedeuten, dass Jakob die Schuld an Kjells rätselhaftem Verschwinden auf sich nimmt, um seinen Freunden den Abschied zu erleichtern? Schließlich sind die Folgen für seine Frau Charlie (Lene Maria Christensen), die gemeinsam mit Bernd eine Firma betreibt, ebenso wenig absehbar wie für seine Kinder Cecile und Emile (Milena Tscharntke und Oskar Belton). Die Frage, die Fromm vorsichtig umkreist: Wenn engste Beziehungen auf Lügen fußen – sind sie dann in ihrer Gesamtheit falsch?
"Tod von Freunden" entwirft differenzierte Blicke auf die Fragilität selbstgewählter Familienstrukturen und nähert sich hochsensibel dem unterschiedlichen Umgang mit "der Wahrheit". Dass Letztere nicht selten von der Perspektive abhängt, mag zwar ein Allgemeinplatz sein – allerdings einer, der immer wieder ausgesprochen gehört. Oder eben filmisch so kunstvoll umgesetzt wie von Filmemacher Fromm, der jedem der acht Hauptfiguren und ihren Blickwinkeln die Bedeutung zuteilwerden ließ, die sie verdienen – selbst wenn sie sich oder andere belügen. "Wahrheit ist wie ein sterbender Drache, der aus dem Nichts zuschlägt", sagt Figur Jakob an einer Stelle. Denn manchmal, so blitzt es aus der Mini-Serie bisweilen hervor, wollen wir die Wahrheit gar nicht wissen.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH