Weihnachtsfilm-Tragikomödie

Bjarne Mädel über seine Rolle in "Prange – Man ist ja Nachbar"

07.12.2025, 12.41 Uhr
"Prange – Man ist ja Nachbar" ist ein besonderer Weihnachtsfilm mit Bjarne Mädel und Olli Dittrich. Im Interview spricht Mädel über Einsamkeit, norddeutschen Humor und seine Heimat Hamburg.

In "Prange – Man ist ja Nachbar" (Mittwoch, 10. Dezember, 20.15 Uhr, Das Erste) spielt Bjarne Mädel den Titelhelden in einem Weihnachtsfilm der besonderen Art. Die Menschen in dieser Hamburger Mietshaus-Tragikomödie sind Singles oder Suchende. Menschen, die sich nach Liebe sehnen – aber sich dabei oft selbst im Weg stehen. So wie Bjarne Mädels Figur Ralf Prange oder sein von Olli Dittrich gespielter Nachbar. Mädel selbst lebt in diesen Tagen noch in Kreuzberg, zieht jedoch noch vor Weihnachten nach 19 Jahren zurück in seine alte Heimat Hamburg. Unter anderem aufgrund eines Engagements am Schauspielhaus. Ein Gespräch über einsame Menschen an Weihnachten, Paketdienste, norddeutschen Humor und Bjarne Mädels ganz persönliches Weihnachten.

prisma: Hamburg ist die Stadt der Rotklinker-Mietshäuser. Löst "Prange – Man ist ja Nachbar" bei Ihnen heimatliche Gefühle aus?

Bjarne Mädel: Absolut, der rote Klinker ist mir sehr vertraut. Gerade als Exil-Hamburger, der im Moment in seiner Küche in Berlin-Kreuzberg sitzt, löst das etwas in mir aus. Ich kenne die Häuser, aber auch die Typen, die im Film darin wohnen, schon noch ganz gut.

prisma: Im Film "Geliefert" spielten Sie einen Paketboten unter Druck. In "Prange" sind Sie nun derjenige, der die Pakete für alle Nachbarn annimmt und sich in die Paketbotin verliebt. Alles Zufall?

Mädel: An "Geliefert" denke ich gern zurück, der Film hat mir ja unter anderem einen Grimme-Preis eingebracht. Insofern scheint das Paketgenre ein gutes Omen für mich zu sein. Natürlich habe ich die Koinzidenz auch bemerkt. Aber es wäre kein Grund gewesen, den Film nicht zu machen – nur weil wieder Pakete drin vorkommen. "Prange" hat ja auch noch ein paar andere Themen.

"Pakete sind schon ein gutes Symbol für Vereinsamung"

prisma: Und die wären?

Mädel: In "Prange" geht es um Einsamkeit, die viele Menschen heute empfinden. Besonders die, die als Single leben. Es geht auch um fehlende Gemeinschaft beziehungsweise wie und wo man sie wiederentdecken kann. Da sind Pakete natürlich ein schönes Vehikel für die Geschichte. Alle sitzen allein zu Hause und bestellen sich etwas. Keiner geht mehr raus, um andere zu treffen. Pakete sind schon ein gutes Symbol für Vereinsamung. Mit dem ständigen Bestellen von Dingen versuchen Menschen oft, eine Leere in ihrem Leben zu füllen.

prisma: Der Film erzählt von einer Hausgemeinschaft. Ist sie eine Ersatzfamilie?

Mädel: Unser Regisseur Lars Jessen nennt "Prange" einen Film über das Gelingen. Tatsächlich, wenn es gut läuft, kann eine Hausgemeinschaft zur Ersatzfamilie werden. Deshalb verbringen unsere Hausbewohner so viel Zeit im Treppenhaus. Da reden wir natürlich über ein typisch städtisches Phänomen. Auf dem Land wohnt man oft mit mehr Raum. Vielleicht in einem Haus und man hat noch die alten Eltern mit drin. Als städtisches Wohnmodell finde ich den Film sehr realistisch. Es wird zwar auch viel gestritten, aber wir Schauspielerinnen und Schauspieler sagten oft zwischen diesen Treppenhaus-Drehs: "In so einem Haus könnte ich mir auch vorstellen zu leben". Warum? Weil da eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft letztendlich funktioniert. Das ist gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Botschaft, finde ich.

prisma: Prange ist ein Mensch, der nicht sagt, was er fühlt, sondern in langen Monologen von Alltagsdingen spricht, um seine wahren Gefühle zu verbergen. Daraus entsteht eine besondere Art Komik, die anrührt.

Mädel: Das Lob für diese Charakterzeichnung muss ich an den Autor Andreas Altenburg weitergeben. Den kenne ich seit seinem Radio-Comedy-Format "Frühstück bei Stefanie". Er erschafft sehr lakonische Figuren, die mitunter wenig oder auch ganz viel reden. Doch da liegt dann auch eine Einsamkeit unter den Worten begraben. Mir fallen wenige deutsche Komödienautoren ein, die den Alltag so toll beobachten und be-schreiben wie Altenburg.

"Nach dem Motto: Über Gefühle spricht man nicht"

prisma: Man kennt es ja, dass sich Menschen Ersatzthemen suchen, um über Gefühle zu reden. Sie schimpfen über die Dunkelheit oder den vielen Regen – anstatt zu sagen, dass man traurig oder frustriert ist. Warum machen wir Menschen das?

Mädel: Es ist ja auch alte Schule. Nach dem Motto: Über Gefühle spricht man nicht. Das gilt vor allem für die Männer früherer Generationen. Auch heute gibt es noch viele, die sich schwer damit tun, sich mit ihren Gefühlen anderen gegenüber zu öffnen. Manchmal bricht es dann aber auch aus Prange heraus. Wenn es zum Beispiel um seine Mutter geht, die er in der Wohnung gepflegt hat. Das sind kleine Momente, die dezente Hinweise auf seine emotionale Beschaffenheit geben. Oder auch sein Verliebtsein in die Paketfrau Dörte. Die beiden blaffen sich ja ganz schön an. Das Verliebtsein mal so zu erzählen, fand ich auch sehr interessant und gar nicht unrealistisch.

prisma: Mit Olli Dittrich als Nachbar, dem Regisseur Lars Jessen oder eben Andreas Altenburg als Autor befinden sich viele Norddeutsche im Team der Macher. Sie natürlich auch! Ist "Prange" ein typisch norddeutscher Stoff?

Mädel: Der Barmbeker Klinker oder die Art, wie manche Figuren reden, ist natürlich sehr norddeutsch. Inhaltlich könnte die Geschichte aber überall spielen. In jeder Stadt gibt es solche "Arbeiterviertel" mit entsprechenden Häusern und diesem bunten Bewohner-Mix. Schon in Hamburg-Eppendorf sähe die Hausgemeinschaft wahrscheinlich etwas anders aus. Es ist eher der lakonische Ton und der typisch norddeutsche Schnack, der die Geschichte in Hamburg verortet.

prisma: Sie sind schon in vielen norddeutschen Humor-Formaten aufgetreten. Ist es wirklich nur der Dialekt und Tonfall, der den nordischen Humor ausmacht?

Mädel: Humor ist schwer zu beschreiben. Er lässt sich oft schlecht fassen, weil wenn man ihn komplett analysieren und erklären könnte, wäre er vielleicht nicht mehr lustig. Norddeutscher Humor ist vor allem trocken. In der Aussage wirken seine Sprüche oft hart. Es hat natürlich auch etwas mit dem Sprachrhythmus zu tun. Der ist im Norden oft langsamer und er lebt von Pausen. Beim Kölner Humor wird definitiv mehr und schneller geredet. Mir ist der norddeutsche Humor sehr vertraut, weil ich damit aufgewachsen bin. Die Art, so miteinander zu reden und umzugehen, lässt einen dann ein Leben lang nicht mehr los.

Wird es einen zweiten Prange-Film geben?

prisma: Muss Humor immer mit Tragik zu tun haben?

Mädel: Er muss nicht. Beim Humor, den ich mag, ist es aber meist so. Da stolpert man nicht auf der Treppe, nur weil sie frisch gewachst wurde, sondern weil man in Gedanken gerade bei einem schwerwiegenden Problem war. Trotzdem kann ich über das Stolpern herzlich lachen. Je ernster der Hintergrund, desto lustiger finde ich oft den Humor dazu. Ich finde es großartig, wenn ich lachen muss, obwohl oder weil mir zum Weinen zumute ist.

prisma: Kann es sein, dass Sie den Prange ein weiteres Mal spielen werden?

Mädel: Das will ich nicht ausschließen. Es gibt Überlegungen, zu gucken, was mit dieser Hausgemeinschaft in Hamburg-Barmbek noch so passiert. Von Andreas Altenburg existiert ja bereits ein zweiter Prange-Roman und der Mann hat sowieso immer unfassbar viele Ideen im Kopf.

prisma: Die Figuren sind eigentlich zu gut, um sie nach 90 Minuten wieder gehen zu lassen!

Mädel: Ja, das finden wir auch. Deshalb haben wir auch noch eine Hörspielserie angeschlossen. "Barmbek Bump" mit Prange und seinem Nachbarn Horst Rohde, wie im Film grandios gespielt von Olli Dittrich. Auch da merkt man, wie viele lustige Alltagsbeobachtungen Andreas Altenburg noch so in seinem kranken Kopf hat. Bei einem zweiten Film müssten wir uns dann überlegen, was der Hauptplot der Geschichte ist. Die Liebesgeschichte beziehungsweise deren Anbahnung ist schon das, was den ersten Film am Ende zusammenhält.

"Mein Elternhaus gibt es schon lange nicht mehr"

prisma: "Prange" ist auch ein Weihnachtsfilm. Weil er in dieser Zeit des Jahres spielt und auch wegen der Themen Liebe und Gemeinschaft. Wie viel können Sie selbst mit Weihnachten anfangen?

Mädel: Als Kind fand ich Weihnachten toll. Ich habe viele Erinnerungen an die Faszination der Lichter und die Vorfreude auf das, was da kommen wird. Weil ich selbst keine Kinder habe, konnte ich das nostalgische Gefühl nicht erneuern. Deshalb ist Weihnachten bei mir ein bisschen unwichtig geworden. Ich verbinde damit das Raclette-Essen, das man einmal pro Jahr macht, oder dass man zu viele Lebkuchen in sich reinstopft.

prisma: Wie sieht es mit heimatlichen Gefühlen aus? Dieses "Driving Home For Christmas"-Ding?

Mädel: Mein Elternhaus gibt es schon lange nicht mehr. Wir sind alle sehr verstreut. Mein Vater lebt in Kalifornien, da ist es sowieso zu warm für weihnachtliche Gefühle. Meine Schwester ist vor vielen Jahren nach Portland, Oregon, gezogen. Das ist genauso weit weg. Meine Mutter lebt in Hamburg. Sie sehe ich natürlich immer zu Weihnachten, das ist Mutter-Sohn-Tradition. Es gibt bei mir also nicht die große Familienzusammenkunft, wo für alle etwas vom Braten abgeschnitten wird.

prisma: Beneiden Sie andere darum?

Mädel: Ja, manchmal schon. Es sind natürlich Sehnsüchte, die dieses Bild bedient. Andererseits feiern viele Menschen ja auf diese Art Weihnachten – und berichten dann aber, dass dieses große Familientreffen alles andere als gut oder harmonisch lief. Dass es Streit gab oder zumindest viel Frust und Enttäuschung. Manchmal beneidet mich die "Braten-Fraktion" dann darum, dass ich zu Weihnachten in Ruhe auf dem Sofa sitzen und eine tolle Serie schauen oder ein gutes Buch lesen kann. Ich erlebe Weihnachten eher als Zuschauer. Ich gehe gerne mal spazieren an den Weihnachtstagen und schaue bei anderen Leuten ins gemütlich beleuchtete Fenster hinein.

prisma: Haben Sie einen typischen Weihnachtsfilm, den Sie jedes Jahr schauen?

Mädel: Einen Weihnachtsfilm habe ich nicht, aber ein Ritual. Ich schaue zum Ende des Jahres den englischen Komiker Lee Evans und seine Show "Live At Wembley", weil ich sie grandios lustig finde. Weihnachtlich ist die Show allerdings nicht, aber am Ende dann doch sehr rührend und auch be-rührend.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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