Wann hört es endlich auf?! Filmkritik zum Horrorfilm „Saw X“
Mit „Saw X“ läuft der zehnte Film der „Saw-Reihe“ jetzt auch in Deutschland in den Kinos. Anders als die Opfer in den Filmen, ist das Franchise selbst noch immer nicht tot zu bekommen. Wünschenswert wäre es aber.
Ob wegen der „Insidious-Reihe“, der „Conjuring-Filme“ oder eben dem besonders langlebigen „Saw“-Franchise: Regisseur, Drehbuchautor und Produzent James Wan hat sich im Horrorkino schon vor geraumer Zeit einen Namen gemacht. Wer Horror mag, kommt an ihm mittlerweile nicht mehr vorbei. Anfang der 2000er Jahre war das noch anders und der australische Filmemacher ein unbeschriebenes Blatt. Zumindest bis zum Jahr 2004, als ihm mit seinem zweiten Langfilm „Saw“ ein absoluter Überraschungserfolg gelang. Und zwar auch an den Kinokassen: Bei einem Budget von gerade einmal 1,2 Millionen US-Dollar spielte „Saw“ weltweit über 103 Millionen wieder ein. Was mit einem intelligenten und nervenaufreibenden Horror-Thriller mit eher sparsam eingesetzter Brutalität begann, entwickelte sich leider zu einer abstoßend-grausamen Filmreihe, die viele zurecht als torture porn bezeichnen.
Alibi-Story als Rechtfertigung für neuen „Saw“-Film
Was die „Fast & Furios“-Reihe für den Actionfilm ist, ist das „Saw“-Franchise für das Horrorgenre. Mit immer neuen aberwitzigen Ideen wird eine Fortsetzung nach der nächsten erzwungen – einzig und allein, um Kinogängern noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Auch der zehnte Teil, „Saw X“, bildet da leider keine Ausnahme. Der Film spielt zwischen dem ersten und dem zweiten Teil und soll uns John Kramer, den Menschen hinter den mörderischen Fallen, näherbringen. Kramer ist todkrank und lässt sich in seiner Verzweiflung auf eine neuartige Behandlungsmethode mit angeknüpfter Operation ein, um den Krebs doch noch zu besiegen. Wie schon der Trailer verrät, steckt dahinter jedoch eine Bande von Betrügern. John Kramer (Tobin Bell) muss feststellen, dass er nie operiert wurde.
Soweit die Handlung, die uns in der rund 30-minütigen Einführung vorgesetzt wird. Von der brutalen ersten Szene (einem Tagtraum John Kramers) einmal abgesehen, schlägt „Saw X“ hier ungewohnte Töne an und erinnert mehr an ein Filmdrama. Nur, um dann wieder das zu machen, was „Saw“ immer macht: Menschen zeigen, die sich unter Zwang selbst auf brutalste Weise verstümmeln, um einer Falle zu entkommen und letztendlich meistens trotzdem sterben. Gewalt ist also ein reiner Selbstzweck. Die anders geartete Einführung verkommt dadurch zu einer Alibi-Story. Es drängt sich der Gedanke auf, dass hier nach einem Anlass gesucht wurde, um einen weiteren „Saw“-Film noch irgendwie rechtfertigen zu können.
Mitgefühl für einen Serienmörder?
Dieser Plan der „Saw X“-Macher geht allerdings vorne und hinten nicht auf. Einerseits, weil man sich eben nicht des Eindrucks erwehren kann, dass dieses Story-Element nur dazu gedichtet wurde, um behaupten zu können, dass man ja noch etwas Neues zu erzählen habe. Andererseits, weil die Drehbuchautoren Josh Stolberg und Pete Goldfinger in ein gewaltiges Fettnäpfchen treten: Sie versuchen (ob bewusst oder unbewusst), beim Publikum Mitgefühl für John Kramer (alias Jigsaw) zu wecken. Das ist angesichts seiner grausamen Taten und seiner offensichtlichen Geisteskrankheit moralisch zutiefst verwerflich. Daran ändert auch nichts, dass Kramers Geisteskrankheit im Gewand einer angeblichen Moralvorstellung daherkommt. Kramer wird nämlich weiter nicht müde zu behaupten, dass er seinen Opfern nur helfen wolle. Auch besteht er weiter darauf, dass er selbst ja niemanden töten würde. Wenn dann seien nur die Menschen in ihren Fallen gescheitert und für ihren eigenen Tod verantwortlich. Immerhin widerspricht einer der von Kramer entführten Figuren ihm und erwidert, Kramer solle das mal der Polizei erklären. Für Kramers kranke Vorstellungen von Moral kann man schlicht kein Verständnis aufbringen. Mitgefühl genauso wenig, auch wenn das Drehbuch uns genau das in der Einführung entlocken will, wenn John Kramer traurig guckt oder Schmerzen leidet.
Die Zukunft von „Saw“? Alles eine Frage des Geldes
Nicht nur mit Blick auf die Fallen von Jigsaw, der die Mitglieder der Bande zur Rechenschaft ziehen will, sondern auch im Finale bleibt „Saw X“ seinen Vorgängern treu. Dieses ist nämlich mit seinen mal wieder an den Haaren herbeigezogenen Twists gewohnt absurd. Unterm Strich ist bei der „Saw“-Reihe keinerlei ernstzunehmende Weiterentwicklung zu erkennen. Nach wie vor ergötzen die Filme sich auf widerlichste Weise an ihren expliziten Gewaltdarstellungen, die minutiös ausgekostet werden. Umso verwunderlicher ist es, dass es noch immer genügend Fans gibt, die das Franchise am Leben erhalten. Solange die vergleichsweise günstig produzierten Filme profitabel sind, wird die Reihe vermutlich auch weiter ausgeschlachtet werden. Wir als Kinogänger haben es also in der eigenen Hand, wann dieses Franchise endlich endet.
„Saw X“ läuft seit dem 30. November 2023 in den deutschen Kinos.