Krönung von Charles III.

Adels-Expertin verrät: "Die Menschen erwarten keine Perfektion von der Royal Family"

05.05.2023, 09.51 Uhr
von Elisa Eberle

"Der Übergang von der 'ewigen' Queen Elizabeth II verlief viel harmonischer, als von vielen Royal-Experten erwartet", sagt Ulrike Grunewald. Was die ZDF-Expertin von dem neuen britischen König erwartet, verrät sie im Interview.

Sie ist die ZDF-Expertin für Fragen rund um die Royal Family: Ulrike Grunewald begleitete bereits 1987 den Deutschlandbesuch von Prinz Charles und Prinzessin Diana als Berichterstatterin. 2012 promovierte die heute 64-Jährige zum Thema "Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1800-1831)". Anlässlich der Krönung von Charles III., die unter anderem der Instagram-Kanal "ZDFroyal" begleitet, sind nun zwei neue Filme über das neue britische Staatsoberhaupt im ZDF zu sehen: "ZDFzeit: Endlich König! Charles und der Kampf um die Monarchie" (Dienstag, 9. Mai, 20.15 Uhr) wirft einen Blick in die Zukunft des Sohns der verstorbenen Queen Elizabeth II. "ZDFzeit: Kate, Camilla und der schöne Schein" (Dienstag, 16. Mai, 20.15 Uhr) rückt hingegen die Frauen der Monarchie ins Zentrum. Im Interview spricht Ulrike Grunewald über den harmonischen Übergang zwischen Elizabeth II. und Charles III. und beantwortet die Frage, was sich durch den neuen König ändern wird. Außerdem skizziert sie den Aufstieg Camillas "von der Staatsfeindin Nummer eins zur gekrönten Königin", und sie verrät, warum die Vorsicht von "Waity Katie" letztlich zum Erfolgsrezept wurde.

prisma: Mit Charles III. beginnt eine neue Ära im britischen Königshaus. Wie wird sich die Monarchie durch ihn verändern?

Ulrike Grunewald: Charles wird ein König des Übergangs sein, das ist dem 74-jährigen bewusst. Er wird seinen Thronfolger William und dessen Familie bereits jetzt enger in die Amtsgeschäfte einbinden, um dadurch den Blick in die Zukunft der Monarchie zu öffnen. Dennoch hat der neue König eine Agenda, die ihn von der Ära seiner Mutter abhebt. Er will alle religiösen Gemeinschaften, die im Einwanderungsland Großbritannien oft in Parallel-Gesellschaften nebeneinander existieren, in seine Regentschaft einbinden. Er wird sich nicht dem Motto unterwerfen, dem die Queen stoisch folgte: Never complain, never explain.

prisma: Sondern?

Grunewald: Charles wird sich nicht in die Tagespolitik einmischen, aber er wird seine große Linie beibehalten. Klima und Umwelt, Gerechtigkeit und Divergenz sind seine Leitthemen, die er in Reden betont und in Symbolen in die Repräsentation der Monarchie einbindet.

prisma: Woran machen Sie das fest?

Grunewald: Dass er sich ohne Krone auf Briefmarken und Münzen präsentiert, beinhaltet eine starke Botschaft. "Ich bin nicht gekommen, um bedient zu werden, ich will dienen", mit diesen Worten betritt Charles die Westminster Abbey, um sich als 40. Monarch dort krönen zu lassen. Der Ritus ist altertümlich und verbindet das Königtum mit der tausendjährigen Historie. Doch Charles setzt auch fortschrittliche Akzente. Will die Monarchie in Großbritannien und im Commonwealth, wo der britische König in 14 Ländern auch das Staatsoberhaupt ist, noch relevant sein, muss er den Menschen ihren Wert vermitteln.

Kate und Camilla "als wertvolle Ratgeber für König Charles"

prisma: Welchen Eindruck hinterlässt Charles III. nach seinen ersten sieben Monaten als König: Kann ihm die Modernisierung gelingen?

Grunewald: Wir beobachten einen König, der mit Entschlossenheit und Nahbarkeit von der ersten Stunde an sein Amt ausfüllt. Der Übergang von der "ewigen" Queen Elizabeth II verlief viel harmonischer, als von vielen Royal-Experten erwartet. Mit Charles übernimmt der am besten vorbereitete Thronfolger die Regentschaft, der über lange Zeit hinweg unterschätzt wurde. Für viele war er nur der schräge Typ mit den prägnanten Ohren, der lieber mit Bäumen spricht, als das zu tun, was von ihm erwartet wird. Doch nun erleben wir einen Charles, der offen und selbstbewusst gestaltet, der mit den Menschen ohne Ansehen ihrer Herkunft kommuniziert und der sich seiner großen Aufgabe bewusst ist.

prisma: Welche Bedeutung hat die bürgerliche Herkunft von Camilla und Kate dabei?

Grunewald: Mit Camilla und Kate hat Charles zwei starke Frauen an seiner Seite, die sich über lange Zeit hinweg in der Institution Monarchie bewährt haben. Beiden wird gesunder Menschenverstand und Bodenständigkeit attestiert. Sie haben sich an eine eiserne Regel gehalten, die unausgesprochen allen Frauen der Windsors auferlegt ist: sie müssen ihre eigenen Ambitionen zurückstellen und sich dem Dienst an der Sache unterwerfen. Camilla und Kate ist das gelungen, was aber weniger mit ihrer bürgerlichen Herkunft zusammenhängt, als vielmehr mit ihrem Wesen.

prisma: Was meinen Sie?

Grunewald: Beide werden als eher zurückhaltend und loyal beschrieben, dennoch sind sie willensstark, ohne das für ihre eigenen Zwecke einzusetzen. Sie bringen etwas mit, das der Monarchie im 21. Jahrhundert gut zu Gesicht steht: ehrliches Interesse am Schicksal ihrer Mitmenschen. Camilla engagiert sich für die Alphabetisierung von Kindern und Jugendlichen und setzt sich für die Opfer häuslicher Gewalt ein. Ein schwieriges Thema, dem die meisten Royals aus dem Weg gehen würden. Kate hat ein Langzeitprojekt aufgelegt, das sich mit der Erziehung von Kleinkindern in den ersten Lebensjahren beschäftigt. Um hier Erfolge vorweisen zu können, ist langer Atem gefragt. Darin sind beide royale Damen geübt, und sie haben sich damit als wertvolle Ratgeber für König Charles erwiesen.

"Von der Staatsfeindin Nummer eins zur gekrönten Königin"

prisma: Welche Funktion werden die Frauen übernehmen: Werden sie mehr als bloße Sympathieträgerinnen sein?

Grunewald: Kate und Camilla, aber auch Prinzessin Anne und Sophie von Wessex wirken hinter den Kulissen als starke Leitfiguren. Sie haben sich bereits zu Lebzeiten der Queen als verlässliche Vertreterinnen der Krone bewährt. Sie halten bürgerliche Werte hoch wie Fleiß, Disziplin und Familiensinn. Es ist das Fundament, das die Monarchie mit dem Volk verbindet. Die Menschen erwarten keine Perfektion von der Royal Family, Skandale gab es immer in der Geschichte des Königshauses und wird es wieder geben. Aber sie erwarten Orientierung und sehen mit Spannung, wie familiäre Konflikte gelöst und existenzielle Herausforderungen gemeistert werden.

prisma: Welche Stellung hat Camilla am britischen Hof und in der Gunst der Monarchiefans?

Grunewald: Camilla hat eine erstaunliche Entwicklung genommen: von der Staatsfeindin Nummer eins zur gekrönten Königin. Jahrzehntelang schien das ausgeschlossen. Noch heute gibt es eine hartnäckige Anhängerschaft der verstorbenen Diana, die Camilla für das Scheitern der Ehe der Prinzessin von Wales verantwortlich macht. Auch Prinz Harry scheint neuerdings davon überzeugt, Camilla sei in ihrer Position gefährlich. Doch die meisten Briten quittieren das inzwischen mit einem Achselzucken.

prisma: Inwiefern?

Grunewald: Sie lieben Camilla nicht, aber sie erkennen an, dass sie den gelegentlich mürrischen Prinzen Charles zu einem glücklicheren Menschen gemacht hat und der deshalb ein besserer König sein kann. Die Queen konnte ihr Amt nur so verlässlich ausüben, weil sie den stets zuverlässigen und loyalen Prinz Philip an ihrer Seite wusste. Camilla erfüllt nun diese Funktion für Charles und die Mehrheit akzeptiert, dass sie deshalb dafür mit dem ihr zustehenden Status als gekrönte Königin belohnt wird.

"Viele Briten blicken erwartungsvoll auf das nächste Königspaar"

prisma: Auch Prinzessin Catherine hatte es zu Beginn nicht immer leicht. Was war das größte Problem, mit dem sie zu kämpfen hatte?

Grunewald: Kate war nicht von Beginn ihrer Beziehung mit Prinz William an das geborene Glamour-Girl, nach dem sich die Diana-Fans gesehnt hatten. Sie stürzte sich nicht kopfüber ins royale Leben, sondern gab sich Zeit, sich an den Gedanken einer Zukunft im Königshaus zu gewöhnen. Auch William wollte nicht übereilt in eine Ehe gehen, was Kate den unschönen Spitznamen "Waity Katie" eintrug. Doch die Taktik, vorsichtig das Terrain zu sondieren, hat sich schließlich als Erfolgsrezept herausgestellt.

prisma: Inwiefern?

Grunewald: Kate ist nicht die geborene Rednerin und tritt eher zurückhaltend auf. Das wurde ihr lange Zeit angekreidet, aber sie hat an sich gearbeitet und ist dem Rat ihrer Vertrauten gefolgt. Inzwischen ist sie das beliebteste Mitglied des Königshauses und gilt dank ihrer makellosen Aufmachung als meistfotografierte Frau der Welt. Aus der anfänglich belächelten Bürgerstochter ist die einflussreichste Frau am Hof von König Charles geworden. Sie ist die Frau und die Mutter eines künftigen Königs und wird daher entscheidend mitbestimmen, wie sich das Haus Windsor in der Zukunft bewährt.

prisma: Die Queen wurde zuletzt immer häufiger von Charles bei offiziellen Terminen vertreten. Wie wird der Wechsel zwischen Charles III. und seinem Sohn William wohl ablaufen?

Grunewald: Die Weichen für die Zukunft der Monarchie sind gestellt. William hat bereits jetzt großen Einfluss auf den Umbau und die Modernisierung des Königshauses, und viele Briten blicken schon erwartungsvoll auf das nächste Königspaar William und Kate. Die Erbmonarchie hat sich mit ihren Traditionen bislang bewährt und noch spricht sich eine Mehrheit der Briten für die Beibehaltung aus. Doch immer mehr Menschen fragen, ob das noch eine zeitgemäße Regierungsform für ihr Land ist und welchen Wert eine Royal Family hat, die ihre Privilegien rechtfertigen muss. Diese Fragen zu beantworten, wird die naheliegende Aufgabe für den König und den Prinzen von Wales sein.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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