TV-Krimi-Experte

Nicki von Tempelhoff erklärt im Interview: "Wir Schauspieler sind wie die Narren im Mittelalter"

23.11.2023, 15.08 Uhr
von Elisa Eberle

Nicki von Tempelhoff ermittelte bereits in zahlreichen Fernseh-Produktionen und ist somit TV-Krimi-Experte. Derzeit steht er für den "Dänemark-Krimi" als Streifenpolizist Magnus Vinter vor der Kamera. In "Juliet" schlüpft der Schauspieler in die Rolle eines Aussteigers. Im Interview verriet er, wie viel Gemeinsamkeiten es mit seiner Figur gibt und was das mit seiner Kindheit in Holland zu tun hat. 

Sein Gesicht kennen wohl die meisten Krimi-Fans: Nicki von Tempelhoff ermittelt als Streifenpolizist Magnus Vinter im "Dänemark-Krimi" (seit 2021). In Krimi-Episoden wie "Harter Brocken: Der Waffendeal" (2021) und dem ein oder anderen "Tatort" stand der inzwischen 55-Jährige oftmals auf der anderen Seite des Gesetzes. In der belgisch-deutschen Serie "Juliet" (drei Teile wöchentlich ab Sonntag, 26. November, jeweils um 22.15 Uhr, im ZDF) spielt von Tempelhoff nun die Figur Klaus: Viel erfährt man anfangs nicht über den deutschen Aussteiger.

Für die titelgebende junge Kommissarin (Charlotte De Bruyne), die sich nach dem Tod ihres Vaters plötzlich um ihre Nichte Chloé (Amber Naert) kümmern muss, ist er allerdings eine wichtige Stütze. Im Interview erzählt von Tempelhoff, der in Wuppertal geboren und in den Niederlanden aufgewachsen ist, von den Dreharbeiten auf Flämisch. Auch erklärt er, warum ihm der Umweltschutz genauso sehr wie seiner Rolle am Herzen liegt.

prisma: Herr von Tempelhoff, Sie klingen so weit weg ... Wo erreiche ich Sie gerade?

Nicki von Tempelhoff: Ich bin in Dänemark. Wir drehen derzeit einen neuen Dänemark-Krimi.

prisma: Steht schon ein Ausstrahlungstermin fest?

von Tempelhoff: Das weiß ich immer nicht. Ich schätze aber, dass es mindestens noch ein halbes Jahr dauert, bis der Film zu sehen sein wird.

prisma: Zu Beginn der Serie "Juliet" fällt Ihre Rolle noch vergleichsweise klein aus. Daher zum Einstieg die Frage: Was für ein Typ ist dieser Klaus?

von Tempelhoff: (lacht) Was für ein Typ ist er? Nun, Klaus ist ein Deutscher, der seit über 20 Jahren in Belgien wohnt. Er ist eine Art Aussteiger, der bestimmte Geschichten in der Vergangenheit erlebt hat, über die wir jetzt aber noch nicht reden können. Klaus ist im Grunde genommen ein Handwerker, der mal hier, mal da aushilft.

prisma: Sie sagten, Klaus sei ein Aussteigertyp. Ist das etwas, womit Sie sich auch identifizieren können?

von Tempelhoff: In seiner Funktion als Aussteiger manchmal, aber nicht wirklich. Mein Leben ist natürlich ganz anders: Klaus lebt in einer kleinen Hütte an der Küste. Ich wohne in der Großstadt. Große Parallelen gibt es zwischen uns also nicht (lacht).

"Wir Schauspieler sind wie die Narren im Mittelalter"

prisma: In einer seiner ersten Szenen führt Klaus mit der wesentlich jüngeren Chloé eine Diskussion über den Klimawandel. Wie denken Sie über die momentane Entwicklung?

von Tempelhoff: Das ist ein Drama, mit dem wir alle zu tun haben, und das Thema sollte durchaus mehr Präsenz haben. Im Sinne der Veränderung und nicht der Lippenbekenntnisse. Ich glaube, es ist nicht verkehrt, weniger Müll in die Welt zu schicken, weniger CO2 in die Luft zu pusten. Denn wir leben hier, wir atmen, wir haben Kinder.

prisma: Sehen Sie sich als Schauspieler in der Verantwortung, mehr auf das Thema hinzuweisen?

von Tempelhoff: So würde ich das nicht sehen: Wir sind in der gleichen Verantwortung wie jeder andere Mensch auch. In meiner Branche gibt es immer häufiger das Bekenntnis zum sogenannten "grünen Drehen". Das ist sehr gut. Wir als Filmschaffende haben dadurch, dass wir in Landschaften gehen und Aggregate und Strom vor Ort brauchen, die Verantwortung zu sagen: Wir schauen, dass wir den Schaden möglichst gering halten. Das Bewusstsein in der Branche wird immer größer. Doch was die große gesellschaftliche Verantwortung angeht, sind wir Schauspieler beim Film oder im Theater eher wie die Narren aus dem Mittelalter: Wir können der Gesellschaft nur den Spiegel vorhalten. Aber man muss sich dabei eben auch immer an die eigene Nase fassen.

prisma: Eine Studie ergab kürzlich, dass sich das Publikum mehr Präsenz von den Themen Klimawandel und Biodiversität im Hauptprogramm wünscht ...

von Tempelhoff: Das ist interessant und auch gut! Für mich ist natürlich immer die Frage: in welchem fiktionalen Rahmen? In einem Spielfilm an sich, der das Thema wirklich gut behandelt, immer gerne. In Krimi-Reihen wird das Thema manchmal so nebenbei behandelt. Ob das der Form entspricht, wie es sich die Zuschauerinnen und Zuschauer wünschen, weiß ich nicht.

"Jeder Mensch möchte auf einer einigermaßen 'gesunden Erde' leben"

prisma: Hat sich in Ihrem persönlichen Umgang mit dem Thema in den vergangenen Jahren etwas verändert?

von Tempelhoff: Das Thema schwebt eigentlich schon immer über mir. Ich habe diesen Übergang nicht gemerkt. Es ist klar, dass im Kampf zweier Kräfte, die Natur immer die stärkste Kraft sein wird. In meiner Jugend sprachen alle vom sauren Regen. Nun habe ich vor ein paar Jahren "Harter Brocken" im Harz gedreht: Die Wälder dort sehen zum Teil nicht gut aus. Ich bin jetzt überhaupt kein Forstexperte, und ich lasse es mir gerne von Leuten erklären, aber die Veränderungen sind da. Insofern ist es ein Thema, das mich mein Leben lang begleitet, und es gab keinen Zeitpunkt, an dem ich gesagt habe: Oha! Wir haben einen Klimawandel!

prisma: Dennoch hat man das Gefühl, das Thema wird erst seit kurzem so intensiv diskutiert ...

von Tempelhoff: Das Thema ist eher relevant geworden im Sinne des menschlichen Streits: Ist es der natürliche Klimawandel, der immer mal wieder kommt? Die Amerikaner sprechen vom "climate hoax", also einer menschengemachten Thematik, die dazu da ist, Gelder für Studien zu generieren. Ich glaube, jeder Mensch möchte auf einer einigermaßen "gesunden Erde" leben, und die Themen, die auf Klimakonferenzen besprochen werden, aber leider oft in der Umsetzung zu lange dauern, können nicht schaden.

"Jede Erfindung hat auch ihre Schattenseiten"

prisma: "Juliet: Die Tote im Kanal" handelt von einer gefährlichen Internetbekanntschaft. Wenn Sie als Vater so ein Drehbuch in die Hand bekommen: Was geht Ihnen dabei durch den Kopf?

von Tempelhoff: Um meinen Sohn musste ich mir dahingehend nie wirklich Sorgen machen. Er hatte schon immer eine recht gesunde Einstellung zum Umgang mit den sozialen Netzwerken. Ich selbst nutze kein Social Media. Ich bin nicht auf Facebook, ich mache kein Instagram. Für vieles fühle ich mich inzwischen auch zu alt. Mein Sohn zeigte daran auch wenig Interesse, teilweise gab es aber Situationen, in denen er Facebook brauchte, weil darüber zum Beispiel Schulaufgaben kommuniziert wurden. Dieser äußere Zwang bereitete mir schon manchmal Sorgen.

prisma: Als Schauspieler weder Facebook noch Instagram zu benutzen ist ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

von Tempelhoff: Es hat mich einfach nicht sonderlich interessiert. Die Aussage "ich habe so und so viele Freunde auf Facebook", hat mich schon immer etwas irritiert. Ich habe darin einfach keinen Mehrwert gesehen. Mir persönlich ist das einfach immer zu virtuell.

prisma: Glauben Sie, dass sich diese Einstellung in Zukunft nochmal ändert?

von Tempelhoff: Never say never, aber ich glaube nicht! Ich bin kein Feind von Social Media. Das Internet nutze ich natürlich auch. Ich kann mich aber auch noch an die Pressekonferenz zur Einführung des Internets erinnern: Damals gab sehr wenige kritische Fragen zur Sicherheit, die dann aber recht schnell weggebügelt wurden: Jede Erfindung hat auch ihre Schattenseiten und Bereiche, die missbraucht werden können, hieß es dann. Ich glaube, dieses Thema ist uns sowieso schon aus der Hand gerutscht.

"Holländer haben so eine natürliche Neugier in der Sprache"

prisma: "Juliet" ist eine belgisch-deutsche Koproduktion. Wie war die internationale Zusammenarbeit?

von Tempelhoff: Ganz toll! Mir hat das sehr gut gefallen. Ich bin in Holland aufgewachsen, daher war ich des Niederländischen mächtig. Es war schon immer ein großer Wunsch von mir, in dieser Sprache zu arbeiten. Aber es war natürlich noch einmal ein ganz anderer Schritt, mich auf einen flämischen Dialekt einzulassen. Für die deutsche Fassung war ich dann der Einzige, der sich selbst synchronisierte.

prisma: Hatten Sie durch die Tatsache, dass Sie durch Ihre internationale Prägung, als Deutscher in den Niederlanden aufgewachsen zu sein, bei den Dreharbeiten Vorteile?

von Tempelhoff: Ich habe einen Vorteil: Dadurch, dass man in jungen Jahren Sprachen noch etwas schneller lernt, konnte ich neben Niederländisch und Deutsch auch noch Englisch lernen, weil in Holland Filme nicht synchronisiert werden. Ausnahme sind vielleicht Kinderserien. Durch diese Erfahrung habe ich keine Angst davor, eine Sprache zu sprechen – auch, wenn ich Fehler mache. Französisch spreche ich auch gut, nur grammatikalisch gerät mir da manchmal einiges durcheinander.

prisma: Flämisch ist ähnlich dem Niederländischen, oder?

von Tempelhoff: Den besten Vergleich, den man vielleicht ziehen kann, ist der zwischen dem Österreichischen und dem Hochdeutschen. Es gibt kleine Unterschiede, vor allem wenn es um Redewendungen geht: Wenn ich als Holländer etwas beschreibe, dann verwende ich Worte, die ein Belgier eher nicht verwenden würde. Unterschiede gibt es auch in der Dynamik der Sprache: Holländer haben so eine natürliche Neugier in der Sprache und fragen viel nach. Die Belgier sind dahingehend etwas zurückhaltender. Das war für mich eine Herausforderung.

"Ich habe kein Lieblingsland, sondern ich liebe Landschaften"

prisma: Wo dreht es sich am besten – in Deutschland, Belgien oder Dänemark?

von Tempelhoff: (überlegt) Hier in Dänemark drehen wir in einer deutschen Produktion. Aber wie gut eine Dreherfahrung letzten Endes ausfällt, hat nichts mit den Ländern zu tun, sondern es hat was mit dem jeweiligen Team zu tun und mit der Geschichte die erzählt wird.

prisma: Und wo lebt es sich am besten?

von Tempelhoff: Das ist da, wo es einem gutgeht und man nette Menschen trifft. Ich habe kein Lieblingsland, sondern ich liebe Landschaften. Durch meine Kindheit in den Niederlanden ist mir auch die dänische Landschaft sehr nah: das Meer, die Dünen. Ab und zu sind aber auch die Berge was Tolles. Und ansonsten liebe ich mein Hamburg, die weltoffene Hafenstadt!


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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