Kommissar des Kieler "Tatorts"

Axel Milberg im Interview über das Schicksal von Kommissar Borowski und den Dreh beim Wacken-Festival

23.11.2023, 08.16 Uhr
von Eric Leimann

Jubiläum im Kieler "Tatort": Mit der kommenden Episode ist Axel Milberg seit 20 Jahren als Kommissar Klaus Borowski im Einsatz. Die Ermittlungen führen zum Musikfestival in Wacken. Im Interview verrät der Schauspieler, wie es um seinen persönlichen Musikgeschmack steht und was noch auf seiner To-do-Liste steht, bevor er aus dem Kommissars-Amt scheidet.

Vielleicht tut man dem Mann Unrecht, wenn man glaubt: Heavy Metal und Axel Milberg, in seinen Auftritten eher ein angenehm seltsamer Bildungsbürger, passen nicht zusammen. Für den "Tatort: Borowski und das unschuldige Kind von Wacken" (Sonntag, 26. November, 20.15 Uhr, im Ersten) drehten er und sein Kieler Team auf dem Wacken-Festival, einem der größten Heavy Metal-Frestivals der Welt. Beheimatet ist es im gleichnamigen Dorf in Schleswig-Holstein. Der Metal-Krimi markiert das 20-Jahre-Dienstjubiläum der Ermittlerfigur Klaus Borowski. 2025 wird sie aus dem Amt scheiden. Im Interview spricht der 67-jährige Schauspieler über seinen privaten Musikgeschmack, sein emotionales Verhältnis zur Kraft der Masse und das Ende seiner "Tatort"-Karriere.

prisma: Wir gehen davon aus, dass der Sound von Wacken nicht Ihren privaten Vorlieben entspricht ...

Axel Milberg: Warum gehen Sie davon aus?

prisma: Keine Ahnung ... ein Klischee. Sie gelten als Schöngeist, der sich für Kunst interessiert. Hört so jemand Heavy Metal?

Milberg: Ich höre gerne das, was auch Profimusiker oft auf diese Frage antworten: Gute Musik! Ob das nun David Bowie, Paul McCartney, Klassik oder Heavy Metal ist. Ich bin für alles zu haben, wofür sich mein Herz im Moment des Zuhörens entscheidet. Das kann auch Schlager oder ein Volkslied sein. Bei den härteren Sachen fiel mir vor vielen Jahren schon die Band Slipknot auf. Gruselige Performance und auch die Biografie der Band legt nahe, dass ihr Leben eher ein Überleben und vielleicht ein bisschen drastischer war. Bei US-Metal-Bands sind Dinge wie Tod, Gewalt und Knast als Lebenshintergrund ja nicht ungewöhnlich. Das ist dann auch in der Musik.

"Borowski, du geile Sau ..."

prisma: Was gibt Ihnen das Drastische in der Musik?

Milberg: Ein starkes Gefühl. Wir haben ja auf dem Wacken-Festival gedreht. Die Leute brüllen und schreien zur Musik, und hinterher geht es allen besser. Man ist befreit. Und wer in Wacken alles dabei ist: Das geht durch alle Schichten und mittlerweile auch Altersgruppen. Ein schönes Bild!

prisma: Wie lange haben Sie auf dem Festival gedreht?

Milberg: Wir waren einen Tag auf dem Gelände, als noch aufgebaut wurde. Und dann einen Tag während des Festival-Betriebes. Lars Jessen hat dort gleichzeitig seine Serie "Legend of Wacken" gedreht. Wir wollten uns da treffen, klappte aber nicht. Alle waren sehr beschäftigt. Jede Menge Filmcrews vor Ort. Aber das Festival ist eben nur einmal pro Jahr. Dieses Jahr wäre es mit dem katastrophalen Wetter schwierig geworden, dort zu drehen. Insofern hatten wir 2022 Glück.

prisma: Wie sind Sie denn von den Metal-Fans aufgenommen worden, als Sie sich da unters Volk gemischt haben?

Milberg: Durchaus freundlich! Ich dachte, ich krieg eins auf die Fresse oder werde als Gebührenknecht beschimpft (lacht). Aber jemand schrie: "Borowski, du geile Sau ...". Ich habe viele Selfies gemacht. Wir haben während des Auftrittes der schwedischen Band The Halo Effect gedreht. Wir mussten ja mit denen Verträge machen, um die Rechte zu klären, weil im "Tatort" deren Musik gespielt wird. Das hat wohl alles gut geklappt. Und vor denen hat tatsächlich Slipknot in Wacken gespielt!

"Da wird nicht der Tod gefeiert, sondern das Leben"

prisma: Wie war die Regieanweisung für die letzte Szene des "Tatorts"? Da steht Borowski nämlich im Publikum von Wacken ...

Milberg: Seine Haltung haben wir tatsächlich länger diskutiert. Soll ich gelöst sein oder ernst? Schließlich wurde direkt davor ein Mordfall aufgeklärt. Ist man dann bestürzt oder zufrieden? Zuvor sagt Borowski zu Mila Sahin aber: "Nein, da wird nicht der Tod gefeiert, sondern das Leben." Also: Borowski lächelt.

prisma: Der Kieler "Tatort" ist ebenso wie Wacken ein Aushängeschild Schleswig-Holsteins. Wie lange existiert bereits die Idee, beides zusammenzubringen?

Milberg: Ich würde sagen, zwei oder eher drei Jahre musste die Idee reifen. Da kam ja auch noch Corona dazwischen. Dass uns mal ein Kriminalfall auf ein Musikfestival führt, diese Idee ging mir schon lange durch den Kopf. Ich hatte daher Christian Granderath, dem NDR-Redaktionsleiter, gesagt, dass wir unbedingt einen Showdown auf dem "Burning Man"-Festival drehen müssen. Da hat er dann gelächelt.

prisma: Das "Burning Man" ist ein riesiges Musik- und Kunstfestival in der Wüste von Nevada. Warum wollten Sie da drehen?

Milberg: Das ist irgendwie nicht von dieser Welt. Wie auf dem Mond. Freunde waren da, ich habe Filme und Fotos gesehen. Ich wollte immer hin, meine Frau eher nicht. Es gibt übrigens längst auch ein "Burning Man" in Afrika. Ja, warum? Neugier! Ich sehe ein Foto von einem Ort und denke: Ich muss da hinfahren und sehen, ob es diesen Ort wirklich gibt! So ein Ort ist vor Bergen an der norwegischen Küste ein unwirkliches Holzhaus, das der Stargeiger Ole Bull im 19. Jahrhundert bauen ließ. Er war Vorbild für Peer Gynt, das Haus ist in einem maurischen Stil geschnitzt.

"Man verschmilzt irgendwie miteinander, was ein schönes Gefühl sein kann"

prisma: Nun ist es Wacken statt Burning Man geworden. Können Sie sich in einer Menschenmasse gut verlieren?

Milberg: Ich fühle mich eher unwohl. Ich erinnere mich an ein paar Konzerte, wo ich mich aber gerne ein Stück weit in der Menge verloren habe: bei Michael Jackson, U2 oder Peter Gabriel. In Kapstadt zum Beispiel bei einem Mandela-Konzert. Nelson Mandela sprach selbst über Aids und sagte: "It's a Human Rights Issue." Danach kamen die Musiker.

prisma: Aber sind es nicht solche Erlebnisse, die man mit "sich in der Masse verlieren" meint?

Milberg: Man verschmilzt irgendwie miteinander, was ein schönes Gefühl sein kann. Wenn der Spirit ähem ... Liebe ist. Wir alle kennen natürlich auch Massen, die für Horror stehen. Ebenso wie es den Horror der Einsamkeit gibt.

prisma: Sie feiern mit dem Wacken-"Tatort" Ihr 20-Jahre-Dienstjubiläum. Allerdings wurde auch verkündet, dass Sie 2025 Schluss machen. Was werden Sie als Borowski bis dahin noch erleben?

Milberg: Zwei Filme sind noch in Vorbereitung. Der eine entsteht jetzt gerade. Von Januar bis Februar 2024 drehen wir dann schon den letzten. Beide Drehbücher, die ich über verschiedene Phasen begleitet habe, gefallen mir sehr gut.

"Wer weiß schon, wer er selbst ist?"

prisma: Wenn die Drehbücher schon existieren, wissen Sie ja bereits, wie es mit Borowski zu Ende geht!

Milberg: Ja, aber das kann ich Ihnen nicht verraten. Nur so viel: Am Anfang wollte ich etwas, das ich dann falsch und ganz schrecklich fand. Wurde also verworfen. Ich habe eigentlich keine Wünsche, wie eine Rolle zu sein hat oder was ich unbedingt noch machen will ...

prisma: Wie meinen Sie das?

Milberg: Keine Lieblingsrollen. Wenn überhaupt, dann ist es eher die nächste. Wenn ich an die Theaterarbeit zurückdenke, dann stelle ich mir vor, Dinge heute anders zu probieren. Und ich bin neugierig, mit Tartuffe oder bei Çechov, Goethe oder Lessing komplett Neues zu entdecken.

prisma: Bei Kommissar Borowksi und Axel Milberg vertreten viele Menschen die Meinung, dass sich Figur und Schauspieler sehr ähneln. Stimmt das überhaupt?

Milberg: Keine Ahnung. Viele Menschen (lacht)? Aber wer weiß schon, wer er selbst ist? Eine Ähnlichkeit zwischen Borowski und mir, wo? Die Stimme, der Gang? Jedenfalls: Er war ja zunächst in den Drehbüchern als abweisend beschrieben, konnte ekelhaft sein. Ein Soziopath. Am Anfang. Inzwischen ist Borowski ein offener, freundlicher Kommissar. Manche bedauern das. Aber: Nur freundliche Menschen bekommen von einem Verdächtigen Relevantes und Ehrliches erzählt. Journalisten wissen das.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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