Schauspielerin im Interview mit prisma

"Schlaflos in Portugal"-Star Ulrike C. Tscharre über Corona, Ehebetrug und Stierkämpfe

03.04.2023, 16.38 Uhr
von Martina Maier

Ihr Gesicht kennt fast jeder, beim Namen wird's schon schwieriger: Die ehemalige "Lindenstraßen"-Bewohnerin Ulrike C. Tscharre (damals als Marion Beimer) mischt seit vielen Jahren in der deutschen Schauspielzunft mit und übernahm charakterstarke Figuren wie im "Tatort". Im Interview mit prisma hat die Schauspielerin über ihre Rollen und über privates gesprochen. 

Mit Dramen wie "Wo ist die Liebe hin" oder auch mit starken Charakterrollen in "Tatort"-Krimis machte Ulrike C. Tscharre auf sich aufmerksam. In ihrem meist vollem Terminkalender findet die brünette Schöne Zeit für ein ausgedehntes Interview, das sie mit Blick auf ihre lang erträumte und endlich realisierte Dachterrasse führt. Der Film "Schlaflos in Portugal", am Samstag, 8. April, zur besten Sendezeit im Ersten zu sehen, half der 50-Jährigen über den Lockdown und ist für sie "ein ganz besonderes Geschenk". Der Film, in dem sie an der Seite von Oliver Mommsen zu sehen ist, "wurde für mich geschrieben", lacht sie. Welche gesellschaftlichen Veränderungen durch Corona sie beobachtet, wie sie zur Flugscham steht und was sie vom Stierkampf hält, berichtet sie im Gespräch.

prisma: Zwei Paare, ein Betrug und eine frische Liebe mit neu verteilten Rollen. Warum wollten Sie in "Schlaflos in Portugal" mitspielen?

Ulrike C. Tscharre: Es blieb mir nichts anderes übrig, denn der Film wurde für mich geschrieben (lacht). Der Drehbuchautor Sathyan Ramesh ist einer meiner engsten Freunde. Wir haben schon viel zusammen gearbeitet. Vor über zehn Jahren hatte ich zu ihm gesagt, ein Film mit Paaren, in dem wichtige Dinge verhandelt werden, und dann noch in einem schönen Land, das wäre doch toll! Das setzte bei ihm etwas in Gang, und daraus wurde "Schlaflos in Portugal". Ich habe mich wahnsinnig gefreut, dass es so ein schönes Buch geworden ist, denn ich bin großer Freund von Unterhaltung mit ganz viel Mehrwert. Das ist mit diesem Film absolut gelungen. Es werden schwierige, große Themen, die jeden angehen, auf eine nachvollziehbare Art und Weise verhandelt.

Tscharre und Mommsen - ein Dream-Team vor der Kamera

prisma: Hatten Sie die Finger bei der Entwicklung des Buchs mit im Spiel?

Ulrike C. Tscharre: Überhaupt nicht. Das war nur der Gedanke, der bei ihm etwas zum Klingen gebracht hat, und daraufhin hat er das als Buch umgesetzt.

prisma: Oliver Mommsen kennen Sie seit Jahren. Haben Sie ihn als Partner ausgesucht?

Ulrike C. Tscharre: Das war unser Regisseur Florian Froschmayer. Ich habe mich sehr gefreut, als ich hörte, dass es Oliver wurde, weil ich ihn noch von einem anderen gemeinsamen Film kannte. Also wussten wir schon, dass wir uns mögen und dass es mit uns gut klappen würde. Denn wenn emotionale Dinge so fein erzählt werden, finde ich es von großem Vorteil, wenn man einen Spielpartner hat, den man auch persönlich mag, weil man das Gefühl hat, man funktioniert auf vielen Ebenen miteinander.

prisma: Das Gegenbeispiel kennen Sie auch – Sie erzählten einmal, dass Sie für einen Film verliebt in jemanden sein mussten, den Sie eigentlich überhaupt nicht mochten ...

Ulrike C. Tscharre: (lacht) Ja, das ist lange her. Zum Glück nur ein einziges Mal.

prisma: Warum klappt es zwischen den Figuren, die ja am Anfang nur der jeweilige Anhang zweier alter Studienfreunde sind?

Ulrike C. Tscharre: Ich glaube, im Film gibt es diesen ganz klaren Moment nicht, in dem Martin und Livia wissen, dass sie sich verliebt haben. Das ist ein ganz schleichender Prozess. Martin lässt Livia, die ja gerade zu Anfang des Films nicht besonders charmant ist, einfach in Ruhe und drängt Sie nicht zu guter Laune und Ferienstimmung. Er nimmt sie ernst. Dadurch kann Livia sich langsam öffnen und auch erzählen, was zu Hause los war. Dieses jemanden Lassen ist eine ganz große Qualität in einer Beziehung und einer Freundschaft.

"Es hat fast niemand Besuch bekommen"

prisma: Sie als die Betrogene: Wären Sie mit in den Urlaub gefahren?

Ulrike C. Tscharre: (lacht) Ich denke, dass nach so einem Betrug durch den Partner Abstand auf jeden Fall hilft. Erst einmal aus der Situation herauszutreten, neue Impulse von außen wahrzunehmen, um dann vielleicht auch die Möglichkeit zu haben, einen anderen Blick auf sich selbst und die Beziehung zu bekommen. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass ich mitgefahren wäre, ja.

prisma: Die Dreharbeiten mitten im Lockdown dürften besonders gewesen sein ...

Ulrike C. Tscharre: Absolut. Wir waren alle in einem Appartmentkomplex in Portugal untergebracht, in dem niemand war außer uns, ein richtiger Geisterhotelkomplex. Dazu gab es strengste Coronamaßnahmen. Dann drehten wir in diesem wunderschönen Ferienhaus, und dachten: Es ist November, wir sind in Portugal, zu Hause dürfen die Leute nicht vor die Tür, wir sind so was von privilegiert, dass wir das hier machen dürfen! Uns war absolut bewusst, dass mancher gerne mit uns getauscht hätte. Dieser Film hatte ganz viele Geschenke für jeden von uns.

prisma: Hatten Sie Ihren Mann dabei?

Ulrike C. Tscharre: Es hat fast niemand Besuch bekommen, weil das in der Zeit so schwierig war. Alle mussten durchgetestet werden, und jeder, der von außen in so einen abgeriegelten Zirkel kommt, bringt auch wieder eine potenzielle Gefahr mit. Deswegen wollte ich auch keinen Besuch von zu Hause haben, obwohl es natürlich schön gewesen wäre.

prisma: Im Film gibt es nur einen einzigen Kuss, ist das Corona geschuldet?

Ulrike C. Tscharre: Das stand so im Drehbuch.

"Wieder mehr konfrontieren und weniger zurückziehen" 

prisma: Inwiefern hat Corona die soziale Interaktion von Menschen verändert?

Ulrike C. Tscharre: Menschen neigen sicher allgemein zum Vermeiden, weil das einfacher ist, als einen Konflikt zu suchen. Doch in den letzten zweieinhalb Jahren beobachte ich eine größere Vereinzelung. Ich denke, dass Corona das verstärkt hat. Man ist viel weniger rausgegangen, hatte weniger Kontakt mit anderen, man sucht vielleicht auch die soziale Interaktion weniger als in der Zeit vorher. Gerade deshalb finde ich es in diesem Film so toll, dass es einen ganz ungewöhnlichen dritten Akt gibt, in dem die vier Protagonisten sich miteinander konfrontieren. Das gemeinsam in einen Konflikt Gehen ist etwas eher Seltenes, weil man oft versucht, die Dinge totzuschweigen; oder hofft, sie erledigen sich von selbst. Diese Szene ist wie ein eigener Film. Es waren intensive Tage, in denen wir sie gedreht haben, alles an einem Stück. Ich würde mir für unsere Gesellschaft wünschen, dass die Menschen sich wieder mehr konfrontieren und weniger zurückziehen, auch wenn die Interaktion vielleicht unangenehm ist. Aber sie birgt die Möglichkeit einer Lösung.

prisma: Sind Sie jemand, dem es gut gelingt, Zwistigkeiten anzusprechen und auf Leute zuzugehen?

Ulrike C. Tscharre: Ich bin total harmoniebedürftig und eine absolut ausgleichende Person. Wenn an einem Filmset schlechte Laune ist, spüre ich das als Erste und denke sofort, was kann man machen, damit es wieder besser wird (lacht). Ich persönlich finde es auch einfacher und netter, Konflikten aus dem Weg zu gehen, aber ich habe es in den letzten Jahren gelernt und lerne es immer mehr, dass es wohltuend ist, Dinge anzusprechen; und es bringt auch viel mehr, vor allem in einer Partnerschaft, wo man so viel miteinander zu bewältigen hat. In einem ruhigen Rahmen, einem guten Moment, bevor die Dinge so groß werden, dass man gar nicht mehr darüber sprechen kann.

Ulrike C. Tscharre gegen echte Stierkämpfe

prisma: Es gibt noch einen weiteren Hauptdarsteller des Films: den Stier ...

Ulrike C. Tscharre: (lacht) Der war genauso wie im Film, gar nicht bedrohlich. Wir hatten solche Mühe, ihn gefährlich zu inszenieren, denn er war einfach nur nett. Er wurde extra auf den Hof gebracht, nachdem er in einem richtigen Stier-Casting überzeugt hatte.

prisma: Haben Sie schon einmal einen echten Stierkampf gesehen?

Ulrike C. Tscharre: Ich bin absolut nicht für Stierkämpfe, respektiere aber die Traditionen, aus denen sie entstanden sind. Ich hatte mal mit einem feurigen andalusischen Stierzüchter eine Auseinandersetzung darüber, bis er mir den Mund verbot und sagte, ich könne gar nicht verstehen, um welche metaphysischen Dinge zwischen Mensch und Tier es da ginge und dass der Stier bis zum Ende das beste Leben habe, das man als Stier haben könne. Ich finde aber, dass der Mensch sich seine metaphysischen Erlebnisse woanders suchen muss und nicht mit dem Quälen und Töten eines Tieres. Da kann ich gar nicht mitgehen. Es ist aber immer schwierig, über kulturelle Besonderheiten von anderen Ländern zu urteilen.

prisma: Haben Sie einen besonderen Bezug zu Tieren?

Ulrike C. Tscharre: Wir haben zwei Hunde. Mein Mann und ich haben jeweils einen Hund mit in die Ehe gebracht und sind damit eine Hunde-Patchwork-Familie. Ich mag auch Pferde wahnsinnig gerne und war früher ein klassisches Pferdemädchen. So abgedroschen das klingen mag, ich finde, Tiere sind manchmal die besseren Menschen (lacht).

prisma: War der Urlaub in Portugal so, wie Sie ihn auch machen würden, oder reisen Sie ganz anders?

Ulrike C. Tscharre: Ich bin ein ganz großer Ferienhaus-Fan. Das heißt, das wäre genau mein Urlaub gewesen. Ich kann mir nur leider dieses Haus nicht leisten, sonst würde ich da ganz oft hinfahren (lacht). Es war so ein magischer Ort, so ein verwinkeltes, wunderschönes Haus, das wir im Film nur in kleinen Teilen gesehen haben. Da könnte man mit fünf Paaren hinfahren und jeder hätte seinen Bereich für sich.

Die Faszination für Indien 

prisma: Sie haben ein Faible für Indien. Haben Sie Ihr Traumziel inzwischen besucht?

Ulrike C. Tscharre: Nein. Die letzten zweieinhalb Jahre haben es auch nicht leichter gemacht, das umzusetzen. Indien steht immer noch auf meinem Zettel. Vielleicht muss ich erst eine ganz alte Frau werden, bis ich das schaffe, aber eines Tages werde ich da hinreisen.

prisma: Was fasziniert Sie so an Indien?

Ulrike C. Tscharre: Ich habe mit zwölf Jahren ein Buch gelesen, "Meine Reise nach Indien", das handelte von zwei holländischen Mädchen, die nach Indien gehen, um dort auf einer Missionsstation zu arbeiten. Seitdem lässt mich dieses Land nicht mehr los. Ich mag diese total widersprüchliche Kultur. Jeder berichtet, Indien sei anstrengend und laut und dass es stinke und von allem zu viel gebe, aber es ist auch die totale Magie dort. Das Spirituelle finde ich interessant, ich mag das Fremde und gleichzeitig Friedvolle, auch wenn ich es mir nur vorstellen kann. Wenn ich da bin, denke ich vielleicht auch, na toll, das hat sich jetzt auch nicht wirklich gelohnt (lacht). Aber das glaube ich nicht.

prisma: Wie stehen Sie zum kürzlich kreierten Begriff der "Flugscham"?

Ulrike C. Tscharre: Bei mir hat sich in den letzten zweieinhalb Jahren ein anderes Bewusstsein eingestellt. Ich finde es wunderbar, dass bei innerdeutschen Dreharbeiten trotz der großen Herausforderung in der Regel Bahn gefahren wird. Ich war so oft von Berlin aus mit der Bahn in Süddeutschland und brauchte acht, neun Stunden, auf die man oft noch ein zwei Stunden draufrechnen und froh sein konnte, wenn man überhaupt ankam und nicht das absolute Chaos in den Zügen hatte. Bahnfahren macht wirklich keinen Spaß, da muss sich etwas ändern. Trotzdem merke ich im Privaten, dass ich zögere, mal eben einen Trip nach New York mit zu machen. Das ist zum einen zu teuer, zum anderen absolut unverhältnismäßig und so eine Klimasauerei. Mache ich nicht, außer es ist absolut nötig. Das heißt nicht, dass ich keine Fernreise mehr machen würde, aber ich überlege es mir zweimal.

Der Traum von der Dachterasse

prisma: Ein weiterer Traum von Ihnen ist die Dachterrasse. Gibt es die inzwischen?

Ulrike C. Tscharre: Ja, auf die gucke ich gerade. Ich wohne mittlerweile auf dem Land, da habe ich neben dem Garten auch eine kleine Terrasse, die eigentlich das Dach eines darunterliegenden Zimmers ist. Im Kleinen habe ich mir meinen Traum erfüllt.

prisma: Hat der Garten auch die Kapazitäten für ein Pferd?

Ulrike C. Tscharre: Leider nicht. Wenn ich könnte, hätte ich unglaublich gern wie Pippi Langstrumpf mein Pferd im Garten. Aber ich habe überlegt, ob ich wieder anfange zu reiten. Das kann man hier in der Gegend ganz gut. In Brandenburg gibt es ja viele Pferde und Reiterhöfe, und ich bin bis jetzt nicht dazu gekommen. Aber es steht auf meinem Zettel.

prisma: In einem anderen Interview haben Sie gesagt: "Ich würde mir wünschen, dass allgemein dreckiger gedreht würde". Lieber Inhalte als Styling, das war der Tenor. Wie stehen Sie heute dazu?

Ulrike C. Tscharre: Ich habe gar keine Berührungsängste mit Dreck. Wenn ich bei mir auf dem Grundstück irgendwas mache, trage ich manchmal sogar meine guten Klamotten und denke dann, jetzt hast du ordentliche Schuhe und eine gute Hose an und kniest hier im Dreck, kannst du dir nicht alte Sachen anziehen wie andere Leute auch? Ich bin auf dem Land aufgewachsen und war als Kind immer draußen, ich mag dieses Natürliche unglaublich gerne. Ich bin jetzt auch nicht gerne dreckbesudelt in der Stadt unterwegs, aber Dreck und Erde in Verbindung mit Natur mag ich sehr gerne, das erdet mich auch, im wahrsten Sinne des Wortes.

prisma: Was kommt als Nächstes?

Ulrike C. Tscharre: Ich musste jetzt gerade einen "Tatort" zu Ende drehen, den ich letztes Jahr aufgrund meiner zweiten Corona-Erkrankung abbrechen musste. Dann haben wir einen nächsten Zielfahnder-Film in Schweden gedreht, der ist jetzt in der Postproduktion, und ich weiß nicht, wann der ausgestrahlt wird. Ich selbst entwickle gerade einen Stoff mit einer befreundeten Autorin zusammen, das ist aber noch in den Kinderschuhen. Als nächstes werde ich in Bregenz am Bodensee drehen, das sind die Pläne.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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