"Clockwork Orange": Ein bitterböses Vergnügen



ARTE zeigt Stanley Kubricks Kultfilm "Clockwork Orange" aus dem Jahr 1971. Darin wird Malcolm McDowell zu Alex, dem gewalttätigen Anführer mit speziellen Vorlieben. Im Anschluss folgt die Doku "Clockwork Orange – Im Räderwerk der Gewalt", die die gesellschaftlichen Reaktionen auf den Film beleuchtet.
Ein besonderer Kultfilm
Diesen Augen kann sich niemand entziehen. Wenn Alex (Malcolm McDowell) zu Beginn von "Clockwork Orange" herausfordernd in die Kamera schaut, wirkt das wie eine Einladung zum Voyeurismus. Sein spöttisches Lächeln besiegelt den Pakt mit dem Zuschauer, der unversehens zum Komplizen gemacht wird. Nie war Stanley Kubrick zynischer, nie provokanter und niemals politischer als in dem bitterbösen Film, mit dem er sich 1971 ein Denkmal setzte. ARTE wiederholt das Meisterwerk, das auf dem gleichnamigen Roman von Anthony Burgess basiert – und zeigt im Anschluss in der Doku "Clockwork Orange – Im Räderwerk der Gewalt", wie die Gesellschaft auf den Film reagierte und von ihm geprägt wurde.
Alex' Augen scheinen den Blick zu erwidern, den das Sternenkind gegen Ende von "2001 – Odyssee im Weltraum" dem Betrachter zuwirft. Doch es ist ein böser Blick, der so gar nichts mit der großen Vision eines Neuanfangs zu tun hat, die Kubricks Science-Fiction-Epos beschließt. Alex' sardonisches Grinsen ist Ausdruck der Pervertierung aller moralischen Werte, des ultimativen Nihilismus.
Faustrecht des Stärkeren
In den Straßen eines futuristischen Londoner Vororts herrscht das Faustrecht des Stärkeren. Zusammen mit seinen "Droogs", einer Clique halbstarker Gewalttäter, terrorisiert Alex seine Umwelt. Nur eine Sache ist ihm heilig – die Musik des "göttlichen" Ludwig van Beethoven. Sie versetzt ihn in einen rauschhaften Zustand. Doch in "Clockwork Orange" schützt auch Kultur nicht vor Barbarei. Ganz im Gegenteil. Beethovens Sinfonien und die Opern Rossinis sind der Soundtrack der Gewalt. Im Takt der Musik wirbeln Körper durch die Luft, wird mit Stöcken und Ketten aufeinander eingedroschen, bis die Sinfonie des Grauens perfekt ist.
Als Alex nach einem missglückten Einbruchsversuch verhaftet wird, beginnt für ihn zunächst ein Prozess der Läuterung. Das Gefängnis verlässt er als neuer Mensch. Doch sein Wille ist gebrochen. Alex ist vom Täter zum Opfer geworden, aber nur so lange, bis Kubrick seine letzte bittere Pointe folgen lässt. Die finale Wendung ist Film gewordene Dialektik der schwärzesten Sorte, Hegel auf Dope. Wenn der Teufel ins Kino gehen könnte – an "Uhrwerk Orange" hätte er seine höllische Freude.
Analyse eines Meisterwerks
Unmittelbar nach der Ausstrahlung, um 00.15 Uhr, zeichnet ARTE in der Doku "Clockwork Orange – Im Räderwerk der Gewalt" die Entstehungsgeschichte des Kubrickschen Kultfilms nach – und wie das Werk der Gesellschaft, Politik und Medien den hässlichen Spiegel vorhielt. Übergriffe, Vergewaltigungen, Gewaltexzesse: Die abstoßenden Szenen machen mindestens einen Teil der ambivalenten Faszination rund um diesen Film aus. Als er in die Kinos kommt, wurde Antohony Burgess, dem Autor der Romanvorlage, Gewaltverherrlichung vorgeworfen.
Damals übersehen wurde die politische, gesellschaftskritische Ebene, die vorrangig im zweiten Teil des Werks eröffnet wird: Der Roman sowie seine Verfilmung verhandeln die sicherheitspolitischen Maßnahmen des Establishments, die auf ein wachsendes Unsicherheitsgefühl in westlichen Gesellschaften folgten, und thematisieren Methoden der psychologischen Konditionierung zur Gewalteindämmung.
Die Dokumentation von Benoit Felici und Elisa Mantin führt die Zuschauerinnen und Zuschauer zurück zum Ursprung des Skandals. Auf Basis des von Burgess hinterlassenen sowie unveröffentlichten Manuskripts "The Clockwork Condition" wird das Werk einer Analyse hinterzogen und mit dem Missverständnis von Legitimierung und Ästhetisierung sadistischer Gewalt aufgeräumt.
Clockwork Orange – Mo. 01.07. – ARTE: 22.05 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH