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"Flügel aus Beton": Lehrerin gerät in ein gefährliches Spiel

30.03.2022, 08.21 Uhr
von Franziska Wenzlick

Es ist ein bedrückendes Thema, um das sich "Flügel aus Beton" dreht; deshalb ist der neue ARD-Film auch nicht für jeden geeignet: Eine junge Lehrerin versucht, den Suizid einer Schülerin aufzuklären.

ARD
Flügel aus Beton
Drama • 30.03.2022 • 20:15 Uhr

Als Referendarin hat Gabrielle Amadou (Victoire Laly) typische Teenager-Probleme eigentlich längst hinter sich gelassen. Nichtsdestotrotz dreht sich vieles in ihrem Leben um die Sorgen und Nöte junger Menschen: Seien es die Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule, an der Gabrielle unterrichtet, oder ihre 16-jährige Schwester Ava (Seyna Sylla), um die sich die junge Frau nach dem Tod der Eltern kümmert – Gabrielle erlebt hautnah, mit was die Jugendlichen tagtäglich zu kämpfen haben. Nach dem Selbstmord von Mia (Rosa Zach), einer ihrer Schülerinnen, wird die engagierte Lehrerin jedoch hellhörig. Sie ist sich sicher: Hinter Mias Tod verbirgt sich mehr.

Um weitere Suizide zu verhindern, begibt sich Gabrielle im ARD-Drama "Flügel aus Beton" auf Spurensuche. Schon bald stößt sie mit Avas Hilfe auf eine ominöse Online-Challenge namens "Ikarus", die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor insgesamt 17 grausame Herausforderungen stellt. Die Schwestern ahnen, um was es sich bei der letzten Aufgabe handeln könnte: Die Spielerinnen und Spieler müssen sich das Leben nehmen. Nun ist es an Gabrielle, diesen Verdacht zu bestätigen und dem skrupellosen Spielleiter "König Minos" das Handwerk zu legen – auch, wenn sie dabei ihr eigenes Leben in Gefahr bringt.

"Es besteht bei Suizid immer die Gefahr, dass das Thema tabuisiert wird und dadurch aus der Gesellschaft verschwindet", erklärt der Würzburger Medienpsychologe Frank Schwab laut WDR. Aus diesem Grund sei es Schwab zufolge wichtig, dass Filmemacherinnen wie Lilly Bogenberger (Buch) und Lea Becker (Regie) die Problematik in den Fokus rückten. Die Geschichte lade "zum Nachdenken und zum Gespräch ein", so Schwab. "Generell ist es wichtig, das Thema Suizid darzustellen, man darf es aber nicht ästhetisieren, also 'schick' machen."

Bei der Darstellung ist Vorsicht geboten

Als "schick" lässt sich "Flügel aus Beton" tatsächlich nicht beschreiben. Stattdessen zeigt der Film, wie Mia vom Geländer einer verlassenen Industrieanlage stürzt, Gabrielle sich "des Spieles wegen" einen Flügel in den Arm ritzt und eine weitere Schülerin durch König Minos in die Suizidalität getrieben wird. Die Szenen sind unverblümt, unzensiert – und für viele Zuschauerinnen und Zuschauer vermutlich unerträglich.

Entgegen den Aussagen von Professor Schwab warnen Expertenverbände wie die "Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde" (dgppn) bereits seit Jahren davor, "dass eine detaillierte und drastische mediale Darstellung oder Beschreibung von Suiziden das Risiko von Nachahmungstaten signifikant steigen lässt". Berichte vom sogenannten "Werther-Effekt" veranlassten vor knapp drei Jahren sogar Netflix dazu, drei Minuten aus der kontroversen Teenie-Serie "Tote Mädchen lügen nicht" herauszuschneiden: jene Szene, in welcher der Suizid-Hergang mithilfe einer Rasierklinge explizit gezeigt wurde.

Jedem, der sich für psychisch labil oder vulnerabel hält, sei insofern geraten, "Flügel aus Beton" nur mit Vorsicht anzusehen. Nichtsdestotrotz macht der ARD-Mittwochsfilm vieles richtig. Bogenberger und Becker gelingt es, heikle Themen weder zu romantisieren noch auszuschlachten – und der Handlung dennoch die nötige Spannung zu verleihen, um über anderthalb Stunden hinweg einen kurzweiligen Thriller zu erzählen.

Während das Spiel der größtenteils sehr jungen Darstellerinnen und Darsteller dabei leider häufig recht ungelenk daherkommt, ist es vor allem Newcomerin Victoire Laly, die der Geschichte in ihrer ersten großen TV-Hauptrolle die entsprechende Glaubwürdigkeit einhaucht. Klar ist: "Flügel aus Beton" berührt – und hat trotz einiger Schwächen das Potenzial, eine dringend notwendige Debatte anzustoßen.

(Falls auch Sie unter Depressionen leiden und / oder Selbstmord-Gedanken haben, empfiehlt sich eine umgehende Kontaktaufnahme zur Telefonseelsorge: www.telefonseelsorge.de. Des Weiteren können Sie sich von Beratern unter den Nummern 0800-1110111 sowie 0800-1110222 einen Ausweg aus bedrückenden Situationen aufzeigen lassen.)

Flügel aus Beton – Mi. 30.03. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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