Männlichkeit neu gedacht

Henning Baum: "Mit Freundlichkeit, Offenheit, Warmherzigkeit und Respekt lebt es sich leichter"

04.11.2025, 14.27 Uhr
Henning Baum kehrt als Mick Brisgau in "Der letzte Bulle" zurück und spricht über seinen Charakter und die Herausforderungen moderner Männlichkeit. Im Interview äußert er sich zu toxischen Zuschreibungen und der Rolle der sozialen Medien.

Er ist zurück – rauer aber auch verletzlicher: In der neuen, sechsten Staffel von "Der letzte Bulle" (ab Donnerstag, 31. Oktober, Prime Video und wöchentlich ab Montag, 24. November, 20.15 Uhr, SAT.1/Joyn) kehrt Mick Brisgau ohne Dienstmarke, aber mit einem ungebrochenen Willen auf die Bildfläche zurück. Verkörpert wird er von Henning Baum (53), der wie kaum ein anderer für das Bild des "Mannes mit Ecken und Kanten" im deutschen Fernsehen steht – und es zugleich hinterfragt. Im Interview zum Serien-Comeback nach elf Jahren spricht "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer"-Star Baum über das Spannungsfeld zwischen alter Schule und neuer Realität, über toxische Zuschreibungen, emotionale Stärke und die Frage, wie viel "Bulle" ein moderner Mann überhaupt noch sein darf. Denn während Brisgau sich in einer Welt wiederfindet, die viel sensibler ist, stellt sich auch außerhalb des Bildschirms die Frage: Was ist heute männlich – und wer entscheidet das eigentlich? Ein Gespräch über Wandel, Widersprüche und den Wunsch, Männlichkeit nicht abzuschaffen, sondern neu zu denken – differenziert und mit Haltung.

prisma: Mick ext gleich zu Beginn der Serie direkt einen Becher mit acht rohen Eiern. Wie oft mussten oder konnten Sie die Szene überhaupt drehen?

Henning Baum: Wir haben nur einmal gedreht, ohne Schnitt. Ich schlug die Eier auf und trank – das ist ja 'ne ganze Mahlzeit, da bin ich erst mal satt (schmunzelt).

prisma: Gehören Rituale dieser Art auch zu Ihrem privaten Trainingsprogramm, um so in Form zu kommen wie Mick es in der Serie ist?

Baum: Ich trinke rohe Eier tatsächlich ganz gern – die haben ein gutes Aminosäureprofil. Kann ich nur empfehlen, auch wenn's für viele ungewohnt ist. Eier gehören einfach in den Ernährungsplan.

prisma: Wie geht es Ihnen mit dem Image "Frauenschwarm"?

Baum: Es ist ja besser, Frauenschwarm zu sein als Frauengraus (schmunzelt). Wie lange das anhält, weiß ich nicht. Im Alltag merke ich davon jedenfalls nichts. Es ist ja nicht so, als würde ich beim Müllrausbringen durch ein jubelndes Heer von Frauen laufen. Zu Hause höre ich wie viele andere Männer auch: "Das muss repariert, das muss aufgeräumt werden." Diese Idee vom Frauenschwarm ist eher ein mediales Konstrukt, das mir im echten Leben nicht begegnet.

"Ständige Empfindlichkeit führt nur zu Gejammer und Waschlappentum"

prisma: "Die Welt braucht mehr Chuck Norris und weniger Papierkram": Schon vor elf Jahren galt Mick wegen solcher Sprüche für viele als der letzte echte Kerl im deutschen Fernsehen. Ist so ein Typ heute noch erlaubt – oder gerade wieder notwendig?

Baum: Als Macho mit Herz verstößt er ja gegen kein Gesetz – es gibt keins gegen Chuck-Norris-Wertschätzung. Letzten Endes geht es doch darum, wie wir miteinander umgehen – egal, ob wir Männer oder Frauen sind: mit Freundlichkeit, Offenheit, Warmherzigkeit und Respekt lebt es sich leichter. Das funktioniert eigentlich seit hunderten von Jahren und wird auch weiterhin funktionieren, unabhängig von jedem Trend.

prisma: Mick muss sich sein Leben zurückerobern, in einer Welt, die viel empfindlicher geworden ist. Figuren wie er prägen Bilder von Männlichkeit. Wie bewerten Sie das heute?

Baum: Gerade in der aktuellen Diversitätsdebatte muss jeder stärker darauf achten, was er oder sie sagt – noch mehr als vor 15 Jahren. Aber jeder Mann sollte sich auch eine gesunde Robustheit zulegen. Ohne die kommt man im Miteinander nicht klar. Freundlichkeit ist wichtig, aber ständige Empfindlichkeit führt nur zu Gejammer und Waschlappentum – das kann's ja nicht sein.

prisma: Wie viel von Mick ist für Sie Provokation und wie viel ist Haltung?

Baum: Mick provoziert bewusst, um Informationen zu bekommen – das ist Taktik. Gleichzeitig handelt er immer aus einer klaren inneren Haltung heraus. Sein Wertekompass ist eindeutig und zeitlos, deshalb lässt er sich auch nicht verunsichern von gesellschaftlichen Debatten oder Sprachregelungen. Er begegnet anderen grundsätzlich offen und freundlich – aber ohne Naivität. Wer bösartig oder feindselig ist, dem setzt er konsequent Grenzen, notfalls mit Härte.

"Was soll Männlichkeit denn sein?"

prisma: Und wie viel Mick steckt tatsächlich in Ihnen?

Baum: Ausreichend. Ausreichend, um sich als Mann in der heutigen Gesellschaft behaupten zu können. Noch funktioniert das ganz gut ...

prisma: Kommen wir auf das von Ihnen angesprochene "Waschlappentum" zurück: Wird Männlichkeit heute zu stark kritisiert?

Baum: Da wird zu viel drüber gesprochen – was soll Männlichkeit denn sein? Für mich bedeutet sie Verantwortung, Selbstdisziplin, Willenskraft – und auch die Fähigkeit, den eigenen Willen mal zurückzustellen. Ein Mann soll nicht willenlos sein, aber wissen, wann und wofür er einsteht. Dafür braucht es ein klares Wertegerüst, getragen von universellen Werten wie Nächstenliebe und Schutz für sich und andere. Männlichkeit ist kein Problem. Sie birgt einen Schatz, genau wie Weiblichkeit. Sie mit Begriffen wie "toxisch" zu verbinden, ist einfach falsch.

prisma: Warum?

Baum: Wenn wir Männlichkeit mit dem Begriff "toxisch" verknüpfen, bleibt Männlichkeit als Begriff bestehen – nur eben kontaminiert. Ich finde, wer sich wie ein A****loch benimmt, der gehört einfach gemaßregelt, unabhängig vom Geschlecht. Punkt. Das hat nichts mit Männlichkeit zu tun. Wir sollten es einfach nennen, wie es ist: furchtbar schlechtes Benehmen.

prisma: Sind Sie nach diesen Maßstäben ein echter Mann?

Baum: Das wäre ich gern, aber ich bin ja selbst meine eigene Baustelle. Wie jeder mache ich Fehler und brauche innere Führung. Das schaffe ich nicht alleine, sondern durch etwas Höheres, den göttlichen Funken. Ohne den bin ich wie eine Nussschale auf dem Ozean. Wer meint, er könne alles allein, hat den ersten Fehler schon gemacht – das ist vermessen.

"Ich bin als Person gar nicht so wichtig"

prisma: Sie scheinen im Glauben sehr viel Kraft zu finden. Woher rührt dieses Gottvertrauen?

Baum: Ich bin vermutlich wie viele damit aufgewachsen – Glaube war präsent, aber nicht überbetont. In den letzten 15 Jahren wuchs mein Glaube durch Lesen und darüber sprechen. Das ist mir wichtig, sonst könnte ich in dieser Welt die Orientierung verlieren. Und viele Menschen suchen genau danach – nur eben oft an den falschen Orten.

prisma: Diese spirituelle Seite ist vielen nicht bekannt. Was von Ihnen wird am häufigsten übersehen, weil Fans Sie auf ihr Image als harter Hund reduzieren?

Baum: Also, ich finde, das ist gar nicht so wichtig. Ich als Henning Baum bin nicht wirklich von Bedeutung – man muss nicht alle Seiten von mir kennen. Wahrscheinlich kenne ich selbst nicht mal alle. Die Menschen haben natürlich ein Bild von mir, geprägt durch meine Rollen oder Auftritte. Das ist in Teilen sicher nicht falsch, aber eine Vollständigkeit ist mir da nicht entscheidend. Ich bin als Person gar nicht so wichtig.

"Die Halbzeit ist längst überschritten"

prisma: Das ist eine sehr unerwartete Selbsteinschätzung ...

Baum: So ist es, ja. Ich bin auf diese Welt gekommen, versuche hier möglichst gut zu wirken – was mir sicher nicht immer gelingt. Aber genau darum sollte es gehen. Um Entwicklung zum Guten. Und irgendwann werde ich diese Welt auch wieder verlassen. Ich bin jetzt 53, also rein statistisch gesehen ist der Großteil meines Lebens bereits vorbei. Die Halbzeit ist längst überschritten (lacht).

prisma: Jetzt malen Sie den Teufel mal nicht an die Wand!

Baum: Nein, ich liebe es ja auch zu arbeiten und zu wirken. Es freut mich, wenn ich Menschen nicht nur unterhalte, sondern vielleicht auch inspiriere, erfrische oder sogar stärke. Zuschauer haben mir mal erzählt, dass meine Arbeit ihnen Schwung gegeben hat – das ist ein Geschenk. Und das möchte ich noch lange weitermachen.

prisma: Denken Sie, dass Sie nun auch mehr junge Menschen begeistern und vor die Bildschirme locken können? Jetzt, da Staffel sechs auch bei Prime Video verfügbar ist?

Baum: Das kann ich nicht genau sagen. Aber ich habe schon Teenager getroffen, die mich kannten – aus Kinderfilmen, über YouTube oder auch durch "Der letzte Bulle". Die fanden das cool, so Typen wie mich. Vielleicht, weil es das heutzutage nicht mehr so oft gibt. Offenbar sprach sie diese Geradlinigkeit an.

prisma: Was antworten Sie jungen Burschen, die sagen: "Ich will so werden wie der Bulle Mick"?

Baum: Junge, dann fang an. Herzlichen Glückwunsch. Dann leg' erst mal das iPhone weg und guck nicht auf den Bildschirm, sondern guck in die Welt.

"Was nützen berufliche Erfolge, wenn man innerlich degeneriert und zum Idioten wird?"

prisma: Welchen Stellenwert haben Soziale Medien für Sie im Alltag?

Baum: Ich nutze soziale Medien beruflich – sonst würde ich das nicht tun. Man kann sich dort gut ins öffentliche Leben einbringen, aber klar ist: Sie machen süchtig. Selbst gute Inhalte lösen Dopamin aus und schaden langfristig der Denkfähigkeit. Das ist wie mit Alkohol: Ein Schnaps am Tag ist auch keine gute Idee. Deshalb setze ich mir bewusst Grenzen, zum Beispiel mit einer Zehn-Minuten-Warnung. Beruflich nutze ich die Plattformen, privat habe ich dafür keinen Antrieb.

prisma: Die Dosis macht das Gift.

Baum: Genau, wie bei so vielen Dingen. Da muss ich ganz klar sagen: Wir Erwachsene sind schon betroffen – aber für Jugendliche ist es noch viel schlimmer. Studien zeigen, dass das wie eine Droge für sie wirkt. Man sollte sie so lange wie möglich davon fernhalten. Das tut ihnen sonst nicht gut.

prisma: Setzten Sie diese Grenzen auch bei Ihren eigenen Kindern?

Baum: Ich rede ja nie über meine Kinder. Aber wenn ich darüber reden würde, würde ich sagen: "Ja natürlich, man muss den eigenen Kindern diesbezüglich unbedingt Grenzen setzen."

prisma: Wenn Sie Ihrem jüngeren Selbst – dem 20-jährigen Henning Baum vor "Der letzte Bulle" – heute eine einzige Sache sagen könnten: Was wäre es?

Baum: Ich habe mich das auch schon gefragt. Vieles, was ich heute tue, war im Ansatz schon da. Ich würde ihm raten, gewisse Irrwege zu meiden, früher Gottvertrauen zu entwickeln und sich darin zu üben. Diese Anbindung ist entscheidend, gerade weil die Stimmen der Medienwelt oft verwirren und einen vom Weg abbringen. Was nützen berufliche Erfolge, wenn man innerlich degeneriert und zum Idioten wird?

prisma: Wird es eine siebte Staffel geben?

Baum: Ja, ich hätte nichts dagegen. Mir würden genug Geschichten einfallen – und das Spielen mit den Kollegen hat so viel Spaß gemacht, dass ich das sehr begrüßen würde.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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