Karl Lauterbach über "Schicksalswochen": Ohne Reform "könne man die Babyboomer nicht so versorgen"
Karl Lauterbach sprach am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" über die geplante Cannabis-Legalisierung. Dabei betonte der SPD-Politiker, dass es vor allem um den Schutz von Konsumenten geht und um junge Menschen vom Schwarzmarkt fernzuhalten. Zuspruch bekam Lauterbach für seine geplante Reform im Gesundheitssystem. "Nur Lauterbach-Groupies hier auf der Bank", staunte der Moderator.
"Bubatz wird legal", steht da in fetter Schrift. Darunter ist ein Cannabis-Blatt gezeichnet. Absender: die deutsche Bundesregierung. Dass Jugendliche ein solches Instagram-Posting von offizieller Seite als Werbung fürs Kiffen verstehen, sollte nicht verwundern.
Cannabis-Legalisierung auf dem Vormarsch
Die 18-jährige Tochter von Kinderärztin Tanja Brunnert hatte es auf ihrem Handy gesehen und sofort verstanden: "Sie bedienen sich der Jugendsprache, um Ihren Gesetzesentwurf unters Volk zu bringen", richtete die Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und JugendärztInnen ihren Vorwurf im ZDF-Talk "Markus Lanz" an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Geht es nämlich nach dem SPD-Politiker, soll in der Sitzungswoche ab 19. Februar eine Cannabis-Legalisierung verabschiedet werden. Dann dürften ab dem 1. April über 18-Jährige bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum besitzen. Rauchen und Konsumieren wären in der Öffentlichkeit erlaubt – allerdings nicht in der Nähe von Kindertagesstätten und Schulen. Ab dem 1. Juli könnte man Cannabis für den Eigenbedarf in Cannabis-"Genossenschaften" beziehen.
Karl Lauterbach will beim Thema Cannabis neue Wege gehen
Damit soll der Cannabis-Konsum eingebremst, der Schwarzmarkt unter Kontrolle gebracht und die Attraktivität der Droge für Kinder und Jugendliche verringert werden. Im US-Bundesstaat Colorado und in Kanada hätte die Legalisierung von Cannabis Studien zufolge bereits Erfolge gezeigt. "Die jetzige Politik hat nicht geklappt", sagte Lauterbach bei Lanz, deshalb setze er auf diese neue Strategie: "Wenn ich dem begegnen will, muss ich aufklären, wie gefährlich es ist, und dann den Konsum sicherer machen."
Ob das mit Postings wie "Bubatz wird legal" gelingt, das wurde bei "Markus Lanz" am Donnerstag rege diskutiert: "Sie hätten drüber schreiben können: 'Bubatz schädigt euer Gehirn' – machen Sie aber nicht", war der Moderator sichtlich irritiert, als seine Redaktion das erwähnte Posting auf einem Account der Bundesregierung fand und in der Live-Sendung auf den Screen projizierte.
Journalistin bemängelt "unterschiedliche Signale", die gesendet werden
"Das ist ehrlich gesagt nicht die Kampagne, die wir gemacht haben", wollte Karl Lauterbach diese Botschaft nicht kennen. Bei der Kampagne, die das Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben und mit Jugendlichen getestet hätte, würde man in Jugendsprache auf die Gefährlichkeit der Droge aufmerksam machen.
"Das ist nicht von Ihnen?", zeigte sich Lanz überrascht. Sein Gast gab an, dies prüfen lassen zu wollen. "Das haben wir für Sie schon gemacht", erwiderte der Moderator, der bestätigen konnte: Das Posting stamme von einem offiziellen Account der Bundesregierung.
Posting hin oder her: "Sie senden das Signal, es ist legal, und trotzdem soll gerade bei Jugendlichen die Message ankommen, es ist unerwünscht und für euch gefährlich", kritisierte "Spiegel"-Journalistin Melanie Amann die Legalisierung.
Damit war sie nicht allein: Auch Talk-Gastgeber Markus Lanz konnte die Argumentation für die Cannabis-Legalisierung nicht überzeugen "Wir drehen uns im Kreis, wir hören das zum fünften Mal", unterbrach er Lauterbach, als der Bundesgesundheitminister erneut betonte, mit der Legalisierung junge Menschen vor dem Schwarzmarkt und vor verunreinigten Drogen schützen zu wollen. "Wir reden nicht über ein Liter Milch, wir reden über Drogen", konnte er den Ansatz nicht verstehen. Leider wurde in der Diskussion Cannabis nicht mit der gefährlichen Droge Alkohol verglichen.
Lauterbach verstrickt sich in der Lanz-Falle
"Wie weit müssen die Leute, die Cannabis dabei haben, künftig von Kitas und Schulen entfernt sein?", wollte Lanz – selbst Vater – von Lauterbach als Nächstes wissen. "Die Anbauer 200 Meter, die Konsumierer 100 Meter", hatte der eine genaue Antwort parat, die den Moderator aber alles andere als überzeugte. Es bräuchte eine Regel, damit nicht vor der Kita oder auf dem Schulhof konsumiert werde, setzte der Bundesgesundheitsminister einen drauf. "Jetzt kann ich sagen, es müssen 3 Kilometer sein, das wäre absurd. 100 Meter ..."
"Kommt man in der großen Pause relativ zügig zu", beendete Lanz sarkastisch den Satz. "Pragmatisch gesprochen ist das etwas, damit kann man aus meiner Sicht arbeiten", verstrickte sich Lauterbach weiter in der Falle. "Stimmt, damit können die anderen auch arbeiten, das ist wahr", konnte sich der Moderator nicht verkneifen. Sichtlich amüsiert lenkte er "zum angenehmen Teil des Abends", einem Lob des Bundesgesundheitsministers. Lauterbach war sichtlich froh, – zumindest für den Moment – von der Schippe gesprungen zu sein. "Jetzt kommt der endlich", war sein Seufzen zu hören.
"Mir tut es weh, wenn alle auf ihm herumhaken wegen dieser Cannabis-Geschichte"
Jetzt kam er tatsächlich, denn der restliche Abend war für Lauterbach weniger verfänglich, im Gegenteil: Brunnert vom Berufsverband der Kinder-und Jugendärztinnen Brunnert bedankte sich dafür, dass der Bundesgesundheitsminister die Endbudgetierung für sie und die Hausärzte umgesetzt hatte, die Weiterbildung in Kinder- und Jugendarztpraxen nicht mehr gedeckelt würde und 5.000 zusätzliche Medizinstudienplätze geschaffen würden.
Denn: "Dass wir Unterstützung brauchen und dass die Manpower zu gering ist, wir zu wenig Personal haben in verschiedenen medizinischen Bereichen, das trifft uns überall in der Branche." Zustimmung zum Digitalisierungsgesetz, das – die "größte KI auswertebare Medizindatensatz der Welt" und somit neue Therapien ermögliche – kam wiederum von Felix Nensa von der Uni-Klinik in Essen (Lanz: "Nur Lauterbach-Groupies hier auf der Bank").
An Ausruhen könnte Lauterbach allerdings nicht denken. "Mir tut es weh, wenn alle auf ihm herumhaken wegen dieser Cannabis-Geschichte", nannte es Nensa beim Namen: "Er muss es echt schaffen." Gemeint wäre nicht die "Sache mit dem Kiffen", wie Moderator Lanz nachfragte, sondern "die Reform, das große Ding, um das es eigentlich geht. Wenn er das nicht schafft, fährt dieses System gegen die Wand, das dauert nicht mehr lange."
Karl Lauterbach über die "Schicksalswochen"
Ab dem 1. Mai sollen etwa durch ein Transparenzgesetz Patientinnen und Patienten einsehen können, welche Kliniken auf welchen Fachgebieten welche Behandlungsqualität bieten können. "Das ist ein gewaltiger Umbau, und die Bundesländer, stehen auf der Bremse", erklärte Amann. Gesundheitspolitiker hätten die Sorge, dass sich kleine Kliniken nicht mehr finanzieren können.
Solche Ängste wären aber unbegründet, versicherte Lauterbach: Die Reform gäbe kleinen Kliniken und Landeskliniken Geld für die Basisversorgung, für innere Medizin, Geburtshilfe. "Hier wird dafür gesorgt, dass Kleinkliniken leben können, indem sie auf die großen Eingriffe verzichten. Das ist eine Win-Win-Sitution", betonte er: "Wenn die Reformen kommen, das können wir garantieren, gibt es bei den kleinen Häusern keine Insolvenzwelle."
Andernfalls könne man die Babyboomer nicht so versorgen, wie es sein müsste, sprach Lauterbach von "Schicksalswochen". Der Gesundheitsminister würde in der kommenden Zeit unter Beobachtung stehen, wünschte ihm Lanz zum Abschied viel Glück: "Entweder wird es das ganz große Ding, oder es läuft alles ganz anders ..."
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH