Bei "Hart aber fair"

AfD-Mann wird laut und widerspricht dem Programm seiner Partei: "Das, was ich hier sage, ist die Position"

08.02.2024, 09.38 Uhr
von Doris Neubauer

Es wurde laut in der "Hart aber fair"-Sendung. Diskutiert wurde mit Lamya Kaddor (Grüne), Mario Voigt (CDU) und Leif-Erik Holm (AfD). Letzterer positionierte sich, anders als dass es im Programm seiner Partei steht und bezeichnete sie als "Rechtsstaatspartei".

"Wir haben alle Mikrofone, wir müssen nicht schreien": Louis Klamroths Hinweis stieß am Montagabend nicht nur einmal auf taube Ohren. Angesichts der diskutierten Frage, ob man extremen Rechten zuhören, gegen sie demonstrieren oder sie verbieten sollte, kochten die Emotionen bei "Hart aber fair" (ARD) über.

Holm empört über "Falschmeldungen"

Hatten Schauspielerin und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes, DFB-Vizepräsidentin Celia Šašić und Landrat Tino Schomann (CDU) aus dem Landkreis Nordwestmecklenburg noch sachlich über den Umgang mit Rechtsextremismus sowie der AfD gesprochen, ging die Diskussion in der zweiten Runde richtig zur Sache. Dann nämlich, als Lamya Kaddor (Grüne), der CDU-Vorsitzende des Landesverbands Thüringen, Mario Voigt, und Leif-Erik Holm, wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD, im Studio Platz nahmen.

"Es regt auf, wenn immer wieder diese Falschmeldungen kommen", fühlte sich Holm immer wieder unter Beschuss. Anfangs gab er sich noch betont selbstsicher: "Ich fürchte mich nicht", zeigte er sich etwa davon unbeeindruckt, dass Jurist Ulf Buermeyer kurz zuvor ein "flammendes Plädoyer" (so Moderator Louis Klamroth) dafür gehalten hatte, mögliches belastendes Material zu sammeln und einen Verbotsantrag gegen Holms Partei vorzubereiten. "Das kann nicht durchgehen", winkte er ab, "wir sind eine Rechtsstaatspartei, die fest auf den Boden des Grundgesetzes steht. Schauen Sie in unser Programm!"

Klamroth fragt AfD-Politiker: "Belügen Sie sich jetzt selbst?"

"Wahnsinnig überzeugend" sei dieser Hinweis auf das Parteiprogramm nicht, entgegnete Buermeyer. "Das Bundesverfassungsgericht knüpft natürlich bei seiner Prüfung am Parteiprogramm an, schaut aber darüber hinaus, wie die Partei agiert", sah er darin kein Argument gegen einen Verbotsantrag. Es gehe nicht darum, was die Partei "Alibi-mäßig" ins Programm schreibe, sondern um einen aus der Bibel bekannten Glaubenssatz: "An Ihren Taten werdet ihr sie erkennen."

"Belügen Sie sich jetzt selbst?", hakte Louis Klamroth bei Holm nach. Schließlich hat der Verfassungsschutz drei AfD-Landesverbände, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, bereits als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. "Wir haben es leider mit einem Verfassungsschutz zu tun, der zum Regierungsschutz mutiert ist", konterte Holm. Der AfD ginge es darum, die Demokratie zu verbessern. "Das glauben aber nur Sie", bezweifelte das Lamya Kaddor stark. "Jetzt geht das schon wieder los", setzte Holm zum ersten – aber nicht letzten – emotionalen Wortgefecht des Abends an.

"Remigrations"-Treffen wird von Holm als "privat" eingestuft

"Man hat es bei Bauernprotesten gesehen: Was Höcke und Holm wollen, ist etwas Anderes, als was sie im Programm schreiben oder offenlegen", machte CDU-Mann Voigt auf Unstimmigkeiten aufmerksam, "sie wollen die Subventionen kürzen, das muss man inhaltlich diskutieren".

Diskrepanzen zeigten sich auch im Laufe der Talkshow. So wollte und konnte Holm das auf X abgegebene "Versprechen" seines Kollegen René Springers, "millionenfach" Ausländer zurückzuführen, nicht präzisieren. Holm: "Es gibt jede Menge Menschen, die zu uns gewandert sind, die hier kein Aufenthaltsrecht haben. Um die geht es." Als er darüber hinaus das "Remigrations"-Treffen in Potsdam als "privat" einstufte, wurde es Grünen-Politikerin Kaddor zu bunt: "Egal, wie engagiert Sie das hier voranbringen, ich glaube Ihnen kein Wort. Ich höre im Deutschen Bundestag etwas völlig anderes als das, was Sie hier sagen."

AfD-Politiker: "Das, was ich hier sage, ist die Position"

Etwas anderes, als das, was Holm sagte, steht laut Klamroth auch im Europa-Wahlprogramm der AfD. Während der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion den Austritt aus der EU, den "Dexit", nur als "ultima ratio" betrachtete, um die Reform der Europäischen Union in die Wege zu leiten, fand Louis Klamroth im Programm eine andere Aussage. "Da steht nicht: wenn wir es nicht reformiert bekommen, da steht: Die EU ist im Sinne der AfD nicht reformierbar. [...] Ist das EU-Wahlprogramm die Position, oder das, was Sie hier sagen?"

"Das, was ich hier sage, ist die Position", betonte Holm und verteidigte sich gegen einen erneuten Einwurf Kaddors ("Sie wollen auch aus der NATO austreten"): "Immer reihenweise Unwahrheiten verbreiten, das ist nicht in Ordnung", fiel er ihr sofort ins Wort. "Natürlich, Sie sind der Einzige, der weiß, was die Wahrheit ist", lautete ihre sarkastische Replik.

Die Idee des "Dexit"

Ideen wie der Dexit wären "nicht nur für die deutsche Wirtschaft, sondern Deutschland insgesamt [...] eine wirkliche Katastrophe", verwies Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, auf den vollzogenen Brexit. Hochgerechnet auf Deutschland bedeute das ein Minus von rund 400 Milliarden Euro an Wirtschaftsvermögen bis 2035. In weiterer Folge würden 2.2 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen.

"Die Menschen dürfen nicht Ideologien oder Programmen hinterherlaufen, die am Ende des Tages genau das Gegenteil für sie bringen, nämlich keine wirtschaftliche Sicherheit", ließ sie an den Konzepten der AfD – von neuer Deutscher Mark bis "strenger Vorrang- und Alternativprüfung" hinsichtlich des Fachkräftemangels – kein gutes Haar.

CDU-Politiker schließt Zusammenarbeit mit AfD aus

Es brauche "Lösungen, die tatsächlich gehen", kam Voigt dieses Argument gerade recht. Die Politik der AfD komme hingegen nicht in der Realität der Menschen und im Portemonnaie an. Ob der CDU-Politiker deshalb in Thüringen eine Koalition und Zusammenarbeit mit der Partei ausschließen könne, wollte Klamroth wissen.

So "hart" Voigts Positionierung zuvor war, musste der Moderator hier einige Male nachhaken: "Ich sage, dass ich mit der AfD keine Koalition bilde, auch keine Zusammenarbeit", versprach Voigt schließlich doch: "Dazu kann ich tatsächlich beitragen und stehen. Alles andere wäre unredlich, und wir müssen in der Politik wieder ernsthaft werden und aufhören, Klamauk zu spielen."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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