ZDF-Talkrunde

Haftstrafen für Klimaaktivisten? Markus Lanz und Grünen-Politiker Jürgen Trittin geraten aneinander

19.04.2023, 09.43 Uhr
von Natascha Wittmann

In der Talkrunde von Markus Lanz war unter anderem das Aus der AKWS Thema der Sendung. Jürgen Trittin begrüßte das Ende der gefährlichen Energiegewinnung. Doch bei der Frage nach Haftstrafen für Klimaaktivisten gerieten der Moderator und der Grünen-Politiker aneinander.

Der jüngste Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in China ließ viele politische Beobachter in Europa fassungslos zurück. Macron warnte öffentlich davor, in der Taiwan-Frage "Mitläufer" von Amerika zu werden. Eine Aussage, die mit Blick auf die steigende Macht Chinas von großer Brisanz ist.

Auch bei "Markus Lanz" ging es am Dienstagabend um die europäisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen sowie den endgültigen deutschen Atomausstieg. Über die just vollzogene Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland sagte Grünen-Politiker Jürgen Trittin freudestrahlend: "Das Ende der AKWs kam zwar dreieinhalb Monate zu spät, aber ich habe mich sehr darüber gefreut."

"Atomkraft ist eine Nischentechnologie, extrem teuer und belastend"

Gleichzeitig stellte Trittin mit deutlichen Worten klar: "Atomkraft ist eine Nischentechnologie, extrem teuer und belastend." "WirtschaftsWoche"-Journalistin Cordula Tutt reagierte daraufhin prompt mit einem Kritikpunkt: "Bei Privatpersonen ist es einfach so, dass die Leute immer ärmer werden, weil wir unvergleichlich hohe Strompreise in Deutschland haben. Bis wir ein neues Normal haben, hätten die AKWs eine gewisse Milderung bringen können." Das sah Trittin anders und erklärte: "Wir haben mit der russischen Invasion in der Ukraine gemerkt, dass es beachtliche Preisrisiken bei den Fossilen gibt."

Auch verwies er auf "unterschiedliche Berechnungen" und legte diese vor: "Wenn es nur um die Dimension ginge, die die Atomkraft je in Deutschland geliefert hat, dann hätten wir 2012 schon aus der Atomkraft aussteigen können. Das Eigentliche, was hilft, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien." Als Journalistin Tutt eine "gewisse Doppelmoral" monierte, erwiderte der Grüne: "Was für eine Moral? Ich habe doch nur Fakten vorgetragen."

Warnung vor Chinas wachsender Macht

Dies brachte Markus Lanz zu der Verurteilung von vier Klimaaktivisten der "Letzten Generation" in Heilbronn. Drei der Angeklagten hatten wegen wiederholter Blockadeaktionen mehrmonatige Gefängnisstrafen bekommen. "Eine faire Strafe?", wollte Lanz wissen. Jürgen Trittin wollte sich darauf nur bedingt einlassen und antwortete schlicht: "Da gibt es ein richterliches Urteil, und ich bin gut beraten, als jemand, der im Parlament sitzt, Richter nicht zu kritisieren." Trittin weiter: "Das ist bislang das härteste Urteil, und ob es Bestand hat, wird sich zeigen. Aber wir leben in einem Rechtsstaat und dass mit solchen Blockaden eine Straftat begangen wird, war den Beteiligten klar."

Lanz fragte den Politiker daraufhin mehrmals nach seiner persönlichen Meinung zum Urteil, worauf Trittin beleidigt reagierte: "Es steht mir nicht zu, solche Urteile zu kritisieren!" Der ZDF-Moderator antwortete genervt: "Okay, Sie wollen nicht auf die Frage antworten."

Ähnlich hitzig ging es weiter, als Lanz auf das Thema China umschwenkte und darauf verwies, dass dort aktuell rund 50 neue Atomkraftwerke gebaut würden. Der langjährige "SZ"-Chinakorrespondent Kai Strittmatter ergänzte: "Von diesen 50 neuen AKWs wollen sie auf 150 kommen in den nächsten Jahren." Strittmatter weiter: "China hat als Fabrik der Welt diesen gewaltigen Energiehunger, der zum Teil auch von uns mitproduziert wurde." Gleichzeitig warnte der Journalist vor der politischen Haltung Xi Jinpings: "Das ist ein völlig anderes China als vor zehn Jahren. Xi machte in wenigen Jahren aus einer normalen Diktatur einen totalitären Staat."

Der Kampf gegen die Marktabhängigkeit

Dementsprechend zeigte sich der Journalist schockiert über den jüngsten Besuch und die Rede von Emmanuel Macron und sagte bei "Markus Lanz": "Ich war sehr verblüfft. Macron war einer der Ersten, der 2019 gesagt hat, wir dürfen keine Naivität gegenüber China zeigen. Jetzt ist es kommunikativ völlig aus dem Ruder gelaufen. Es war ein Desaster, aber ein Triumph für Xi Jinping." Von dem Staatsbesuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schwärmte Strittmatter dagegen mit den Worten: "Ich habe viele Jahre auf so einen Außenministerbesuch gewartet und habe ihn nie erlebt. Sie hat nüchtern und realistisch gesagt, was Sache ist."

Dies überzeugte jedoch weder Cordula Tutt noch Markus Lanz. Der ZDF-Moderator merkte kritisch an: "Wir sind unfassbar abhängig von China." Das wollte Strittmatter nicht unkommentiert stehen lassen und stellte klar: "Es ist nicht so, als wären alle so rat- und hilflos. Es gibt konkrete Maßnahmen, die vorgeschlagen wurden, um unsere strategische Abhängigkeit zu verringern. Aber wir sind an einem Punkt, an dem die Politik Haltung zeigen muss."

Dem stimmte auch Jürgen Trittin zu: "Das eigentliche Problem ist, dass sehr große und für uns systemrelevante Unternehmen vom Markt in China abhängig sind. Die Marktabhängigkeit ist das größte Problem, das wir vor uns haben."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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