Lisa Bitter über "Schlafschafe"

"Das ist ein Thema, das alle angeht"

03.05.2021, 07.43 Uhr
Melanie (Lisa Bitter) will nicht, dass Sohn Janosch (Emil Brosch) Mundschutz trägt. Lars (Daniel Donskoy) ist verzweifelt
Melanie (Lisa Bitter) will nicht, dass Sohn Janosch (Emil Brosch) Mundschutz trägt. Lars (Daniel Donskoy) ist verzweifelt  Fotoquelle: ZDF / Raymond Roemke

ZDFneo zeigt eine topaktuelle Serie. Es geht um eine Mutter, die in den Sog von Corona-Verschwörungstheorien gerät.

Eine Kleinfamilie in der Corona-Krise: Während Vater Lars (Daniel Donskoy) irgendwie versucht, das Ganze einfach nur durchzustehen, macht Mutter Melanie (Lisa Bitter) eine Veränderung durch. Auf einmal fängt sie an, Rauchmelder abzuschrauben und sich mit Verschwörungstheorien zu beschäftigen, statt nach einem Job zu suchen. Maskenpflicht für Kinder? Melanie fürchtet eine Gesundheitsgefährdung für Sohn Janosch (Emil Brosch). Lars sieht verzweifelt zu. Wie kann er ihr beweisen, dass sie sich verrennt? Über sechs Folgen befasst sich die Serie "Schlafschafe" mit unangenehmen Nebenerscheinungen der Corona-Krise. Schauspielerin Lisa Bitter berichtet im prisma-Interview, dass sie bei einigen Sätzen, die ihre Rolle Melanie sagt, wirklich schlucken musste, obwohl sie mit Feuer und Flamme dabei war. 

Wie ist es, eine Verschwörungstheoretikerin zu spielen?

Spannend. Mir hat das Rollenangebot sehr gefallen, zumal wir in die Serie aktuelle Ereignisse eingearbeitet haben. Meine Rolle und ich als Privatperson liegen superweit auseinander, das heißt, es gab ein großes Spannungsfeld, in das ich richtig Lust hatte, einzusteigen. Als Schauspielerin werte ich nicht. Stattdessen bin ich los auf die aufregende Fahrt mit Melanie.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Ich habe querbeet im Internet über Verschwörungstheorien gelesen. Die gibt es ja schon sehr lange, nicht erst seit Corona, auch wenn sie im Moment verschärft werden – zumindest habe ich das Gefühl. Teilweise hat mich das aber auch angestrengt, Ideen wie QAnon, ich finde das sehr schwer auszuhalten… Deshalb habe ich mich irgendwann dann den Wissenschaftlern, Psychologen und Soziologen zugewandt, um herauszufinden, was Verschwörungstheorien zugrunde liegt. Das hat gut geholfen. Danach ging es ans Drehbuch – und zur eigentlichen Figur.

Das heißt, Sie können sich jetzt in die Welt von Verschwörungstheoretikern hineinversetzen?

Ich kann besser nachvollziehen, wie man sich in einer ausschnitthaften Welterklärung wohlfühlen kann. Es gibt einfache Antworten, und das tut gut und befriedigt, gerade, wenn alles um einen herum so komplex erscheint. Ich kann also nachvollziehen, dass es passiert, auch wenn ich davon weit entfernt bin. Und ich verstehe jetzt auch, wie sich das System gegen eine Widerlegung immer mehr immunisieren kann, bis Gegenargumente einfach direkt abperlen. Je größer das System ist, desto mehr innere Logik steckt darin – dann wird es schwer, dagegen anzukommen.

Ist das nicht schrecklich anstrengend, sich so ausführlich mit dieser Welt zu beschäftigen?

Wenn ich dem als Privatperson über einen längeren Zeitraum ausgesetzt wäre, würde ich wahrscheinlich wie ein Rohrspatz schimpfen. Als Schauspielerin gehe ich da aber viel wertfreier ran. Ich bin als Vertreterin der Fiktion geschult und erst mal neugierig. Dadurch kann ich die Bilder auch ganz anders verstoffwechseln. Trotzdem musste ich bei einigen Sätzen im Drehbuch auch echt schlucken und habe dann erst mal beim Regisseur nachgefragt: „Soll ich das echt so sagen? Meint die das wirklich?“

Wie ist es, eine Serie über eine Situation zu drehen, in der man eigentlich noch mittendrin steckt?

Ich mag das wirklich. Beim Tatort ist es auch oft so, dass wir uns mit sozialgesellschaftlichen Themen befassen, aber der Film wird meistens erst ein Jahr nach dem Dreh ausgestrahlt, das ist dann nicht so on time. „Schlafschafe“ ist Instant Fiction, da wird alles schnell umgesetzt – und das macht Laune. In den Szenen haben wir teilweise noch auf tagesaktuelle Umstände reagiert – aktueller geht’s gar nicht.

Und wie war das am Set?

Man merkt: Das ist ein Thema, das alle angeht und allen unter den Nägeln brennt. Am Set hat jeder mit einem Ohr zugehört, das ist sonst nicht immer der Fall. Alle waren dabei, haben nachgefragt oder hatten Ideen.

Möglich, dass die Serie dann bei der Ausstrahlung stark polarisiert.

Ich könnte mir schon vorstellen, dass sich der eine oder andere damit auf den Schlips getreten fühlen wird. Als wir die Pressemitteilung zu den Dreharbeiten veröffentlicht haben, gab es in den Sozialen Medien auch schon viele Für-und-Wider-Stimmen, dabei war noch nicht mal klar, in welche Richtung es geht.

 TV-TIPP

  • "Schlafschafe"
  • Mittwoch, 12. Mai, 0.45 Uhr (alle sechs Folgen am Stück)
  • ab Mittwoch, 12. Mai, 10 Uhr, in der ZDF Mediathek

FAKE NEWS ERKENNEN

Während der Corona-Krise überschlagen sich die Nachrichten, da ist es nicht immer einfach, einen Überblick zu behalten und die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber wie erkennt man Fake News? Die Bundeszentrale für Politische Bildung gibt Tipps:

• Nachricht hinterfragen: Von wem kommt die Information? Welche Absicht steckt dahinter? Ist die Botschaft reißerisch?

• Quelle überprüfen: Steht die Information auch in der Originalquelle? Gibt es ein Impressum? Bestätigen andere seriöse Quellen die Nachricht?

• Bild prüfen: Wann, wo und von wem wurde das Bild aufgenommen? Wer schickt es herum? Ist es online nur in dem Kontext zu finden?

• Nicht alles weiterleiten: Welchen Schaden kann die Nachricht anrichten? Mehr Informationen zu Verschwörungsideologien, ideologischem Missbrauch und Extremismus gibt es online unter www.bpb.de.

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