Bei "Hart aber fair"

Spahn attackiert Ampel-Regierung: "Aufs Kiffen kann man sich einigen, aufs Wachstum nicht"

22.08.2023, 08.31 Uhr
von Doris Neubauer

Bei "Hart aber fair" war Jens Spahn zu Gast. Platz 28 von 30: Deutschlands Wirtschaft steht im weltweiten Vergleich schlecht dar.  Doch in der Sendung ging es mehr um die Probleme der Politik als die der Bürger. Der CDU-Politiker attackierte die Wirtschaftspolitik der Ampelregierung.

"Dann ist Ihre Regierung dafür, dass es nur noch große Bäckereien gibt, die international da sind, und den kleinen Handwerksbäcker um die Ecke gibt es nicht mehr?!" Caterina Künne, Inhaberin eines kleinen mittelständischen Bäckerei-Betriebs in Hannover, bleibt bei Louis Klamroths Talk "Hart aber fair" (ARD) am Montagabend das Lachen im Hals stecken. Nicht nur, dass ihre jährlichen Energiekosten innerhalb eines Jahres von 130.000 Euro auf 260.000 Euro gestiegen sind. Sie fällt auch aus der von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgeschlagenen Industrie-Strompreisdeckelung von sechs Cent je Kilowattstunde für die nächsten fünf Jahre. Ausnahmen bestehen nur für energieintensive Betriebe oder Unternehmen im internationalen Wettbewerb. "Das bin ich jetzt leider nicht", platzt Künne nach der Erklärung der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge heraus.

"Wirtschafts- und Finanzminister streiten wie die Kesselflicker" 

Auch Regierungspartner und FDP-Vize Johannes Vogel kann nach Dröges Aussage nur mehrfach den Kopf schütteln. Eine bessere Figur macht aber auch er nicht: Als Moderator Klamroth ihn fragt, wie seine Partei dem Mittelstand helfe, nimmt er das gleich zum Anlass, sich vom Standpunkt seines Koalitionspartners zu distanzieren. "Wie immer", wirft Jens Spahn (CDU) daraufhin provozierend ein. Und überhaupt: "Wirtschafts- und Finanzminister streiten wie die Kesselflicker." Attacke auf die Ampel: "Aufs Kiffen kann man sich einigen, aufs Wachstum nicht." Vogel holt aus und beginnt, die Fehler der früheren CDU-Regierung für die schwierige wirtschaftliche Lage Deutschlands verantwortlich zu machen.

Er wird jäh unterbrochen: "Ich glaube, wir sind alle gut beraten, vor allen Dingen die Politik, wenn wir eine Bürgerin da haben, dass wir über ihre Probleme sprechen und nicht über die Probleme innerhalb der Politik", wird Klamroth das politische Hick-Hack dann doch zu viel. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass sich Vogel mit "Jens" oder auch seiner Regierungskollegin einen regen Schlagabtausch liefert. Dagegen hatten Klamroths Versuche, die Diskussion in Schach zu halten, bisher keine Chance. Diesmal erntet er zustimmenden Applaus.

Grüner Vorschlag könnte laut Klamroth "auch von der FDP sein"

Und wie will Vogel nun dem Mittelstand helfen? Er plädiert er für bessere Rahmenbedingungen für Innovationskraft. Außerdem kann er sich eine Senkung der Stromkosten für alle und vor allem der Stromsteuer vorstellen. Von einer Strompreisdeckelung für die Industrie hält er hingegen wenig. Genauso wenig wie Spahn, laut dessen Recherchen die Energiekosten bis 2042 auf 40 Cent pro Kilowattstunde steigen könnten und demnach eine Deckelung keine nachhaltige Lösung sei. Dass angesichts dieser Einwände ausgerechnet die Grünen "die Großindustrie mit einem günstigen Strompreis ködern" wollen, kommt für Klamroth überraschend. "Das könnte auch von der FDP sein!", reagiert er auf Dröges Begründung, damit Arbeitsplätze retten und die Wirtschaft wettbewerbsfähig machen zu wollen.

Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender von Evonik Industries und potenzieller Profiteur der Strompreisdeckelung, kommt diese wirtschaftliche grüne Linie gelegen. Er freut sich, dass die Grünen "auf diesem Weg gehen, und ich bin sicher, dass auch die FDP noch auf den Pfad kommen wird". Weder Vogel noch Dröge können sich das Grinsen verhalten. Dass seine Partei allerdings eine Kehrtwende mache, dementiert der FDP-Politiker.

Eingefahren scheinen die Positionen auch beim Wachstumschancengesetz zu sein: Klamroths Frage, ob Dröge über das Veto ihrer Parteifreundin und Familienministerin Lisa Paus im Voraus Bescheid wusste, lässt die Politikerin zwar unbeantwortet, spricht aber von einer "gemeinsamen Position" zum Schutz der Kinderarmut. Vogel hingegen hält das Aufhalten durch die Grünen für einen "ernsthaften Fehler, der schnell korrigiert werden sollte."

Dass es sich dabei um ein "gutes Instrument" handelt, finden auch Unternehmer Kullmann und Ökonom Jens Südekum, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Sie bezeichnen die geplanten sechs Milliarden Euro jedoch als Tropfen auf den heißen Stein. "Bevor das wirksam ist, ist es im Vergleich zu den geplanten Investitionen der US-amerikanischen Wirtschaft so, als würden wir mit der Wasserpistole gegen Godzilla angehen, das reicht nicht", plädiert Kullmann. 100 Millionen Euro zusätzliche Investitionen pro Jahr seien seiner Meinung nach genauso notwendig wie schnellere Verfahren und Bürokratieabbau, um die Transformation zu schaffen.

Vogel: Wachstumschancengesetz wird demnächst verabschiedet

"Wir brauchen mehr Geld", bestätigt Dröge und erntet dafür ein Nicken von der Runde. 30 Milliarden Euro brauche es zusätzlich zum von der FDP vorgeschlagenen Wachstumschancengesetz. Einerseits wollen die Grünen den Industriestrompreisdeckel, andererseits müsse das Baugewerbe unterstützt werden.

"Das ist sehr teuer. Woher soll das kommen?", stellt Klamroth die Gretchen-Frage. Das "unschlagbare Paket" werde kreditfinanziert, stellt sich Dröge vor, zudem gäbe es Spielräume beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds, aus dem rund 150 Milliarden Euro abgerufen werden könnte. Ökonom Südekum plädiert sowohl für das Wachstumschancengesetz ("aber nicht in Miniaturfassung") als auch für den Strompreisdeckel. Vor allem aber brauche die Industrie Planungssicherheit.

Zumindest bei einem bekommen er und alle anderen eine klare Antwort: Auf Klamroths Frage, ob das Wachstumschancengesetz demnächst verabschiedet wird, meint der FDP-Politiker Vogel: "Ja, muss es". Diesmal erhält er sogar Zustimmung von seiner Koalitionspartnerin Dröge. "Wir bleiben dran", verspricht Klamroth zum Abschluss.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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