"Tatort" mal anders

Zwischen Leben und Tod

20.08.2023, 09.04 Uhr
von Bernd Fetsch

In diesem Münsteraner "Tatort" baut Gerichtsmediziner Boerne einen folgenschweren Unfall. Scheinbar unverletzt steigt er aus dem Wrack – und erblickt neben sich seinen schwer verletzten Körper.

ARD
Tatort: Limbus
Kriminalfilm • 20.08.2023 • 20:15 Uhr

Kritiker des Münsteraner Krimireviers, bitte aufpasen! Der "Tatort: Münster" vom November 2020 war nicht nur ein Publikumserfolg, das kennen wir ja schon, sondern kam auch bei Kritikern hevorragend an. Letzteres ist dann doch eher ungewöhnlich, denn der oft etwas burlesquenhafte Krimi ist nicht jedermanns Sache. Nicht so dieser durch und durch originelle Fall, mit dem die diesjährige "Tatort"- und "Polizeiruf"-Sommerpause 2023 zu Ende geht.

Professor Boerne (Jan Josef Liefers) teilt beim Abendessen im Gasthaus Kommissar Thiel, Staatsanwältin Klemm (Mechthild Grossmann) und seiner Assistentin Silke Haller (ChrisTine Urspruch) mit, dass er drei Monate unbezahlten Urlaub eingereicht hat. Er will in Holland ein Buch über – na klar – den Tod schreiben. Eine Vertretung für die Leitung der Rechtsmedizin ist bereits gefunden – ein Kollege mit Namen Dr. Jens Jacoby. Boerne entfleucht unter hämischen Kalauern der Runde in die Nacht, wird auf dem Weg zum Auto von einem Mann angerempelt und kommt kurz später bei Tempo 175 von einer Landstraße ab.

Professor Boerne steht neben sich

Scheinbar unverletzt windet sich der Mediziner im Morgengrauen aus dem Luxusautowrack. Doch dann – der Überraschungseffekt ist den Machern gelungen – wundert er sich doch sehr, dass ihn keiner der herbeieilenden Einsatzkräfte wahrnimmt. Nicht mal Kommissar Thiel, der nur betroffen auf den qualmenden Jaguar starrt. Erst da merkt es der Verunglückte und mit ihm der Zuschauer: Boerne steht neben sich. Sein schwer verletzter Körper liegt noch im Wagen, das Bewusstsein des Professors jedoch transzendiert in einer anderen Realität und bald schon im titelgebenden "Limbus", der Vorhölle, in der ihn ein Sachbearbeiter in Gestalt des Kommissars (Axel Prahl) mit Formularen traktiert für den zu erwartenden Fall, dass der komatöse Boerne-Leib auf der Intensivstation alsbald und endgültig das Zeitliche segnet.

Was sich ergibt, ist eine surreale Gespensterklamotte – einerseits. Anderseits aber auch die klassische Definition von Suspense. Immer wieder entkommt Boerne der Vorhölle in die Realität, in der er nicht mehr wahrgenommen wird und folglich auch nicht sein Täterwissen an die im Trüben fischenden Ermittler vermitteln kann. Denn der Mann (Hans Löw), der Boerne in der Schicksalsnacht angerempelt hat, ist frappierenderweise derselbe, der als Dr. Jacoby seine Urlaubsvertretung in der Rechtsmedizin angetreten hat und sich auch noch zur Untermiete in des Professors Wohnung breitmacht. Ein Hochstapler? Ein Mörder? Wie kann man es dem arglosen Thiel und der trauernden Assistentin Haller begreiflich machen? Es ist zum Verrücktwerden – für den Professor gleichermaßen wie für den Zuschauer. Eine Schicksalsallianz der Machtlosigkeit.

Zweiterfolgreichster Film des Jahres 2020

Der "Tatort: Limbus" hinterlässt ein durchaus anderes Gefühl als andere Münsteraner Fälle. Können sich Fans von Boerne und Thiel ansonsten in erwartbaren Gag-Kanonaden hineinlegen wie in ein Entspannungsbad, gleicht das Filmerlebnis in "Limbus" eher einer Dusche bei Heizungsausfall – stimulierend, aber eher unbehaglich. Würde er es verzeihen? Oder die Macher (Buch: Magnus Vattrod, Regie: Max Zähle) auf direktem Weg zum Teufel wünschen? 13,15 Millionen Zuschauer im November 2020 gaben darauf eine klare Antwort. Der Film avancierte zur zweiterfolgreichsten TV-Sendung des Jahres 2020 im deutschen Fernsehen. Übrigens knapp hinter einem zweiten Münsteraner "Tatort" mit dem Titel "Es lebe der König".

Ab dem kommenden Sonntag, 27. August, gibt es dann wieder Krimi-Frischware im Ersten. Den Auftakt macht der "Polizeiruf 110: Du gehörst mir" aus Magdeburg. Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) ermittelt im Falle eines verschwundenen Babys.

Tatort: Limbus – So. 20.08. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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