"Spiel mit dem Feuer"

ARD-Doku fragt: Wer braucht noch dieses Olympia?

von Sven Hauberg

Als Sportler war Felix Neureuther selbst bei Olympia dabei. Nun zeigt er in einer Doku, was beim Olympischen System schiefläuft.

ARD
Spiel mit dem Feuer – Wer braucht noch dieses Olympia?
Dokumentation • 31.01.2022 • 20:15 Uhr

Es gab eine Zeit, da glaubte man im Westen ernsthaft, China werde sich eines Tages in eine Demokratie verwandeln, wenn man nur genug Handel mit dem Land treibe. Diese Hoffnungen haben sich zwar längst zerschlagen; beim Internationalen Olympischen Komitee aber scheint man derartigen Träumereien noch immer nachzuhängen. Wandel durch Sport, so lautet offenbar das Motto der Olympia-Funktionäre. Dabei konnte man schon 2008 in Peking eindrucksvoll beobachten, dass diese Gleichung nicht aufgeht. Im Gegenteil: Seit Xi Jinping als Staats- und Parteichef in China regiert, wurden Hunderttausende Uiguren in Lager gesteckt, wurde die Demokratiebewegung in Hongkong zerschlagen und der Überwachungsstaat weiter ausgebaut.

Auch Christian Neureuther hatte einst die Hoffnung, dass Olympische Spiele für die Menschen vor Ort etwas ändern würden. "Da war ich aber jung und naiv", sagt der ehemalige Skirennläufer in der ARD-Dokumentation "Spiel mit dem Feuer – Wer braucht noch dieses Olympia?" Der Film von Nick Golüke und Robert Grantner folgt Neureuthers Sohn Felix, der ebenfalls als Skirennläufer Karriere machte und heute für die ARD als Sportexperte tätig ist, bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie die Olympischen Spiele ein zweites Mal an Peking vergeben werden konnten.

In und nahe der chinesischen Hauptstadt trifft sich ab 4. Februar einmal mehr die "Jugend der Welt" – und das nicht nur in einem Land mit einer erschreckenden Menschenrechtsbilanz, sondern auch an Orten, die bislang alles andere als Zentren des Wintersports waren. Das Regime in Peking ließ für sehr viel Geld Sportanlagen aus dem Boden stampfen, Schneekanonen beschaffen und Naturschutzgebiete verkleinern, um der Welt scheinbar perfekte Spiele zu bieten.

Hansi Lochner jedoch, Bobfahrer und vierfacher Weltmeister, findet die Ausmaße der Anlagen im Gespräch mit Felix Neureuther vor allem "geisteskrank". "Warum müssen wir in ein Land gehen, dass überhaupt keinen Bezug zum Wintersport hat?", fragt auch DSV-Skitrainer Wolfgang Maier.

Thomas Bach lehnte Interview ab

Der Uigurin Zumretay Arkin machen die Spiele aus anderen Gründen Sorge. Die Frau, die heute im Münchner Exil lebt, hat seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren Angehörigen, die noch immer in der westchinesischen Provinz Xinjiang leben. "Ich finde des völlig unmöglich, dass ein solches Land die Olympischen Spiele ausrichten darf", sagt sie. Zu einem Wandel hätte schon die Spiele vor 14 Jahren nicht beigetragen, "das Gegenteil war der Fall".

Völlig anders blickt naturgemäß das IOC auf das sportliche Großereignis. Thomas Bach habe zwar nicht mit ihm sprechen wollen, so Felix Neureuther, dafür aber trifft der 37-Jährige in Lausanne Christophe Dubi, den IOC-Exekutivdirektor und Organisationschef der Spiele. Mehr als altbekannte Floskeln kann Neureuther dem Funktionär allerdings nicht entlocken. "Bei den Spielen geht es nicht um Politik", behauptet Dubi mantraartig und schwärmt von "Menschen, die sich die Hände reichen und Brücken bauen".

Worum es dem IOC wirklich geht, glaubt Urs Lacotte zu wissen, der ehemaliger Generaldirektor des Internationalen Olympischen Komitees: ums Geld natürlich. Gewinne würde das IOC in die eigenen Taschen stecken, Verluste hingegen auf die Allgemeinheit abwälzen. Lacottes bitteres Fazit über seinen ehemaligen Arbeitgeber: "Den Sport kannst du lieben, ein Geldinstitut nicht."

Am späteren Abend zeigt das Erste um 22.50 Uhr außerdem die halbstündige Reportage "China inside: Winterspiele mit Widersprüchen" von Tamara Anthony und Daniel Satra.

Spiel mit dem Feuer – Wer braucht noch dieses Olympia? – Mo. 31.01. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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