André Kaczmarczyk im Interview

Gegen das Rollenklischee

28.01.2022, 16.33 Uhr
von Felix Förster
André Kaczmarczyk verstärkt das Polizeiruf-Team. Er ist ein renommierter Theater-Darsteller.
André Kaczmarczyk verstärkt das Polizeiruf-Team. Er ist ein renommierter Theater-Darsteller.  Fotoquelle: rbb/Jeanne Degraa

Kommissaranwärter Vincent Ross ist "der Neue" im Polizeirufteam Frankfurt an der Oder. Obwohl "der" nicht ganz richtig ist, denn Vincent Ross ist "gender-fluid", das heißt er wechselt zwischen den Geschlechtern. prisma hat mit Darsteller André Kaczmarczyk unter anderem über seine neueste Rolle und seine Arbeit als Theaterschauspieler im TV gesprochen.

Sie sind Teil des neuen Polizeiruf-Duos. Welche Verbindung hatten Sie bisher zu der Serie?

André Kaczmarczyk: Ich kannte die Serie aus meinem allgemeinen TV-Schatz heraus. Dadurch, dass meine Wurzeln im Gebiet der ehemaligen DDR liegen, war der Polizeiruf bei uns das Sonntagsabendprogramm. Daher kannte ich die Serie. Aber ich gestehe, dass ich nicht der Hardcore- oder Dauer-Tatort- und Polizeirufgucker bin.

Die Fangemeinde der beiden Serien ist sich ja schon ähnlich. Wie wird das neue Duo denn in der „Gemeinde“ ankommen? Was glauben Sie?

André Kaczmarczyk: Ich hoffe, positiv, aber auch durchaus kontrovers. Natürlich hoffen wir, dass das Duo gut ankommt.

Ihre Figur, der Kriminalkommissaranwärter Vincent Ross, weicht nun auffällig von den üblichen Rollenklischees des "Fernseh-Bullens" ab. Erklären Sie kurz einmal, wie diese Figur angelegt ist.

André Kaczmarczyk: Die Figur ist erst einmal entstanden im deutlichen Kontrast zu dem, was Adam Raczek ist, nämlich der Oberbulle, der mit seiner sehr mannhaften Art durch die Welt läuft und auch die zarten Pflanzen niedertrampelt. Vincent Ross ist das genaue Gegenteil davon: Er ist jemand, der zugewandt ist, empathisch, zurückhaltend agiert und seine Kraft und seine Tätigkeit nicht aus so einer Dominanz schöpft.

Ihre ersten Szenen sind interessant gemacht, da Sie ja erst einmal als Zeuge auftreten, und Ihr neuer Kollege Adam Raczek nicht so sehr begeistert von Ihnen ist, als er erfährt, wer Sie sind. Hatten Sie und Lucas Gregorowicz da Einfluss auf die Szenen, oder war das alles vorgegeben?

André Kaczmarczyk: Wir haben viel mit dem Autorenteam und dem Regisseur gesprochen, aber so wie Sie das Drehbuch dann letztlich sehen, da haben wir nicht viel mitdiskutieren können. Allerdings haben sie schon auf der Grundlage unserer Gespräche gearbeitet.

Wie Sie eben schon beschrieben haben, prallen zwei völlig unterschiedliche Männlichkeitsbilder aufeinander, die klassische Geschlechterrolle mit Adam Raczek und dann Vincent, der als "non-binär" oder "gender-fluid" beschrieben wird. Sie haben die Rolle mit unterschwelligem Humor angelegt, ohne dass es albern wirkt. Wie schwer war das für Sie?

André Kaczmarczyk: Gar nicht schwer, der Regisseur ist sehr humorvoll, ich hatte auch immer die Hoffnung, dass durch diese Unterschiedlichkeit, wie die Beiden auf Personen, auf Konflikte, auf Situationen reagieren, ein gewisser Humor entsteht, einfach weil sie so unterschiedlich sind. Wenn das gelungen ist, freut mich das sehr.

Darf ich fragen, ob Sie selbst non-binär sind?

André Kaczmarczyk: Ja, dürfen Sie. Nein, bin ich einer strikten Definition wahrscheinlich eher nicht. Aber wer kann das schon genau sagen... Ich kann der Vorstellung von Genderfluidität und dem Auflösen klarer Grenzen im Bereich von Geschlecht, Geschlechtlichkeit und Sexualität jedenfalls sehr viel abgewinnen. Ich bin da durchaus auch zu Hause.

Ich frage, weil es ja durchaus Stimmen gibt, die sagen, dass solche Rollen nur von Personen gespielt werden können, die diese Geschlechterrolle auch erfüllen. Es gibt jetzt das Beispiel des bekannten Schauspielers Eddie Redmayne, der in dem Erfolgsfilm "Danish Girl" eine Transgender-Person spielt, und dafür um Entschuldigung gebeten hat, die Rolle als heterosexueller Mann übernommen zu haben. Wie sehen Sie das? Ist das übertrieben?

André Kaczmarczyk: Ob das übertrieben ist, weiß ich nicht. Dass wir das heute diskutieren und das es da ganz unterschiedliche Positionen gibt, finde ich aber gut und nur bereichernd. Ich bin mir nicht sicher, wie die Antworten darauf sein sollten. Ich glaube, das muss man von Situation zu Situation und von Figur zu Figur betrachten. Aber dass wir das diskutieren und es damit ins Blickfeld gerät, ist für mich begrüßenswert.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet? Explizite Vorbilder gibt es ja nicht.

André Kaczmarczyk: Im Polizeibereich kenne ich da auch keine Rolle, die so angelegt ist. Ich habe kein spezielles Rollenstudium betrieben. Ich habe das Drehbuch gelesen und versucht, mit dem Regisseur in der konkreten Arbeit einen Weg zu finden, wie wir diese Persönlichkeit gestalten wollen. Da ist ja auch ganz vieles noch gar nicht entschieden, wohin die Reise mit Vincent im Polizeiruf noch gehen soll.

Welche Reaktion erwarten Sie auf die Figur des Vincent?

André Kaczmarczyk: Das interessiert mich gar nicht so sehr. Das wird ganz unterschiedlich sein, einige werden sich darüber freuen, andere werden das total blöd finden. Das ist ja auch in Ordnung, so muss das ja auch sein.

Vincent ist eine Art Profiler, der bei seinen Gesprächspartnern in die Tiefe geht, alles analysiert. Manchmal wirkt er sogar wie ein Medium. Für Sie als Schauspieler bietet solch eine Rolle doch sehr viele Möglichkeiten, oder?

André Kaczmarczyk: Ja, genau. Ich finde es sehr schön, dass da in der ersten Folge mit mir alles noch gar nicht so richtig fixiert und beantwortet ist, sondern noch so viele Möglichkeiten offen bleiben. Der psychologische Ansatz und Vincents Neigung, dies in seine Arbeit mit einfließen zu lassen, wird aber sicherlich noch eine große Rolle bei ihm spielen. Das würde ich mir zumindest wünschen, dass seine Art zu ermitteln, aus einer deutlich anderen Richtung kommt.

Sie haben jetzt eine Folge gedreht. Ist weiteres in Planung?

André Kaczmarczyk: Genau, die nächste Folge ist in Planung, das Drehbuch wird geschrieben und ich werde bestimmt genauso überrascht wie die Zuschauer sein, was als nächstes kommt.

Ihre Theater-Biografie ist beeindruckend, Sie haben unter anderem in Düsseldorf gespielt, in Dresden und dabei eine große Bandbreite an Rollen gezeigt. Inwiefern ist für Sie als etablierter Theaterschauspieler eine Hauptrolle im Fernsehen eine Herausforderung?

André Kaczmarczyk: Ich habe mich im Theater immer zuhause gefühlt und fühle mich da nach wie vor sehr wohl. Es war also nicht mein Plan, im Fernsehen als Kommissar zu landen. Das ist eben passiert, und das freut mich sehr. Die erste Herausforderung für mich am Set kam daher, dass ich nicht so viel Dreherfahrung habe. Ich bin da noch sehr unbeleckt und das sind auch ganz andere Arbeitsabläufe. Wenn Sie vor 800 Leuten im Düsseldorfer Schauspielhaus spielen, ist das natürlich eine ganz andere Physis für einen Schauspieler, da ist ein ganz anderer körperlicher Einsatz gefordert, allein von der Stimme her. Vor der Kamera ist das ganz anders, da würde ja die Linse springen, wenn man da so agieren würde (lacht). Auch die Abläufe sind völlig unterschiedlich: Die Szene beim Film wird gedreht und ist dann sozusagen gestorben, während Sie am Theater immer wieder und wieder Dinge probieren und sich die Szenen mit jeder Vorstellung verändern.

Beim Theater haben Sie dann auch den entsprechenden Adrenalinspiegel, wenn Sie vor Live-Publikum spielen…

André Kaczmarczyk: Adrenalin hatte ich am ersten Drehtag beim Polizeiruf auch (lacht). Das war schon aufregend mit den ganzen neuen Kollegen. Alle gucken, wer ist das denn?

  • "Polizeiruf 110: Hildes Erbe" – So. 30.01. – ARD: 20.15 Uhr

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