ARD-Krimi mit Götz Otto: Ein grausamer Femizid und toxische Männlichkeit










Dass der "Tatort: Das Verhör" (Erstausstrahlung: September 2022) über toxische Männlichkeit ausgerechnet in Ludwigshafen spielt, ergibt durchaus Sinn. Schließlich führen dort mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) zwei – wie man sagt – starke Frauen das Kommando oder die Ermittlungen. Episoden-Hauptdarsteller Götz Otto hat es in der Rolle des Bundeswehr-Hauptmannes Hajo Kessler noch dazu mit einer jüngeren Vorgesetzten bei der Arbeit zu tun: Oberstleutnant Angelika Limbach (Katrin Röver), die dem bei der Beförderung mehrfach übergangenen Offizier in den 50-ern kurz vor dem ersten Besuch der Kommissarinnen in der Kaserne noch schnell einen Einlauf gibt. Der Grund: ein aus dem Ruder gelaufenes Männlichkeitsritual in Kesslers Truppe.
Doch der Reihe nach: Zur Bundeswehr gelangen die Ludwigshafener Ermittlerinnen, weil sie wegen des Mordes an einer weiteren "starken" Frau ermitteln. Investmentbankerin Ann-Kathrin Werfel wurde grausam getötet, indem man sie lebendig verbrannte. Der erste Verdacht fällt auf ihren Ex-Ehemann Patrick Werfel (Jonathan Müller), dem sie häusliche Gewalt vorgeworfen hatte. Der allerdings präsentiert ein bestens bezeugtes Alibi.
Die Spur eines Pickup-Transporters führt dann zu Offizier Kessler. Bei weiteren Ermittlungen erhärtet sich die Indizienlage gegen den süffisant freundlich-korrekten Hünen. Während eines Verhör-Marathons wird klar: Dieser Mann tut sich schwer mit Frauen in Macht- und Führungspositionen. Doch wie gefährlich oder tatfähig ist der Bundeswehr-Offizier wirklich?
Kurzweiliger Sonntagskrimi mit genderpolitischen Dynamit-Stangen
Das Thema toxische Männlichkeit, Frauenhass und Femizid ist eines der in den letzten Jahren häufiger aufgegriffenen Themen im "Tatort". Vielleicht am unverblümtesten in der Kieler Folge "Borowski und die Angst der weißen Männer" vom März 2021, in der es um organisierte antifeministische Männerbündler ging. Im Drehbuch des alten Lena Odenthal-Fahrensmannes Stefan Dähnert, der unter anderem die beiden legendären Folgen "Tod im Häcksler" (1991) sowie dessen stimmungsvolle Fortsetzung "Die Pfalz von oben" mit Ben Becker schrieb, setzte man in "Das Verhör" in Sachen expliziter Frauenhass noch eins drauf. Die im Film porträtierten Kerle sind allesamt Nulpen, die nichts gebacken kriegen. So wie der Ex-Mann des Opfers oder eben der alternde Offizier vom alten Schlag.
In Sachen Charakterzeichnung bleibt dieser "Tatort" in einem eher einfachen Gut-böse-Schema stecken. Dass als Kommissarinnen-Antipode Götz Otto geholt wurde, ist eine fast zu nahe liegende Entscheidung – schließlich stehen Ottos archetypischen Figuren mit ihrer gewaltigen und diabolischen Ausstrahlung gerne mal für Typen, wie man sie im richtigen Leben eigentlich nicht mehr sehen will.
"Unterschätze nie einen Mann jenseits seines Bedeutungs-Zenits", heißt es in einer der besten Dialogzeilen des ansonsten etwas formelhaft getexteten, aber trotzdem spannenden Thrillers. Gegen Ende der 90 Minuten wird das Krimi-Tempolimit dann doch arg überschritten. Im letzten Viertel verabschiedet sich mehr und mehr ein letzter Hauch von Realismus. Als ein unterm Strich zu expliziter, aber immerhin ziemlich gemeiner B-Movie-"Tatort" mit extra viel genderpolitischen Dynamit-Stangen im Tank, ist der Sonntagskrimi von 2022 (Regie: Esther Wenger) dennoch kurzweilig. Und auch auf eine seltsame, böse Art vergnüglich. Der nächste neue Fall der Kommissarinnen Odenthal und Stern wird laut SWR übrigens im November 2025 im Ersten laufen.
Tatort: Das Verhör – So. 08.06. – ARD: 20.15 Uhr
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Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH