Im Interview

Verwandlung zu Reptilien: Das steckt hinter der neuen ZDF-Serie

06.06.2025, 10.41 Uhr
In der neuen ZDF-Serie "Club der Dinosaurier" kämpfen Ben und Janni mit den Herausforderungen des männlichen Selbstbildes. Nach der Einnahme von vermeintlichen Testosteron-Pillen verwandeln sie sich in reptilienartige Wesen. Die Serie beleuchtet satirisch toxische Männlichkeit und veraltete Rollenbilder.
Alessandro Schuster spricht über seine Rolle in der neuen ZDF-Serie "Club der Dinosaurier".
Alessandro Schuster spricht über seine Rolle in der neuen ZDF-Serie "Club der Dinosaurier".  Fotoquelle: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Loser oder Raptor? Ben und Janni wollen unbedingt männlicher werden. Nach der Einnahme vermeintlicher Testosteron-Pillen wächst aber nicht nur der Bizeps: Langsam aber sicher verwandeln sich die Freunde in reptilienartige Wesen. Am Ende müssen sie sich die Frage stellen: Was ist eigentlich wirklich männlich? Mit „Club der Dinosaurier“ zeigt das ZDF ab dem 15. Juni eine Serie übers Erwachsenwerden und arbeitet sich auch an den aktuellen Themen der toxischen Männlichkeit und veralteten Rollenbildern ab. Alessandro Schuster spielt in der Serie den Bösewicht, der im Laufe der Geschichte selbst die Dino-Pillen ausprobiert. Im Gespräch mit uns erzählt der 23-Jährige, wie er sich auf die herausfordernden Dreharbeiten vorbereitet hat und was für ihn Männlichkeit aktuell ausmacht.

Wie würdest du die Serie "Club der Dinosaurier" in ein paar Sätzen beschreiben – worum geht es inhaltlich, aber auch emotional?

Es geht um die zwei Jungs Ben und Janni, die sich in der Gesellschaft und in ihrer Stufe nicht zugehörig fühlen. Der Gruppenzwang bringt sie schließlich dazu, dass sie männlicher wirken wollen. Zum einen, um bei Frauen gut anzukommen. Aber auch um mit anderen Jungs wie Rick, den ich spiele, und der für die vermeintlich coolen Typen steht, gleichzuziehen. Ben und Janni gehen schließlich zum Schuldealer, um sich Testosteron-Pillen zu holen, doch die Pillen haben aber eine sehr starke Nebenwirkung, sodass sich die Jungs nach und nach in reptilienartige Wesen verwandeln, was auch Rick bald am eigenen Leib erfährt. Sinnbildlich steht diese Verwandlung als satirische Ebene für toxische Männlichkeit, die ein sehr zentraler Punkt in unserer Serie ist. Es geht also um Selbstwert und Identifikation, die bei jungen Leuten zwischen 15 und 18 Jahren noch in der prägendsten Phase ist. Wer will ich sein und warum? Was macht mich aus? Wofür stehe ich? Diesen Fragen stellen wir uns im Kern.

Inwiefern konntest du deine eigenen Erfahrungen für deine Rolle heranziehen? Konntest du dich selbst noch einmal durch die Rolle reflektieren?

Ich bin natürlich froh, dass ich nie in der Situation war, Testosteron-Pillen nehmen zu wollen, da ich mich mit solchen Parametern nie auseinandergesetzt habe. Aber ich glaube, das hängt auch sehr damit zusammen, wie ich geprägt worden und in welchem Umfeld ich aufgewachsen bin. Ich habe mit 13 Jahren angefangen diesen Beruf auszuüben. Dadurch hatte ich natürlich recht früh auch schon mit Leuten zu tun, die in einer anderen Altersklasse waren, und mir aber auf Augenhöhe und auf einer professionellen Ebene begegnet sind – das ist ja etwas, das man normalerweise in dem Alter nicht hat. Damit bin ich vielleicht etwas schneller gereift bzw. habe meine Pubertät etwas anders durchlebt als andere Jugendliche.

Wie schätzt du den Einfluss von Social Media auf den modernen Männlichkeitsbegriff?

Gerade beim Heranwachsen ist es heutzutage sehr entscheidend, mit welchem Content und Einfluss man groß wird und ab wann. Je jünger man damit konfrontiert ist, desto schwieriger ist es, aus dieser Welt rauszukommen und sich neutrale Bilder formen zu können. Algorhythmus beeinflusst ja innerhalb kürzester Zeit enorm. Neben allen Vorteilen bin ich überzeugt, dass dies gerade bei Jüngeren zu sehr viel mehr Unsicherheiten und psychischen Herausforderungen führt und es immer schwerer wird, dabei sich selbst treu zu bleiben.

Wie hat Social Media dein Verständnis von Männlichkeit geprägt?

Ich habe erst mit 14 Jahren mein erstes Smartphone bekommen. Das hat denk ich eine große Rolle gespielt, welchen Blick ich auf Social Media bekommen habe. Männlichkeit bedeutet für mich schon längst nicht mehr Stärke oder was diverse Content-Richtungen einem als männlich verkaufen wollen. Männer bestätigen sich ja immer sehr gerne darin, dass sie Männer sind. Das ist wahnsinnig ermüdend und langweilig. Für mich ist es viel männlicher, wenn man Schwäche zulassen und Verantwortung übernehmen kann. Und sich nicht über Macht, sondern über Haltung definiert. Aber dafür muss man sich selbst erstmal die Möglichkeit geben, die eigene Persönlichkeit richtig zu begreifen. Das ist aber sehr schwierig, wenn man sich frühgeprägt durch Social Media nur noch im Spiegel der anderen sieht, wo ja verständlicherweise ein großer Druck entsteht. Eine der schönsten und zugleich schwersten Herausforderungen ist ja zu lernen, wer man ist und für welche Werte man einsteht und das sollte im besten Fall auch nie enden. Aber es muss anfangen. Ich merke, dass ich immer wieder gerne Neues lerne und im Allgemeinen ein neugieriger Mensch bin. Und diese Fassaden, die man sich während der Pubertät aufgebaut hat, die bauen sich nach und nach wieder ab. Zum Beispiel empfindet man seine Eltern in der Pubertät vielleicht als peinlich und irgendwann tritt das Gegenteil ein: Man geht gerne mit seinen Eltern irgendwo hin, weil man stolz auf sie ist und weil es cool ist. Da kann ich aber natürlich nur von mir sprechen.

Was hat dich an deiner Rolle gereizt? Gab es Aspekte der Figur, mit denen du dich besonders identifizieren konntest – oder vielleicht auch gar nicht?

Ein großer Reiz war zum einen das Genre. Für mich das erste Mal im seriellen Comedy-Bereich und dann noch mit einer Rolle wie Rick, die mir so viel Gestaltungsmöglichkeiten gegeben hat. Den Antagonisten zu verkörpern fand ich schön, weil Rick das vermeintlich klassische Bild eines Alphamannes bedient: Er definiert sich selbst als den coolsten, besten und stärksten. Für mich war aber sofort klar, dass ich die Figur als jemanden erzählen möchte, der einfach vieles vorgibt zu sein, was er natürlich eigentlich gar nicht ist. Außerdem ist es auch schön zu sehen, dass Rick seinen Gegenspielern Ben und Janni oft viel ähnlicher ist, als er es zunächst zugeben möchte. Das bietet zum einen sehr viel Potenzial für die Komik der Figur. Zum anderen macht es die Fallhöhe und die Ehrlichkeit des Charakters stärker. Hinter seiner Alpha-Fassade verbirgt sich eine tiefe Unsicherheit, was ja auch ein häufiger Auslöser für toxische Züge sein kann, und mit dieser Tiefe konnten wir der Figur einen schönen Verlauf bieten.

Wie hast du dich auf die Rolle und die Verwandlung zum Reptil vorbereitet?

Als ich das erste Mal die Bücher gelesen habe, konnte ich mir dazu gar nicht so richtig viel vorstellen. Das war auch der Grund, weshalb ich fast sechs Wochen mit der finalen Zusage gewartet habe. Das visuelle Konzept von Twilight Creations hat mich dann aber überzeugt. Die Verwandlung spielerisch zu machen, hat zum Großteil die Maske mitbestimmt. Betroffen waren nicht nur das Gesicht, sondern auch bestimmte Bereiche des Körpers – dadurch entsteht auch automatisch eine ganz andere Körperlichkeit und Präsenz. Man darf aber nicht vergessen, dass wir uns nicht in neue Wesen verwandeln, sondern die Grund-Charaktere und -Figuren bleiben. Für mich lag die Feinarbeit dann darin, in der Mimik die Emotionen von Rick spürbar zu machen. Die Verwandlung betraf fünf Drehtage für mich und am ersten Drehtag hat die Maskenzeit knapp fünf Stunden beansprucht. In den folgenden Tagen konnten wir uns dann glücklicherweise auf dreieinhalb Stunden runterarbeiten. Das war eine sehr spezielle Erfahrung, auch weil man mit allen Sinnesorganen eingeschränkt ist: Man kann nur durch den Mund atmen, die Nase ist komplett zu. Die Ohren sind gedämpft und die dicken Kontaktlinsen sorgen dafür, dass man alles durch einen gelben Schleier sieht und es auch gelegentlich in den Augen gebrannt hat, besonders beim Einsetzen. Die Hände und Arme waren teilweise durch die Raptor-Handschuhe abgeklemmt und Essen war auch schwierig: Ich habe die Mittagspausen mit Trinknahrung verbracht, um die filigrane Maske nicht zu beschädigen. Das Abnehmen der Maske am Ende des Drehtages hat dann auch noch mal eineinhalb Stunden gedauert.

Nichts für Klaustrophobiker also.

Leute, die wirklich mit Klaustrophobie zu tun haben, hätten das eventuell nicht umsetzen können. Ich hatte mir das schon ziemlich krass vorgestellt und ich hab’s immer noch ein bisschen unterschätzt: Für zwei, drei Stunden geht das klar. Aber wenn du dann 14 Stunden oder teilweise länger damit am Set bist, ist das noch mal eine ganz andere Hausnummer. Es gibt angenehmere Drehumstände, keine Frage. Die Leute von Twilight Creations haben sich aber sehr gut um uns gekümmert und uns toll während dieser Drehtage unterstützt. Ich bin sehr dankbar, das gemacht haben zu können. Solche Rollen und speziellen Umstände begegnen einem nicht alle Tage und es ist auch ganz lustig zu den ersten Dinosauriern des ZDF zu gehören.

Gab es beim Dreh Momente, die dir besonders emotional oder auch gesellschaftlich wichtig erschienen?

Vieles, aber es gibt in der Serie die Szene, in der meine Rolle Rick gegen Ben als Oberstufensprecher antritt. Rick hält eine Rede, die eigentlich keine Rede ist. Er versucht die Menge mit plakativen Parolen für sich zu gewinnen. Danach kommt Ben, der sehr schüchtern startet. Auf der Bühne entwickelt er ein Selbstbewusstsein und kann so durch seine Haltung überzeugen. Am Ende stehen alle auf und applaudieren ihm zu. So schasst er den Klassen-Alpha. Das ist ein ganz schönes Sinnbild für vieles, was wir in unserer Gesellschaft aktuell auch sehen können und an uns appellieren sollte, dass wir wieder mehr über Inhalte und Haltung gehen sollten.

Hast du das Gefühl, dass sich gerade ein Wandel vollzieht in Bezug darauf, wie Männer sich zeigen dürfen – emotional, verletzlich, reflektiert?

Auf jeden Fall gibt es einen Wandel. Es gibt viele bekannte Persönlichkeiten, die zeigen wie es anders gehen kann und dadurch auch Trends setzen. Das heißt nicht immer, dass man ins absolute Gegenteil gehen muss, aber es geht um eine Reflektion und um Achtsamkeit, die so vermittelt wird. Da ist zwar noch viel Luft nach oben: Gerade auch bei Männern in Bezug auf Frauen und beim Thema Sicherheit. Das ist nach wie vor ein großes Problem und ich wünsche uns da noch ganz viele Schritte nach vorne. Aber ich glaube, dass wir die Grundlagen haben, da wirklich etwas zu verändern – wenn man am Ball bleibt und sich aktiv mit diesen Themen auseinandersetzt und in seinem eigenen Umfeld dafür sorgt.

Für was möchtest du selbst als männliches Vorbild stehen?

Dass man sich über Haltung definiert und nicht über plumpes Macht-Gelaber. Dass man offen mit Schwächen umgehen darf. Und dass man die Scham darüber ablegt und einfach mit seinen männlichen Freunden über Sorgen, Ängste und Gefühle sprechen kann. Ich finde Emotionalität enorm wichtig. Dafür stehe ich auch und ich habe mit den Jahren gelernt, das überwiegend schamfrei zuzulassen. So kann ich heute im Kino sitzen, loslassen und bedingungslos heulen, wenn mich was berührt – ganz egal, wer um mich herumsitzt. Es ist mir nicht peinlich.

Zu guter Letzt: Was schaust du aktuell selbst? Welche Serie kannst du unseren Lesern empfehlen?

Ich habe kürzlich „The White Lotus“ geguckt, was ich sehr toll fand. Ich war richtig im Fieber und habe jede Woche auf die neue Folge gewartet. Vor ein paar Tagen habe ich außerdem „Adolescence“ geguckt und war hin und weg. Das Storytelling und Spiel der Serie ist next level – ich kann sie nur jedem empfehlen.

„Club der Dinosaurier“ ist ab heute in der ZDF-Mediathek verfügbar. Ab Sonntag, 15. Juni 2025, startet die Serie im linearen Fernsehen. An drei aufeinanderfolgenden Sonntagen gibt es dann je zwei Doppelfolgen zu sehen. Los geht es immer um 20.15 Uhr.

Das könnte dich auch interessieren