Neo-Western bei ARTE

"The Rider": das letzte Rodeo

Der chinesischen Regisseurin Chloé Zhao ist mit "The Rider" ein atemberaubend authentischer Neo-Western über einen Rodeo-Reiter, der seinem Job nicht mehr nachgehen kann, gelungen. ARTE zeigt den Film erstmals im Free-TV.

ARTE
The Rider
Drama • 19.05.2021 • 22:45 Uhr

"Ein Pferd ist dafür bestimmt, über die Prärie zu rennen, und ein Cowboy ist dafür bestimmt, zu reiten", erklärt der Cowboy Brady seiner Schwester. Unerträglich ist es für ihn, dass seine Ärztin ihm verboten hat, sich jemals wieder aufs Pferd zu begeben. Die chinesische Regisseurin Chloé Zhao erzählt in ihrem zweiten Langfilm "The Rider" (2017) eine zutiefst berührende Geschichte um einen jungen Mann, der den Sinn in seinem Leben verliert und sich wieder neu finden muss. ARTE präsentiert sie als Erstausstrahlung. Wie bereits in ihrem ersten Film "Songs My Brother Taught Me" arbeitete Zhao mit Laiendarstellern, die sich auf berührende Weise selbst verkörpern.

Es braucht Geduld, um sich in den ruhig erzählten, 104 Minuten langen Film einzuspüren: Behutsam wird der Zuschauer mit Brady Blackburn (Brady Jandreau) bekannt gemacht, der im Pine Ridge Reservat in South Dakota seine furchterregende Narbe am Kopf im Spiegel betrachtet und sich erbricht. Beim Rodeo hat er sich schwer verletzt und einen Schädelbruch zugezogen. Der Rücken der Pferde ist für den vielversprechenden Rodeo-Reiter und einfühlsamen Pferdetrainer fortan tabu. Doch im amerikanischen Heartland definiert sich ein Mann tragischerweise nur darüber, wie gut er sich auf einem Pferd hält. Bradys alleinerziehender, spielsüchtiger Vater, gespielt von Bradys wirklichem Vater Tim Jandreau, und seine geistig behinderte Schwester (Bradys echte Schwester Lilly Jandreau) können ihm bei seiner Sinnkrise kaum helfen.

Auch seinen Freunden fehlen die Worte angesichts Bradys kaum zu ertragenden Schicksals. Obwohl sie einander in beinahe zärtlicher Freundschaft zugetan sind, fehlt den jungen Cowboys ein Gegenentwurf zum herrschenden Männlichkeitsideal. Wenn sie gemeinsam am Lagerfeuer sitzen und Brady hilflos davor warnen, seinem Handicap nachzugeben, dankt man innerlich der feinfühligen Regisseurin: Ihr gelang es mit den – gelegentlich zwar ein wenig steif wirkenden – Laiendarstellern so zu arbeiten, dass sie auf subtile Weise am zynisch-raubeinigen Westernheld-Image kratzen und dem Zuschauer das Gefühl geben, einem Film zu folgen, der an Wahrhaftigkeit kaum zu überbieten ist.

Hervorzuheben ist besonders das nuancierte Spiel von Hauptdarsteller Brady Jandreau, der fast alles, was in dem Neo-Western geschieht, am eigenen Leibe erlebt hat. Dies spürt man in jeder Einstellung des zu Recht mit dem Werner-Herzog-Preis und dem Art Cinema Award 2017 in Cannes ausgezeichneten Films. Der seelisch gebrochene Rodeo-Reiter, der stur an seinen Träumen festhält, ist dem Zuschauer so nah, dass man den beinahe dokumentarisch anmutenden Film wohl kaum ohne Taschentuch durchsteht. So als würde einem ein guter Freund seine traurige Geschichte erzählen.

The Rider – Mi. 19.05. – ARTE: 22.45 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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