"Theresa Wolff – Waidwund": Mörder jagt seine Opfer durch den Wald
Zweiter Fall der Forensikerin Theresa Wolff im ZDF: Sie wird mit einem besonders brutalen Mörder und ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert.
Thüringen, sang Liedermacher Rainald Grebe einst, sei "eines von den schwierigen Bundesländern. Denn es kennt ja keiner außerhalb von Thüringen". Lange galt dies auch für die hiesige TV-Landschaft – genauer gesagt für die Regionalkrimilandkarte, die im Norden und Süden dank zahlreicher Ostsee- bis Bayern-Krimis gut gefüllt scheint, im "Grünen Herzen Deutschlands" jedoch eine klaffende Lücke aufweist. Rühmliche Ausnahme bildete zwischendurch der Weimar-"Tatort", der jedoch ebenso eingestellt wurde wie zuvor der nach nur zwei Episoden gescheiterte "Tatort" aus Erfurt. Die Fahne des mitteldeutschen Bundeslandes im beliebten Landschaftskrimigenre hochzuhalten, bleibt nun also an der erst Ende 2021 gestarteten ZDF-Reihe "Theresa Wolff" hängen. Im zweiten Film "Waidwund" ermittelt sich die titelgebende Rechtsmedizinerin aus Jena humorvoll durch Optik-Betriebe, düstere Wälder, Wende-Erinnerungen und andere Thüringen-Bilder.
War die von Nina Gummich gespielte Forensikerin in der ersten Episode in die alte thüringische Heimat zurückgekehrt und gleich ins kalte Wasser geworfen worden, wird sie im zweiten Fall nicht nur mit einem brutalen Mord, sondern auch mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Das ist genretypisch ebenso wohlbekannt wie das ordentliche Maß an Verschrobenheit, mit dem das Drehbuch seine Hauptfigur ausstattet. Mit Leidenschaft untersucht Wolff ihre Leichen – so auch jene des Mannes, der tot im Bismarckbrunnen am Jenaer Marktplatz aufgefunden wird. Öffentlich ausgestellt, getötet jedoch an einem anderen Ort. Wolff ist mal wieder schneller am Fundort als Ermittler Ceyhan Topal (Sahin Eryilmaz) und der neue Hauptkommissar Bruno Lewandowski (Aurel Manthei), der den leider nicht mehr an der Reihe beteiligten Thorsten Merten ersetzt. Die Begrüßung zwischen der Rechtsmedizinerin und dem aus Hamburg zugezogenen Neuen ist jedenfalls herzlich: "Und Sie sind? " -"Lewandowski" – "Der Fußballer?" – "Ja, der Fußballer." – "Dann sind Sie hier falsch".
Die Opfer waren Wendegewinner
Nachdem die ersten Konflikte geklärt sind ("Müssen wir hier vielleicht mal die Kompetenzen klären?") vermuten die Ermittler, dass das Opfer aus Rache umgebracht worden sein könnte. Schließlich galt der Getötete nicht nur als Wendegewinner, sondern hatte in den 90er-Jahren aus einem volkseigenen DDR-Kombinat ein Optik-Unternehmen gemacht – und dieses schließlich gemeinsam mit seinen drei Kompagnons in den Ruin getrieben. Die vier Profiteure scheffelten die Millionen, die Verlierer hingegen litten wie so viele Ostdeutsche in dieser oft schmerzvoll erlebten Nachwendezeit. Als ein zweiter der einstigen Chefs ums Leben kommt, scheint das Motiv klar.
Eine Spur von damals führt die beiden Kommissare, die sich so manchen Kommentar über die thüringische Provinzialität nicht verkneifen können ("Jena ist nicht wie Hamburg, die eine Hälfte ist im Urlaub, die andere ist krank"), zu Bodo Zoch (Horst Kotterba). Der wollte die Arbeitslosen einst rächen ("Die ganzen Wessis, die sich das Volkseigentum gekrallt haben"), kam ins Gefängnis und ist heute wieder frei. Hat er etwas mit den aktuellen Morden zu tun?
Theresa Wolffs Begutachtung der Leichen zeigt: Die Opfer wurden durch den Wald gejagt – und per Fangschuss getötet. Nicht nur das: Die Rechtsmedizinerin erkennt die Männer, die früher mit Wolffs inzwischen verstorbenem Vater – ein Förster – auf die Jagd gegangen waren. Trotz ihrer verschwommenen Erinnerungen an die 90er-Jahre, die sie nur als Kind erlebte, macht die eigenwillige Forensikerin, was eigensinnige Forensikerinnen im deutschen Krimi so machen: Sie begibt sich selbst auf die Suche nach dem Täter, ohne ihre Kommissarskollegen zu informieren. Nicht unbemerkt bleibt dies allerdings von Praktikantin Emma Meissner (Precious Wiesner). Aus dem klassischen Whodunit wird langsam ein persönlicher Blick auf die Familiengeschichte – und die noch lange nicht überwundene Abwicklung der DDR nach der Wende. Auch dem zweiten "Theresa Wolff"-Krimi gelingt es, gut recherchierte Hintergrundgeschichten mit lakonischen Dialogen, Spannung und regional gefärbtem Augenzwinkern zu verbinden.
Thüringen dürfte neben "Theresa Wolff" bald übrigens eine weitere Regionalkrimireihe erhalten – und damit auf der TV-Landkarte wieder ein wenig präsenter werden: Das Erste plant unter dem Titel "Auge um Auge" einen neuen Erfurt-Krimi. In der ersten Folge sollen die Wartburg und der Thüringer Wald im Mittelpunkt stehen – gedreht wird noch bis Ende Mai.
Theresa Wolff – Waidwund – Sa. 07.05. – ZDF: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH