"Toubab": Auf der Suche nach einer Zukunft
Florian Dietrichs "Toubab" lief mitten in der Pandemie in den Kinos. Trotz der damaligen Einschränkungen ist er gerade fürs jüngere Publikum einer der wichtigsten deutschen Filme der vergangenen Jahre. Das ZDF zeigt den Film als Wiederholung in der Sommerreihe "Shooting Stars".
Abschiebung, Diskriminierung, Rassismus – es gibt viele Filme, in denen diese Themen aufgegriffen werden. Dass man solche Stoffe auch mit Humor erzählen kann, beweist Regisseur Florian Dietrich mit seinem Spielfilmdebüt "Toubab" (2021), welches vor wenigen Monaten auf ARTE Free-TV-Premiere feierte. Nun zeigt das ZDF die absolut sehenswerte und von Kritikern hochgelobte Komödie als Wiederholung in der Sommerreihe "Shooting-Stars".
Nach zwei Jahren wird Babtou (Farba Dieng, "Cortex") endlich aus der Haft in Frankfurt entlassen und kann sein Leben genießen. Er ist in einer Frankfurter Sozialbausiedlung aufgewachsen, und obwohl er nicht viel besitzt, wartet draußen etwas Kostbares auf ihn: seine Freiheit. Empfangen wird er von seinem besten Freund Dennis (Julius Nitschkoff, "Gestern waren wir noch Kinder"), der den Kleingangster mit seinem Auto abholt. "Diggah, wie geht's dir, Mann?", wird Babtou von Dennis begrüßt. Voller Freude liegen sie sich in den Armen. Beide kennen sich schon seit 20 Jahren und haben schon einiges erlebt. Nun kann Babtou seine Zeit in der Zelle hinter sich lassen. Oder, um es in dem Slang der beiden Männer zu sagen: "Weg von dem Scheißladen!"
Kaum fahren die Jungs Richtung Freiheit, wird Babtou von seinen weiteren Freunden begrüßt. Mit ihren Autos blockieren sie die Straße und empfangen ihren "Bruder" herzlich. "Der Babo ist zurück!", schreit einer. Sofort wird die Musik aufgedreht und eine Flasche zum Anstoßen rausgeholt. "Könnt ihr diese Scheiß-Kreuzung mal freimachen?", schreit ein Autofahrer. "Was los mit dir?", entgegnen die Jungs nur und feiern weiter. Sie richten sich lieber nach ihren eigenen Regeln.
Alles hat ein Ende
Doch als Babtou die Polizeisirenen hört, bekommt er Panik. Er ist nur auf Bewährung und kann sich Stress mit den "Bullen" nicht erlauben. Mit Dennis versucht er seine Kumpels zu beruhigen, doch das interessiert sie nicht. Erst als ein Streifenwagen auftaucht, erkennen sie den Ernst der Lage. Als Dennis von einem Polizisten auf den Boden gedrückt wird, sieht sein Kumpel rot und schubst den Beamten gegen ein Auto.
Sofort wird der Vorbestrafte aufs Revier gebracht. "Wir haben uns ja schon lange nicht gesehen", begrüßt ihn dort einer sarkastisch. Der junge Mann habe es sich lange genug "gutgehen lassen", meint Horst Ruppert (Michael Maertens), Ermittler der Ausländerbehörde. Doch irgendwann habe eben auch "die schönste Party" ein Ende. Statt seinen Pass bekommt er von Rupperts Kollegin Astrid Zeug (Valerie Koch) eine "Grenzübertrittbescheinigung". Babtou soll in sein "Heimatland" Senegal abgeschoben werden, obwohl er seit 25 Jahren in Frankfurt lebt und dort aufgewachsen ist.
Für Babtou bleibt nur eine Möglichkeit: Er muss eine deutsche Staatsbürgerin heiraten, um in Deutschland bleiben zu können. Oder einen deutschen Staatsbürger. Als der Vorstadtgangster nur auf Gelächter bei seinen ehemaligen Verflossenen stößt, macht er Nägel mit Köpfen und hält um die Hand seines besten Freundes an. Etwas überrumpelt sagt Dennis zu. Doch das war erst der Anfang, denn die Männer wissen nicht, welche Hürden sie erwarten. Eine davon ist Babtous schöne Nachbarin Yara (Seyneb Saleh) – und die Diskriminierung, die die Jungs als schwules Paar am eigenen Leib spüren.
Nach wahren Begegnungen
Regisseur Florian Dietrich lässt in dem Film Erfahrungen aus seinem Leben einfließen. "Zusammen mit Co-Autor Arne Dechow habe ich in der JVA in Wiesbaden immer wieder Theater- und Kunstprojekte gemacht", erklärte er 2021 bei einem Interview mit "der Freitag". "Die Idee zu 'Toubab' ist aus den Begegnungen mit den jungen Gefangenen im Vollzug entstanden, mit denen wir an den Projekten zusammengearbeitet haben." Einigen drohte die Abschiebung, obwohl sie in Deutschland zur Welt kamen. Tatsächlich wurden einige nach ihrer Haft abgeschoben. Die Komödie darf als Hinweis auf diese Ungerechtigkeit verstanden werden.
Dass Dietrich in seinem Debütfilm eine wichtige Botschaft verpackt, steht außer Frage. Der Film überzeugt auf ganzer Linie, hat aber einen bitteren Beigeschmack. Hin und wieder bleibt einem auch das Lachen im Hals stecken: Denn obwohl Babtou und Dennis einen guten Kern haben, werden sie von ihren Mitmenschen in die Schublade des Vorstadtgangsters gesteckt. "Als weißer Regisseur und Cis-Mann bin ich nicht von struktureller Diskriminierung betroffen und teile viele Erfahrungen der Figuren in 'Toubab' nicht. Umso wichtiger ist es für mich, radikal zuzuhören", erläuterte der Regisseur im Interview.
"Toubab" erzählt von der Chancenlosigkeit vieler Jugendlicher aus sogenannten prekären Milieus und davon, dass manche schnell durchs Raster fallen und von der Gesellschaft im Stich gelassen werden. Dabei, so das eindeutige Plädoyer dieses Films, sollte man ihnen die Hand reichen und Perspektiven aufzeigen. Auch die Diskriminierung, die queeren Personen immer noch widerfährt, wird thematisiert. "Ich greife bestehende Bilder, Klischees und Fantasien auf, in der Absicht, mit ihnen umzugehen und um Zwischentöne und heftige Brüche zu erzählen", so Dietrich.
Authentisch und vielfältig
Dass der Film wirkt, hat einiges mit Authentizität zu tun. Der Slang und die gesprochenen Fremdsprachen, wie Türkisch und Französisch, sind charakteristisch. Ebenso echt sind die Drehorte. Unter anderem wurde in einer Plattenbausiedlung in Darmstadt-Kranichstein und einer Werkstatt in Frankfurt gedreht.
Übrigens: Der Name Babtou ist Back Slang, eine kodierte Sprache, in der das geschriebene Wort phonemisch rückwärts gesprochen wird. In diesem Fall bezieht er sich auf den Filmtitel, der übersetzt "Weißer Mann" oder "Der Weiße" heißt. "Toubab" überzeugte das Publikum und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Unter anderem wurden Dieng und Nitschkoff für ihr Engagement als beste Newcomer beim Bayerischen Filmpreis 2021 geehrt.
Toubab – Mo. 28.08. – ZDF: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH