"Unsere Mütter – unsere Großmütter"

Frauen im Zweiten Weltkrieg waren nicht nur Opfer

von Eric Leimann

Die ZDF-Doku "Unsere Mütter – unsere Großmütter. Frauen im Krieg" greift vor allem auf private Aufnahmen zurück, um die Rolle von Frauen während des Nazi-Regimes zu beleuchten.

Die von den Nazis angedachte Rolle der Frau war eindeutig. Bis zum Kriegsbeginn sollte die weibliche Bevölkerung für Kinder und ein schönes Wohlfühlzuhause für den deutschen Mann dienen. Als jedoch ab Herbst 1939 immer mehr Männer an die Front gerufen wurden, mussten Frauen ihre Leerstellen füllen: Familienentscheidungen treffen, Geschäfte weiterführen und im Kriegsverlauf immer mehr Aufgaben in Militär und Sanitätsdienst übernehmen: Rund 500.000 Frauen dienten als Wehrmachtshelferinnen, 400.000 als Krankenschwestern beim Roten Kreuz. Im Gegensatz zu anderen Dokumentationen über Frauen im Zweiten Weltkrieg greift der 45 Minuten lange Film "Unsere Mütter – unsere Großmütter. Frauen im Krieg" (ZDF, Sonntag, 30. Mai, 23.45 Uhr, ab Samstag, 29. Mai, in der ZDF-Mediathek) vor allem auf private Filmaufnahmen statt auf Nazi-Propagandabilder zurück.

Die Autoren Anja Greulich und Kai Jostmeier erzählen fünf Familiengeschichten, in denen jeweils ein Protagonist oder Nachkomme seine Erinnerungen teilt. Einige der Frauen von damals haben ihren Alltag mithilfe von Tagebüchern und oft auch faszinierenden privaten Filmaufnahmen festgehalten. Zum Beispiel Lona von Lieres, adlige Gutsherrin aus Oberschlesien und überzeugte Nationalsozialistin, die durch den Krieg nicht nur ihre Überzeugungen, sondern auch den ältesten Sohn, das Leben auf Schloss Golkowitz und die Heimat verlor.

Ebenso fleißig gefilmt wurde in der Familie von Ilse Schünemann aus Meerane. Die fünffache Mutter und Arztfrau war eine besonders überzeugte Nationalsozialistin. Als der Krieg ausbricht, ist es für sie selbstverständlich, dass ihre drei Söhne an die Front ziehen. Das Ende vom Lied: Zwei von ihnen fallen, und als der Krieg verloren ist, nimmt sich Ilse Schünemann das Leben – und tötet auch ihre Töchter Heidi und Andrea.

Widerstandsgruppe "Onkel Emil"

Nicht gefilmt, aber fotografiert und in lebendig geschriebenen Tagebüchern festgehalten wurde das Leben von Ruth Andreas-Friedrich aus Berlin. Die geschiedene Journalistin, Lebefrau, Hitlergegnerin und alleinerziehende Mutter schart eine Gruppe Gleichgesinnter um sich, die sich "Onkel Emil" nennt und jüdischen Verfolgten hilft. Die Widerstandsgruppe wird nie entdeckt, daher kann eine Enkelin erzählen.

Erika Ohr, Schäferstochter aus dem Hohenloher Land, gehörte zu den vielen Frauen, die sich freiwillig zum Kriegseinsatz melden. Die betagte Zeitzeugin erzählt von Einsätzen und traumatischen Erlebnissen, während Luise Stieber aus Stuttgart, die die Gärtnerei ihres Mannes weiterführte und zwei Kinder alleine großzog, Briefe an ihren Mann Paul schrieb – der seit 1943 als vermisst galt und nie zurückkehrte. Der damals kleine Sohn von Luise Stieber erinnert sich an das Leben seiner Mutter und die eigene Kindheit.

Neben der Faszination privater Bilder und fesselnder Geschichten von fünf Familien leistet die sehenswerte Dokumentation aus der Redaktion ZDF History noch etwas anderes: Sie erweitert das Frauenbild jener Zeit über das der emsigen, aber von eigenen Entscheidungen befreiten Helferin. "Die Rede von den Frauen als Opfer des Krieges ist natürlich nicht falsch, aber sie ist nur eine Seite des Bildes", sagt Historikerin Franka Maubau. "Sie ist genau die Seite des Bildes, an die man nach 1945 anknüpfen wollte – und auch konnte. Man konnte sich auf das klassische Bild der Frau als Opfer des Krieges zurückziehen." Dass dieses Bild ein durchaus unvollständiges war, zeigt die Dokumentation "Unsere Mütter – unsere Großmütter. Frauen im Krieg" durchaus eindrücklich.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren