Doku im BR

"Walchensee Forever": ein berührendes Familienporträt

09.11.2022, 08.32 Uhr
von Wilfried Geldner

Mithilfe vieler Archivfilme und Fotografien erzählt Regisseurin Janna Ji Wonders die Geschichte von vier Frauen aus vier Generationen am bayerischen Walchensee.

BR
Walchensee Forever
Dokumentation • 09.11.2022 • 22:45 Uhr

Als "Suchen nach den eigenen Wurzeln, nach vererbten Sehnsüchten und Traumata" beschreibt die Regisseurin Janna Ji Wonders ihren anderen Heimatfilm. "Walchensee Forever" (2020) ist geprägt von der Sehsucht nach Glück. Weite Teile leben von Dialogen: Jannas Mutter Anna gibt Auskunft über ihr Leben und das ihrer Familie. Die Erinnerungen führen zurück in die Kindheit und Jugend am Walchensee, der offensichtlich immer eine Art Energiequelle für die Familie war. Dort hat die Urgroßmutter Apa vor 100 Jahren ein Ausflugscafé am Ufer gegründet, das noch heute besteht. Die betagte Großmutter Norma wiederum spielt mit im Film, er begleitet sie bis zu ihrem Tod, mit 105.

Es ist die Geschichte der beiden Schwestern Anna und Frauke, der Jüngeren, die sich irgendwann das Leben nahm. Einst zogen sie zusammen vom Walchensee fort nach Mexiko, später weiter nach San Francisco. Sie hatten starke, schöne Gesangsstimmen und suchten ein anderes Leben. Sie wollten aus der Enge des Dorfes heraus. Frauke war schon immer die Mutigere gewesen, die ihren Träumen folgte, so berichtet Anna in ruhigen, überlegten Sätzen, immer von rückhaltloser Offenheit geprägt. Die Fotos der Schwestern, die Sängerinnen mit Hackbrett und Gitarre in ihren bestickten Kostümen, wirken geradezu suggestiv. Sie stammen aus einer anderen Zeit, die entfernt wirkt wie eine Ewigkeit.

Ach ja, die Männer. So gutmeinend sie waren – sie standen immer ein wenig im Weg. Ob sie nun Jazon Wonders hießen, wie Jannas Vater, ein Maler, den der Krieg verstörte und der den Walchensee verließ, oder Rainer Langhans, der nach – wie er erzählt – beglückender 68er-Zeit der Politik abschwor und sich buddhistischer Meditation und Askese zuwandte. Die Träume, die die Schwestern hatten – sie sind in authentischen Briefen und Tagebüchern belegt -, konnten sich in ihrer Rigorosität nicht erfüllen. Die Männer wirkten auf sie vor allem durch Strenge und Dominanz.

Männer- und Frauenwelten prallen in Bildern der Erinnerung aufeinander, gescheite Sätze fallen. Was ist Heimat? – "Heimat ist nicht von dieser Welt", sagt Anna, Jannas Mutter, gegen Ende des Films, "Heimat ist im Herzen." Die Fülle des Film- und Fotomaterials, eine spät geöffnete Schatztruhe, die Janna im Haus am Walchensee entdeckt hat, überlagert manchmal die gesprochenen Erinnerungen. Doch die Fotografie, kunstvolle Bilder, sind in der Familie schon immer ein Thema gewesen. So verschränken sich die Zeiten – die verschiedenen Vergangenheiten und das Jetzt. Man sieht den dunklen Walchensee durch die Fenstertüre, wenn die Mutter vom Tod der rührend gepflegten Großmutter erzählt. Ihr Bericht von der "großen Reise" ist ein eindrucksvolles letztes Bild. Aber dann kommt noch die Urenkelin, Jannas kleine Tochter, hinzu. Mit ihr schließt sich einstweilen der Kreis der Generationen.

Manchmal sehr rigoros wird im Film der Dialog – unter anderem mit der schwerhörig gewordenen Großmutter – gesucht. Ihn immer wieder fortzusetzen, das Gespräch zu suchen und zu finden im Fluss der Zeit, ist der wohl bewegendste Aspekt, den man diesem Film abgewinnen kann.

"Walchensee Forever" wurde 2020 mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet, er lief 2021 im Kino und wird nun im Rahmen der ARD-Themenwoche "Wir gesucht – Was hält uns zusammen?" vom Bayerischen Fernsehen am 09.11., um 22.45 Uhr, erstmals ausgestrahlt. Seit 7. November steht er in der ARD- und der BR-Mediathek zur Verfügung.

Walchensee Forever – Mi. 09.11. – BR: 22.45 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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