In seinem zweiten Film unter dem Siegel "Der gute Bulle" lässt Autor und Regisseur Lars Becker ("Nachtschicht") ein sehr prominentes Schauspieler-Ensemble im kriminellen Berliner Underground Räuber und Gendarm spielen. Sie tun dies furios, aber auch ein wenig erwartbar.
"Der gute Bulle" hieß 2017 eine neue Idee von Polizeifilmspezialist Lars Becker, der unter anderem seit 15 Jahren das ZDF mit der Reihe "Nachtschicht" versorgt. Becker, früherer Hamburger Kiezkneipen-Betreiber und langjähriger Szene-Spezialist, ist mittlerweile 65 Jahre alt. Seine Vorliebe für Halbwelt und authentische Straßenkultur bleibt jedoch bestehen. Wobei einem Beckers Storys öfter bekannt vorkommen. Wohl auch deshalb, weil sich im Leben – und auf der Straße / in der Gosse – so vieles immer wieder auf ähnliche Weise wiederholt.
In "Der gute Bulle – Friss oder stirb" soll der erfahrene Polizist Fredo Schulz (Armin Rohde) mit seinem jungen Partner Milan Filipovic (Edin Hasanovic) einen Verräter in den eigenen Reihen aufdecken. Drogenboss Hassan (Murathan Muslu) scheint immer ein bisschen zu gut informiert über die Schritte der Polizei im Berliner Bezirk Neukölln, als dass dies Zufall sein könnte. Schon zwei verdeckte Ermittler mussten dran glauben, offenbar wurden sie enttarnt. Klingt nach einem Himmelfahrtskommando für die junge Dealerin und Mutter Dakota (Almila Bagriacik), die sich auf einen Deal mit der Polizei einlässt, um früher aus dem Knast zu kommen. Ihr Auftrag: Unter polizeilicher Aufsicht wieder mit dem Dealen auf der Straße anzufangen, um früher oder später zur Quelle des Drogen-Nachschubs vorzudringen.
Unter den vielen Krimi-Spezialisten des deutschen Fernsehens ist Autorenfilmer Becker wohl derjenige, der sich am meisten für das "symbiotische" Zusammenwirken von Polizei und Verbrechen als antagonistische Parallelgesellschaften innerhalb des normalen Lebens interessiert. Bei seinen "Nachtschicht"-Filmen, deren 15. Folge "Es lebe der Tod" im letzten November lief wird dieses Zusammenspiel mit Humor betrachtet, bei anderen Filmen wie diesem hier geht es ernster zu. Beckers Arbeitshypothese lautet offenbar: Die einen kämpfen auf der guten, die anderen auf der schlechten Seite. Aber eigentlich suchen alle nur das Glück. Dazu ist jeder Mensch gleichermaßen anfällig für Schmerz und Versuchung, egal auf welcher Seite er steht. Die Folge: Nicht nur Verbrecher haben Alkohol- und Drogenprobleme, gescheiterte und definitiv ungesunde Beziehungen – den Polizisten geht es genauso. Doch auch wenn viele seiner "Bullen" korrupt sind, bei Becker schwingt auch stets eine große Romantik mit. "Schau mich an – du bist Bulle!", spricht Fredo Schulz eindringlich auf seinen jungen Partner ein, als der sein Gefühlschaos in Bezug auf seinen kriminellen Lockvogel offenbart. Leider kommen derlei "ewige Sätze" des Straßen-Krimis ein wenig zu oft vor, ebenso wie die Story wie ein oft gewendetes Versatzstück harter Cop-Thriller ist.
Tobe-Hüpfburg für begabte Schauspieler
Na klar, die Besetzung dieses Cop- und Gangster-Thrillers ist furios: Rohde, Hasanovic, dazu Sascha Alexander Gersak ("Gladbeck"), Michael Maertens und Nadeshda Brennicke auf "Bullenseite", während die Kieler "Tatort"-Kommissarin Bagriacik und Murathan Muslu, der bei Filmemachern gegenwärtig wohl beliebteste Bösewicht des deutsprachigen Fernsehens ("Carneval – Der Clown bringt den Tod"), die dunkle Macht geben. Natürlich macht es Spaß, diesem begabten Cast beim Spielen zuzusehen. Doch: Ein wenig überdreht ist das Ganze, wie meist bei Becker.
Würden sich Kriminelle im echten Leben so "gefühlsauthentisch" verhalten wie in dessen Filmen, sie würden wahrscheinlich umgehend verhaftet oder aus Sicherheitsgründen von den eigenen Leuten erschossen. Manchmal, so wie in den beiden brillanten Hamburger Polizisten-Filmen "Unter Feinden" (2013) und "Zum Sterben zu früh" (2015) mit Nicholas Ofczarek und Fritz Karl als korrupte Bullen-Buddies, verschmilzt die romantische Street Credibility Beckers mit berührenden menschlichen Erzählungen. Dann wieder, so wie in "Der gute Bulle", scheint sein mit viel Handkamera gefilmtes, mit Geschrei, Waffenfuchteln und "Zugriffen" gespicktes Fernsehen ein wenig wie eine Stilübung samt Tobe-Hüpfburg für begabte Schauspieler. Ob "Der gute Bulle" ein "Zweiteiler" bleibt oder eine lose Reihe wird, muss die Zukunft zeigen. Lars Becker, der seine Geschichten und Figuren gern mal in unkoventionellen Rhythmen erzählt, ist beides zuzutrauen.