Natur + Reisen, Tourismus
Norwegen am Limit - Urlauberflut im Norden
Norwegen statt Malle. Immer mehr Touristen reisen in den Norden, denn am Mittelmeer wird es im Sommer immer heißer. Droht dem Norden jetzt der Übertourismus? 2024 war mit fast 38,6 Millionen Übernachtungen für Norwegen ein Rekordjahr. Temperaturen von 18 bis 25 Grad, eine Vielzahl an Campingmöglichkeiten, Kulinarik, Kultur, Nightlife und einzigartige Wanderziele sind verlockend - aber der Ansturm birgt auch Konflikte. Bei Per Arne Haarr auf dem Campingplatz in Stavanger ist es in der Hauptsaison normal, dass er und sein Team ab dem frühen Nachmittag Touristen abweisen müssen. Reservieren kann man auf dem Platz mitten in der Stadt nicht. Auch deswegen sind Robert, Yvonne und Sohn Paul extra früh angereist. Die Familie aus dem Schwarzwald ist das zweite Mal in Norwegen. "Das erste Mal haben wir eine Tour mit dem Motorrad ans Nordkap gemacht", so Yvonne. Dieses Mal möchten sie die Hotspots im Süden erleben. Doch schnell zeigt sich, dort ist es mittlerweile um einiges voller als vor sechs Jahren. Einsamkeit in der Natur Norwegens sucht man hier vergebens. Wer Trubel mag, kommt aber in den Kneipenmeilen, der so genannten Fargegatan und an der Hafenpromenade, voll auf seine Kosten. Dazu kommen die Kreuzfahrtschiffe. Bis zu drei davon können in Stavanger gleichzeitig liegen und schwemmen so täglich tausende Touristen in die Stadt. Sehr zum Leidwesen von Anwohnern wie Knut und Ingrid. Sie wohnen in der Altstadt, dem so genannten Gamle Stavanger. Jeden Tag von Mai bis Oktober liegen Schiffe vor ihrer Haustür."Ich stehe morgens schon mit einem beklemmenden Gefühl auf", erzählt Ingrid. Die Schiffe direkt vor ihrer Haustür seien nicht nur schlecht für ihre Aussicht, sondern auch für die historischen Gebäude und ihre Gesundheit. Wie voll es wirklich werden kann, zeigt sich nur 40 Minuten von Stavanger entfernt. Hier liegt der Preikestolen - Beichtstuhl zu Deutsch. Der berühmte Fels ist auch das Ziel von Yvonne und Robert. Sie machen eine Tour mit Melanie Uhl. Die Deutsche lebt seit einem Jahr in Norwegen und läuft bis zu dreimal die Woche mit Touristen hier hoch. Die meisten kommen für das Foto am Rand des Felsens, der 604 Meter steil in den Fjord abfällt. Bei gutem Wetter ist Schlangestehen hier garantiert. Um das zu vermeiden, bietet Åsmund Bakke auf dem Folgefonna-Gletscher in Jondal nur Touren in kleinen Gruppen an. Trotzdem ist die Nachfrage in den letzten Jahren stark gestiegen. Für das Team um Åsmund ein Balanceakt, denn zum einen leben sie von den Touristen - zum anderen gefährdet ein starker Anstieg von Flug- und Schiffsreisen das Klima und somit den Gletscher. Die richtige Balance finden, ist auch das Thema von Bernt Hårvard Øyen. Er ist Direktor der Stiftung Bryggen in Bergen. Das historische Hafenviertel ist UNESCO Weltkulturerbe und einer der beliebtesten Orte in der Küstenstadt. Auch die Stadtführung von Martin Piehler endet in dem berühmten Viertel. "Im Juli ist es hier manchmal so voll, dass man kaum laufen kann", so Piehler. Und nicht alle benehmen sich respektvoll. Laut Øyen wird derzeit über Möglichkeiten der Besucherbegrenzung diskutiert. Über eine Besucherbegrenzung würde sich wohl mancher Anwohner in dem kleinen Städtchen Flåm am Aurlandsfjord freuen. Gerade an Tagen, an denen ein Kreuzfahrtschiff im Hafen liegt, wird aus dem 288-Seelen-Dorf das reinste Disneyland. Einer der Hauptgründe: die Natur und die Flåmbahn. Sie gilt als eine der schönsten Zugreisen der Welt und sorgt dafür, dass bis zu 450.000 Touristen nach Flåm kommen. Auch Yvonne, Robert und Sohn Paul sind deswegen hier. Doch ist das noch naturnahes, entspanntes Reisen? Die "ZDF.reportage" begleitet deutsche Camper und Touristen auf ihrer Reise durch Südnorwegen und zeigt, wie die Einheimischen den Touristenansturm erleben.