Atomkraftwerke, Korruption und betrügende Richter: Lenski und Raczek untersuchen im letzten "Polizeiruf 110" des Jahres den rästselhaften "Tod einer Journalistin" – und müssen sich dafür einem mächtigen Klüngel stellen.
Von wegen ruhiger Jahresabschluss: Der letzte "Polizeiruf 110" des ausgehenden Jahres sorgt mit einer aufregenden Melange aus Mordanschlägen, korrupten Richtern und Atomkraftwerkslobbyisten zwischen Weihnachten und Silvester nicht gerade für Entspannung. Ausgangspunkt für den politisch brisanten Krimi ist der "Tod einer Journalistin", so der Titel der RBB-Produktion, in der die Kommissare Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) wieder im deutsch-polnischen Grenzgebiet ermitteln. Die titelgebende Investigativ-Journalistin Anne Gerling (Antje Traute), die sich im Bereich von Umweltschutz-Recherchen einen Namen gemacht hatte, wird Opfer eines Mordanschlags.
Ungewöhnlich: Während der Zuschauer sieht, dass die junge Frau getötet wird, gehen die Ermittler zunächst davon aus, dass es sich um einen tragischen Unfall handelt, in dessen Folge die Journalistin einen tödlichen Genickbruch erleidet (ungewöhnlich in der Tat auch der harte Schnitt vom Genickbruch zum knackenden Kreuz des sich streckenden Kommissars). Dass mehr dahinter steckt, erfahren die Ermittler aus Frankfurt/Oder schon bald – nicht nur, weil die Radmuttern am Auto gelockert waren, sondern auch, weil die Tote in einer heiklen Affäre recherchiert hatte, die bis ins Zentrum der Macht reichte und bald vor Gericht verhandelt werden sollte.
Die Journalistin hatte illegale Machenschaften eines Energiekonzerns aufgedeckt, der ein Atomkraftwerk in Polen, nahe der deutschen Grenze, errichten will. Während dabei laut Gerlings Recherchen bei der Bauvergabe unter der Hand Absprachen im großen Stil betrieben wurden, wehren sich Umweltschützer und Anwohner gegen den Bau – und gehen bis vors polnische Gericht. Besonders brisant: Der zuständige Richter im Prozess, Lukasz Franczak (Maciej Stuhr), hatte augenscheinlich eine Affäre mit der Journalistin. Zudem finden Lenski und Raczek heraus, dass die Tote in der elften Woche schwanger war. Mit Hilfe ihres Vaters Eric (Max Herbrechter), ebenfalls ein ehemaliger Journalist ("Journalisten sind in Europa vogelfrei", warnt er, "zum Abschuss freigegeben"), stechen die Kommissare in ein Wespennest aus Klüngelei und Korruption.
Der "Polizeiruf 110: Tod einer Journalistin" behandelt in der Folge die ganz großen Themen: Es geht um Eifersucht und Liebeleien ebenso wie um Postengeschachere und die große Frage nach der Atomkraft. Denn: Aktuell ist die Diskussion um Atomkraftwerke in Polen tatsächlich im Gange, ab 2033 sollen die ersten Kernkraftwerke errichtet werden. Was aus hiesiger Sicht wie ein Rückschritt wirkt, ist in dem von Kohlekraftwerken jahrzehntelang verschmutzten osteuropäischen Land eine wichtige Debatte: "Wie man nach Fukushima nur ein Atomkraftwerk bauen kann ...", kritisiert Lenski an einer Stelle. Raczek entgegnet: "Wäre Ihnen ein Kohlekraftwerk lieber?"
Überhaupt werden die Atom-Debatten der letzten Jahre mit Verweis auf Gorleben, Fukushima und Co. immer wieder angeschnitten, etwa von der dubiosen Atomkraft-Beraterin und ehemaligen Anti-Atomkraft-Aktivistin Dr. Regine Arnim (die grandiose Julika Jenkins), die zu denken gibt: "Wenn ich mich an den Gleis ankette, kommt der Atommüll trotzdem nach Gorleben." Sie will daher lieber "das grüne Atomkraftwerk" errichten. Dass mehr als nur Debatten um die richtige Energieversorgung dahinterstecken, wird klar, als Richter Franczak gleich doppelt bedroht wird: Nickt er das Kernkraftwerk nicht ab, bekommt er von seinem "Freund", dem Staatssekretär, den begehrten Posten in Warschau nicht – und seine Frau ist in Gefahr.
Bei all den Verstrickungen in höchste Kreise geraten auch die beiden Ermittler bald ins Visier der Mächtigen – und geben sich ensprechend angespannter als gewohnt. Zeit für den ein oder anderen anblaffenden Spruch bleibt zwischen den beiden Kommissaren natürlich dennoch. Besonders das Geschlechterverhältnis ist Dauerthema – so dass sich Lenski gar genötigt sieht, ihren Kollegen zurechtzuweisen: "Oh Mann, Herr Radzek, ich glaube Sie leben im falschen Jahrhundert." So zegt der letzte "Polizeiruf" des Jahres ein weiteres Mal, weshalb das polnisch-brandenburgische Duo mit Recht als eines der beliebtesten Krimi-Teams hierzulande gilt.
Polizeiruf 110: Tod einer Journalistin – So. 29.12. – ARD: 20.15 Uhr