Tatort
06.06.2021 • 20:20 - 21:50 Uhr
Serie, Krimireihe
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Produktionsland
D
Produktionsdatum
2021
Altersfreigabe
12+
Serie, Krimireihe

Morden für eine Wohnung?

Von Eric Leimann

Wohnungsnot, Zwangsräumung, Gentrifizierung – ein gänzlich ungemütlicher Berliner "Tatort" mit Maskenpflicht erzählt aus dem Corona-Winter 2020/21. Welcher der Bewohner eines Kiez-Altbaus hat den Vermieter erschlagen und vom Balkon geworfen?

Der Juniorchef einer Immobilienfirma, Cem Ceylan (Murat Dikenci), liegt tot vor einem seiner Mietshäuser. Kurz zuvor fand dort eine Zwangsräumung statt. Busfahrer Otto Wagner (Peter René Lüdicke) musste mit seiner Familie in eine Obdachlosenunterkunft umziehen – für etwas anderes fehlte der Familie das Geld. Dabei haben alle Bewohner des Berliner Kiez-Altbaus mit dem Druck des Familienunternehmens Ceylan zu kämpfen. Die Firma will sämtliche Wohnungen luxussanieren – und danach gewinnbringend als Eigentumswohnungen verkaufen. Alle bedrohten Altmieter kommen theoretisch als Mörder infrage: die junge Familie Malovcic, die Nachwuchs erwartet, die alte Frau Kirschner (Friederike Frerichs), die schon fast 60 Jahre im Haus lebt, und die alleinerziehende Jenny Nowack (Berit Künnecke). Dazu kommen Dries Vandenbroucke (Tijmen Govaerts), der mit seinen "Mietrebellen" in den sozialen Netzwerken gegen Miethaie kämpft und natürlich Busfahrer Wagner.

Die Ermittler Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker in ihrem vorletzten Auftritt als "Tatort"-Kommissarin) beginnen an einem kalten Tag während der zweiten Corona-Welle im Spätherbst 2020 mit ihrer Arbeit. Das trüb-fiese Wetter während des Drehs könnte die Not jener Menschen, die neben ihrer ersten Haut, der zweiten (Kleidung) eben auch die dritte (Wohnung) zum Überleben brauchen, kaum plakativer bebildern.

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Zu dem von Katrin Bühlig geschriebenen Drehbuch – sie verfasste bereits den tollen Bremer Pflegenotstand-"Tatort: Im toten Winkel – fand der niederländische Regisseur Norbert ter Hall fast schon dokumentarische Bilder. In seinem Wohnungs-Notstands-"Tatort" verfolgen Handkameras Menschen durch Berliner Altbauwohnungen, man trägt tatsächlich Maske und erkennt damit – eine Ausnahme im deutschen Fiction-Fernsehen – die Corona-Realität an. Zwischen den Spielszenen werden mehrfach Porträtfotografien echter Menschen gezeigt, die ihre Wohnung verloren haben. Schrifttafeln erklären, wer sie sind und aus welchen Gründen sie obdachlos wurden. Der "Tatort" als Agitprop-Film.

Ein Corona-Winter-Tatort zum Sommerbeginn

Nach Dietrich Brüggemanns klugem Stuttgarter Beitrag "Das ist unser Haus" vom Januar 2021, ist "Die dritte Haut" bereits der zweite "Tatort" in diesem Jahr, der das Wohnen der Deutschen untersucht. Jedoch mit gänzlich unterschiedlichem Ansatz. Während der spätere #allesdichtmachen-Aktivist Brüggemann eine Satire über alternative Lebens- und Wohnmodelle aus dem Stuttgarter Akademiker-Speckgürtel erzählte, geht es in Berlin ans Eingemachte – in Form einer kämpferischen Sozialstudie.

Tatsächlich ist der halbdokumentarische Stil des letzten "Tatorts" vor der Sommerpause der große Pluspunkt des Films, auch wenn das Maske-auf-Maske-ab der Darsteller hier und da ein wenig sinnfrei wirkt. Trotzdem trägt das Anerkennen des Pandemie-Alltags wie auch die Einbindung echter Obdachloser in den Dreh dazu bei, dass ein gewisses Beklemmungsgefühl beim Zuschauen entsteht – welches wiederum die Sensibilität fürs Thema erhöht

Ebenfalls mutig: die Vermieter sind eine Unternehmer-Familie mit türkischen Migrationshintergrund. Patriarchin Gülay Ceylan (stark: Özay Fecht), die Chefin der Immobilienfirma, ihre Tochter Yeliz Dahlmann (Sesede Terziyan) und ihr Mann Thomas (Florian Anderer) werden in ihrer Ambivalenz zwischen unternehmerischer Ambition und Gewissensbissen einigermaßen ehrlich ausgeleuchtet – auch wenn sie natürlich letztlich "die Bösen" bleiben. Aber dürfen Migranten nur dann in Deutschland aufsteigen, wenn sie politisch-korrekte Geschäftsmodelle verfolgen? Die klischeehafte Dichotomie zwischen Migranten-Gangsterclans und nett-harmlosem Gemüsehändler durchbricht dieser "Tatort" immerhin mutig, auch wenn der Kriminalfall im Kern hier und da ein bisschen konstruiert wirkt.

Im April kassierte das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel – ein Gesetz, das die exorbitanten Mietsteigerungen und das Verschwinden bezahlbaren Wohnraums in der deutschen Metropole eindämmen sollte. Der Kapitalismus ließ sich – auch von Gesetz wegen – nicht aufhalten. "Die dritte Haut" ist ein "Tatort", der die Probleme kleiner Leute vor großem Publikum in Szene setzt. Er tut dies drastisch, mitunter plakativ, aber auch mit dem Mut zum einen oder anderen politischen Statement. Ein winterlich ungemütlicher "Tatort"-Ausklang für die Deutschen, die nun mehrheitlich von einem Sommer träumen, der die Corona-Zeit vergessen lässt. Dass man nicht völlig vergisst, wie hart das Leben auch sein kann, dafür sorgt dieser Film kurz vor einer eskapistischen Fußball-EM, die fünf Tage nach dem Corona-Winter-Obdachlosen-Tatort beginnt.

Tatort: Die dritte Haut – So. 06.06. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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