Der unterhaltsame "Tatort: Lenas Tante" leuchtet ein neues biografisches Kapitel der Ludwigshafener Ewig-Kommissarin Odenthal aus. Ihre 80-jährige Tante (Ursula Werner) kommt zu Besuch. Die pensionierte Staatsanwältin interessiert sich offenbar für eine Mordermittlung im Altenheim.
Autor Stefan Dähnert, der für Lena Odenthal schon die zeitlich ein halbes Leben umspannenden "Tatort"-Liebesgeschichten "Tod im Häcksler" (1991) und "Die Pfalz von oben" (2019) schrieb – beide mit Ben Becker – fügt mit seinem neuen Buch "Lenas Tante" der Biografie seiner Heldin ein weiteres Essenz-Kapitel hinzu: Lenas 80-jährige Tante Niki Odenthal (Ursula Werner) rollt mit dem Zug an, um endlich mal ihre Nichte in Ludwigshafen zu besuchen.
Man merkt schnell: Lenas Souveränität leidet sichtbar, wenn die resolute Dame auftaucht. In dieser Beziehung steckt viel Vergangenheit – und sie steht durchaus unter Spannung. Diese wird in der Frauen-WG auf Zeit, Lenas Wohnung, nicht geringer, als die pensionierte Staatsanwältin und Tante sich auffällig unauffällig für den neuen Fall ihrer Nichte interessiert: Altenheim-Bewohner Herrweg war zwar schon über 90, dennoch sollte man den alten Knaben natürlich nicht feuerbestatten, solange er noch lebt.
In einer sehr stimmungsvollen Anfangssequenz, exemplarisch für die schön geschossenen Bilder dieses Krimis (Regie: Tom Lass, Kamera: Michael Merkel), begleitet man den Weg eines Sarges zur Einäscherung. Als die Flammen das Holz erfassen, sieht man das erschrockene Gesicht des Anlagen-Operateurs: Kam da nicht eben ein Arm aus dem Sarg? So oder so – Herrweg überlebt die Verbrennung nicht. Tatsächlich wird festgestellt, dass der Senior zuvor wohl stark sediert, aber eben nicht tot war. Kommissarin Johanna Stern (Lisa Bitter) befragt den knuffigen Arzt Dr. Roters (Johannes Dullien), der den Totenschein – fälschlicherweise? – ausstellte. Blöd nur, dass da eine gewisse amouröse Spannung zwischen den beiden Fachkräften im Raum zu stehen scheint.
So leichtfüßig und dennoch mit Tiefgang wie in "Lenas Tante" erlebt man die beiden taffen Ermittlerinnen aus Ludwigshafen selten. Dass die amourösen und – im Falle Lenas – biografischen Anekdoten ein durchaus rundes und auch rührendes Bild abgeben, dafür gehört Autor Stefan Dähnert ein großes Lob. Auch den Schauplatz Altenheim, in dem betagte Mimen wie Dieter Schaad (im wahren Leben 96 Jahre alt) und Rüdiger Vogler ("erst" 80) groß aufspielen dürfen, fängt der Krimi in würdevollen, durchaus ungewöhnlichen Sequenzen ein. Durch die Augen der empathischen Pflegerin Simona Ferizaj (Maja Zeco) erfährt man sowohl von Härten und Tristesse des Pflegebetriebes, als auch von dessen menschlicher Seite.
"Lenas Tante" schafft einen schwierigen erzählerischen Spagat, der nicht jedem Krimi gelingt: Über 90 Minuten wird mit leichter Hand eine anrührende Geschichte erzählt. Biografische Erzählbögen lange eingeführter Figuren werden mit denen neuer Figuren stimmig verbunden. Und dann werden da auch noch Familiengeschichten durchaus geschickt mit deutscher Geschichte verknüpft. Die meisten – weniger gut geschriebenen – Drehbücher würden über die knappe Schauzeit von 90 Minuten wohl schon mit der Hälfte des hier genannten Inhaltspaketes scheitern.
Viel Glück möchte man auch der (eventuell) aufkeimenden Romanze zwischen der gertenschlanken Ermittlerin Stern und dem pummeligen Nerd-Arzt wünschen. Johannes Dullien spielt den männlichen Part dieses irgendwie besonderen "Love Interests" mit einer wurschtigen Authentizität, die man sich bei in Film und Fernsehen dargestellten Liebesgeschichten viel öfter wünschen würde. Alles in allem ist "Lenas Tante" einer der besten Odenthal Fälle seit längerer Zeit. Ein Krimi-Volltreffer, der vor allem mit der Menschlichkeit und Nahbarkeit der neuen Lebensballaden aus Ludwigshafen zu tun hat.
Tatort: Lenas Tante – So. 22.01. – ARD: 20.15 Uhr