Smarthomes und andere technische Gadgets können das Leben erleichtern. Sie können es aber auch zur Hölle machen, wenn sie außer Kontrolle geraten – oder jemand anders ebendiese übernimmt. Das muss Emily Cox im verstörenden Psychothriller "Unsichtbarer Angreifer" am eigenen Leib erfahren.
Höher, schneller, weiter: Die Ansprüche, nicht zuletzt die eigenen, haben mittlerweile ein Level erreicht, das für viele kaum mehr zu stemmen ist. Technische Helfer können da ein wahrer Segen sein. Auch für die Psychotherapeutin Emma Turgut (Emily Cox) im ZDF-Psychothriller "Unsichtbarer Angreifer". Fast ihr komplettes Privat- und Berufsleben wird von technischen Gadgets am Laufen gehalten. Mit Ehemann Amir (Denis Moschitto), der sein Geld mit Smart-Tech-Marketing verdient, und ihrem Teenagersohn Malik (Eren M. Güvercin) lebt sie in einem beeindruckend ausgestatteten Smarthome. Eine App erinnert sie zudem an Termine, mit einer anderen bedient sie Jalousien, Licht und Temperatur, eine Smartwatch misst ihren Blutdruck und schlägt schon mal lautstark Alarm, wenn sie sich zu sehr stresst. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Seit dem Selbstmord einer Patientin wird Emma von Schuldgefühlen gequält, da sie verhindert war, als die Frau ihre Hilfe benötigte. Um zukünftig mehr Zeit zu haben und noch mehr Patienten behandeln zu können, hat Emma mit Amirs Freund und Kollegen Georg (Golo Euler) die App "Mood Place" für ein KI-begleitetes Therapieprogramm entwickelt. Doch gerade als die Arbeit damit anläuft, geschehen seltsame Dinge, sowohl in Emmas Smarthome als auch in ihren Apps. Sie scheinen verrückt zu spielen, machen Fehler, fallen aus – und bringen Emma schließlich sogar in Lebensgefahr. Hat sich jemand in ihre Technik und damit in ihr Leben eingehackt und nun die volle Kontrolle darüber? Emma fühlt sich beobachtet und verfolgt, ein ungeahnter Albtraum beginnt.
2003 veröffentlichte das Amerikanische Filminstitut eine Liste mit den 50 größten Filmbösewichtern. Auf Platz 13 schaffte es HAL 9000, der mit KI ausgestattete Bordcomputer des Raumschiffs Discovery One in Stanley Kubricks Meisterwerk "2001: Odyssee im Weltraum", der plötzlich ein Eigenleben entwickelt und zum mörderischen Schurken wird. Was damals, 1968, noch wie ein rein fiktives Zukunftsszenario schien, wirkt heute nicht mehr ganz so abwegig. In seiner 2021 verfilmten Kurzgeschichte "Das Haus" beschrieb der aktuelle "Spiegel"-Chefredakteur und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit, wie sich ein Smarthome selbstständig macht und seine Bewohner terrorisiert. Auch hier allerdings als, wenn auch nahes, Zukunftsszenario im Jahr 2029 angelegt.
Der ZDF-Film "Unsichtbarer Angreifer" dagegen spielt in der Gegenwart, und das macht ihn so verstörend. Genau das war auch das Ziel von Drehbuchautor Willi Kubica, wie er im Begleitheft verrät: "Thriller über Künstliche Intelligenz sind häufig dystopische Zukunftsvisionen, die von den meisten Menschen weit weg sind und die wir leicht von uns wegschieben können. Daher wollte ich unbedingt einen Thriller entwickeln, der ganz nah am Hier und Jetzt ist."
Wenn der Haushaltsroboter Sami, fast schon ein Familienmitglied, durch das Haus der Turguts rollt, seine Dienste anbietet, nach dem Befinden fragt und Ratschläge gibt, ist das – wenn auch auf eine befremdliche Art – sehr niedlich. Vor allem aber ist es beeindruckend, was heutzutage technisch möglich ist, um das Leben zu erleichtern. Dass die KI-Tools mit ihrem ständigen Piepen und Blinken aber selbst Stress erzeugen, ist vermutlich nicht nur Emma im Film nicht bewusst. Dabei sei das der eigentliche "'unsichtbare Angriff' der Maschine", so Autor Kubica.
Hauptdarstellerin Emily Cox legt eine eindrucksvolle Tour de Force hin als Emma, deren anfängliche Technik-Begeisterung zunehmend in Panik und Verfolgungswahn umschlägt, je stärker der "unsichtbare Angreifer" in ihr Leben und ihre Privatsphäre eingreift. Sie selbst finde die technischen Neuerungen "faszinierend und gleichzeitig sehr beängstigend, weil wir noch nicht wissen, was da genau auf uns zukommt", gibt Cox zu. "Ich denke, die Entwicklungen an sich sind aufregend und toll. Ich entdecke gerne neue Dinge. Die Gefahr allerdings sind einerseits Menschen, die die KI für falsche Zwecke einsetzen könnten, und andererseits, dass die KI eine Form von Eigenleben entwickeln könnte. Bei Letzterem weiß ich aber nicht, ob das stimmt, oder nur Phantasien von Menschen sind, die sich nicht wirklich damit auskennen – so wie ich!"
Eric Bouley und Christopher Sassenrath, die Produzenten des Psychothrillers, möchten die Zuschauer mit ihrem Film dazu anregen, sich über den Umgang mit der Technik, die immer mehr unseren Alltag bestimme, Gedanken zu machen, sagen sie. Dazu tragen nicht zuletzt auch der perfekt auf die Handlung zugeschnittene Soundtrack von Daniel Hoffknecht und die geschickte Kameraführung von Monika Plura bei, die einmal mehr mit ihrer Zwillingsschwester, der Regisseurin Martina Plura, zusammenarbeiteten durfte.
Wer sich ausführlicher über die Möglichkeiten und Grenzen von KI informieren möchte, sollte bereits direkt vor dem ZDF-Spielfilm einschalten, denn da widmet sich eine WISO-Doku der Frage "Die Zukunft der Medizin – Kann KI heilen?".
"Unsichtbarer Angreifer" – Mo. 13.05. – ZDF: 20.15 Uhr