Historienfilm in der ARD

"Das Geheimnis der Freiheit": sensibles Porträt deutscher Nachkriegsmänner

von Eric Leimann

Krupp-Chef Berthold Beitz beauftragt den Historiker Golo Mann, eine Biografie Alfried Krupp zu verfassen. Jahrelang diskutieren die beiden über das Projekt – und liefern so ein feines Psychogramm deutscher Nachkriegsmänner.

ARD
Das Geheimnis der Freiheit
Drama • 15.01.2020 • 20:15 Uhr

Der etwas andere Historienfilm "Das Geheimnis der Freiheit" erzählt von zwei historischen Persönlichkeiten. Auf der einen Seite: Berthold Beitz, der als unternehmerischer Ziehsohn von Alfried Krupp, dem letzten Familienmitglied an der Firmenspitze, das deutsche Großunternehmen als Aufsteiger, Sunnyboy, aber auch als Wirtschaftskapitän mit edlen Werten weiterführte. Sein Gegenpart: Golo Mann, Sohn des Dichterfürsten Thomas Mann und einer der prominentesten Historiker im Nachkriegsdeutschland. 1973 hatte Beitz die Idee einer Biografie seines "Übervaters" Alfried Krupp, die von Star-Historiker Golo Mann (Edgar Selge) verfasst werden sollte. Im Film von Dror Zahavi ("Mein Leben – Marcel Reich Ranicki") spielt der vor allem auf Theaterbühnen tätige Sven-Eric Bechtolf (in jüngeren Jahren sah man ihn öfter in Krimis) den deutschen Top-Manager. Edgar Selge verkörpert Golo Mann.

Die oberflächliche Spannung des von Sebastian Orlac ("Keiner schiebt uns weg") geschriebenen Drehbuchs zielt auf die Frage ab, ob die geplante Biografie tatsächlich zustande kommt. Von 1973 bis 1981 liefen die Verhandlungen der beiden Männer. Dem Zuschauer ist schon bald klar, dass sich Mann eher für die Figur Beitz als die Familie Krupp interessiert. Berthold Beitz rettete im Dritten Reichen vielen Juden das Leben, er nahm dafür selbst große Risiken in Kauf. Wie kann so jemand, fragt sich der Intellektuelle aus dem Hause Mann, einen knallhart nach wirtschaftlichen Kriterien funktionierenden Konzern leiten und sich dabei zum Beispiel auf enge Kooperationen wie jener mit der Schah von Persien einlassen, der zentralen Figur eines Unrechtssystems?

"Das Geheimnis der Freiheit" ist vor allem ein Dialogfilm und daher nicht als klassisches Biopic über Beitz oder Mann zu verstehen, wie man sie schon des Öfteren im Programm der öffentlich-rechtlichen Sender sehen konnte. Dieser Ansatz hat Vor- und Nachteile. Manchmal scheint die dramaturgische Spannung in den Vier-Augen-Duellen ein wenig auf der Strecke zu bleiben, auch deshalb, weil sich die beiden Männer gar nicht so unähnlich sind. Keineswegs taugen sie als klassische Antipoden. Dann wieder gefällt das feine Spiel Bechtolfs und Selges, die in diesem zuhörbedürftigen ARD-Mittwochsfilm auch ein sensibles Porträt deutscher Nachkriegsmänner liefern.

Es geht um Traumata und Zweifel, wie man nach dem im Krieg Erlebten wieder im normalen Leben weitermachen, ja sogar ein florierendes Wirtschaftsunternehmen aufbauen soll. Der Film erzählt von Übervätern und Rollenklischees, auch vom Finden einer neuen deutschen Identität. Ein leises, manchmal dramaturgisch etwas wackeliges Werk, das sich jedoch auf die Kraft seiner Dialoge und starke Schauspieler verlassen kann.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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