Heike Reichenwallner im Interview

"Es ist ein großes Glück, dass ich aussehe wie Frau Merkel"

von Maximilian Haase

Im ZDF-Dokudrama "Stunden der Entscheidung" spielt Heike Reichenwallner die Rolle der Angela Merkel. Nicht zum ersten Mal. "Ich wusste gar nicht, dass ich ihr so ähnlich sehe", sagt die Schauspielerin.

Eine lebende prominente Person zu verkörpern ist für einen Schauspieler alles andere als einfach. Handelt es sich dabei auch noch um die seit 14 Jahren amtierende Bundeskanzlerin, darf man zweifelsohne von einer der derzeit schwersten Rollen überhaupt sprechen. Eine Herausforderung, der sich Heike Reichenwallner gestellt hat: Im ZDF-Dokudrama "Stunden der Entscheidung: Angela Merkel und die Flüchtlinge" (Mittwoch, 4.9., 20.15 Uhr) übernimmt die 62-jährige Darstellerin den Part der Angela Merkel am Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise. Für die gebürtige Berlinerin, die ansonsten in kleineren TV-Formaten und Werbespots zu sehen ist, war es nach einer Satirerolle bei "Late Night Berlin" bereits das zweite Mal als Merkel. Ob sie sich inzwischen mit der Bundeskanzlerin identifiziert und wie man die wichtigste Frau der Welt zu verkörpern lernt, erklärt Heike Reichenwallner im Interview.

prisma: Frau Reichenwallner, wann merkten Sie, dass Sie Angela Merkel verkörpern können?

Heike Reichenwallner: Bei "Late Night Berlin" übernahm ich ihre Rolle einmal kurz, musste da aber gar nicht sprechen, da ging es mehr um eine Ähnlichkeit. Ich wusste vorher überhaupt nicht, dass ich ihr so ähnlich sehe. Allein eine andere Frisur, ein Blazer und eine Kette machen sehr viel aus. Frau Merkel ist da eine sehr dankbare Figur. Man weiß eben, wie sie aussieht.

prisma: In "Stunden der Entscheidung" spielen Sie die Kanzlerin nun in einer dramatischen Situation. Wie gelang Ihnen das?

Reichenwallner: Die meisten Merkel-Darstellungen sind ziemlich negativ und satirisch. Das wollte ich nicht. Ich halte die Darstellung der Kanzlerin im Film für sehr gelungen, für sehr menschlich. Und: Mir ist allein beim Dreh ganz schummrig geworden bei dem Gedanken, was Frau Merkel für ein wahnsinniges Pensum ableistet. Das ist aller Achtung wert. Da kommt man ohne Humor sicher nicht durch.

prisma: Der Humor wird ihr nachgesagt und ist auch im Film präsent. Hatten Sie Einblicke in Merkels Verhalten abseits der Kameras?

Reichenwallner: Sie ist wohl wirklich eine sehr humorvolle Frau. Vieles haben wir versucht aus ihrem Umfeld zu erfahren; von Leuten, die sie schon begleitet haben. Wie sie denn so drauf ist, wenn wir sie alle nicht sehen. Wenn sie etwa im Auto sitzt, wenn sie telefoniert oder in der Sitzung mit den Mitarbeitern ist. Auch wenn das natürlich dennoch Fiktion ist, weil niemand immer dabei ist.

prisma: Haben Sie etwas Außergewöhnliches über die Kanzlerin erfahren?

Reichenwallner: Natürlich verrät kein Mensch irgendwelche Geheimnisse. Es war schon schwer herauszufinden, wie Frau Merkel ihren Kaffee trinkt. Alle sind sehr schweigsam.

prisma: Können Sie dennoch sagen, was Angela Merkel eigentlich ausmacht?

Reichenwallner: Zur Beantwortung dieser Frage hatte ich während des Drehs einen Coach. Es ist ja nicht nur der Blazer, sondern auch dieses Bewusstsein, wie einflussreich diese Frau ist. Wie viel sie weiß! Ich habe noch mehr Respekt vor ihr bekommen. Da kann man von ihrer Politik halten, was man will. Sie weiß genau, was sie macht. Diese Klugheit, die sie besitzt, muss man ja auch versuchen auszustrahlen.

prisma: Hat sich ihr Bild von Angela Merkel durch den Dreh verändert?

Reichenwallner: Sie war mir mit ihrer Bodenständigkeit nie fremd – wenn sie ihre Kartoffelsuppe kocht oder auf einer Fahrt eine Schrippe mit Bulette isst. Ich weiß nun aber einfach mehr über sie und kann mich besser in sie einfühlen. Und frage mich mit großer Ehrfurcht, wie sie das rein mental und körperlich schafft. Wenn ich sie jetzt sehe, muss ich sagen: Ich fühle mich ihr schon näher. Es gibt schon ein wenig Identifikation – ich freue mich aber, dass ich nicht so einen Kraftakt wie sie bewältigen muss. Ihr Zittern hat mich berührt. Und sie geht damit toll um. Sie beeindruckt mich hinsichtlich ihrer Verantwortung – und gerade mit Blick auf die Flüchtlingsfrage. Sie hat schließlich gewusst, dass sie das nach ihrem Bauch entscheidet – und dass alle gegen sie sind. Das finde ich stark.

prisma: Wie erlebten Sie den Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise 2015?

Reichenwallner: Schon damals fragte ich mich, was eigentlich alle wollen. Frau Merkel hatte so entschieden – die Koalition gegen die Aufnahme der Flüchtlinge verstand ich nicht. Der Satz "Wir schaffen das" macht aus meiner Sicht schon Sinn. Das war in höchstem Maße menschlich – auch wenn man weiß, dass es ein Riesenakt war. Das Ganze nochmal zu rekapitulieren, bestärkte mich darin, dass ich damals nicht ganz falsch lag: Es war gut, was Frau Merkel da gemacht hat.

prisma: War es ein Problem, eine solche Figur der Zeitgeschichte zu spielen?

Reichenwallner: Es ist natürlich schwierig, einen berühmten lebenden Menschen zu spielen. Diese Herausforderung habe ich einfach beiseitegeschoben. Dabei hat die Maske geholfen: Es ist ein großes Glück, dass ich aussehe wie Frau Merkel (lacht). Und man hat ein echtes Vorbild, man weiß, wie sie agiert.

prisma: Haben Sie Sorge, nun auf die Merkel-Rolle festgelegt zu sein?

Reichenwallner: Sorge habe ich nicht – das wäre ja eher eine Anerkennung der Arbeit. Aber wie viele Filme über Frau Merkel werden noch gedreht werden? Für mich ist es einfach eine Aufmerksamkeit, die ich mit anderen Rollen noch nicht hatte. Das sehe ich sehr positiv. In meinem Umfeld witzelt aber schon so mancher: "Hallo, Frau Merkel!" (lacht).


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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