An Bord eines Raumschiffs befindet sich eine Handvoll zum Tode Verurteilter, deren einziges "Verbrechen" die Armut ist. Claire Denis, Frankreichs wohl kontroverseste Filmemacherin, hat daraus ein anstrengendes SciFi-Kammerspiel gemacht.
Der alleinerziehende Vater der nahen Zukunft mit Arbeitsplatz im Weltall – er wird wohl so aussehen wie im Science-Fiction-Film "High Life" (2018), den ARTE nun als deutsche Erstausstrahlung zeigt: Schwerfällig in seinem braunen, klobigen Anzug und gleichzeitig schwerelos führt Monte (Ex-"Twilight"-Star Robert Pattinson) Reparaturen außen am Raumschiff durch. Währenddessen redet er übers Funksystem beruhigend auf seine kleine Tochter Willow (Scarlett Lindsey) ein.
Tatsächlich sind die Szenen zwischen Pattinson und seiner kleinen Filmtochter sehr innig. Da sie oft in dem künstlichen Garten spielen, der im Raumschiff installiert ist, heben sie sich hell gegen die Düsternis ab, die sonst in "High Life" regiert. Wenn Montes erstes Wort an seine Tochter "Tabu" lautet, ist damit die Übertretung an sich schon anheimgestellt. Die französische Regisseurin Claire Denis ist einmal mehr – nach "Les Salauds – Dreckskerle" – bei einer Studie der Körperflüssigkeiten und Perversionen angelangt. Die Tragweite zu ermessen, überlässt sie aber der Deutungskunst des Zuschauers.
An Bord eines Raumschiffs der Verdammten befindet sich eine Handvoll zum Tode Verurteilter, deren einziges "Verbrechen" die Armut ist. Sie sind Sklaven der Experimente von Dr. Dibs (Juliette Binoche), die von neuen Möglichkeiten der menschlichen Fortpflanzung besessen ist. Aber eigentliches Ziel der Mission ist es, das Energiepotenzial schwarzer Löcher zu erforschen. Welchen Einfluss haben sie auf die Kräfte des Lebens? Es ist eine bedrückende Reise: Kapitän Chandra (Lars Eidinger) stirbt an Erschöpfung, ehe er mit Dr. Dibs Liebe machen kann. Monte muss Boyse (Mia Goth) vor einem Vergewaltiger retten. Dr. Dibs macht die beiden auf bizarre Art zu einem Elternpaar. Die Geburt seiner Tochter Willow verändert Monte. Er wird vor nichts zurückschrecken, um ihr Überleben zu sichern.
Das klingt spannend, ist es aber nicht. Dafür dehnt sich die Zeit allzu unerbittlich. Der Aufbau des Films unterbindet geradezu das Mitfiebern. Wie eine bestimmte, im Raumschiff vorgefundene Situation zustande gekommen ist, wird über fast zwei Stunden berichtet. "High Life" kreuzt nicht in der Galaxis von "Alien" oder "Star Wars", sondern gehört in das kontemplative Universum von "Solaris" und "Stalker", "2001" und "Lautlos im Weltall". Was nicht heißt, dass das All zu kurz kommt, ganz im Gegenteil.
Die Schwärze um das Raumschiff herum und die konsequente Verwendung des Direkttons mit der Wiedergabe von Schritten und dem Ansaugen des Sauerstoffs im Raumanzug machen das All überpräsent. So sehr, dass sich die Frage stellt: Was mit der Unendlichkeit anfangen?
Monte beantwortet sie so, dass er versucht, sich von dem zu befreien, was Nietzsche die "Sklavenmoral" nennt. Der Weltraum gibt ihm die Chance, sich der Herrschaft zu entziehen, die er verinnerlicht hat. Aber der eine Regelbruch zieht den anderen nach sich. Ist das akzeptabel? Soll man seine "Sklavenmoral" überwinden und da oben gelten lassen, was nach irdischen Gesetzen nicht sein darf?
Solch philosophischen Fragen muss sich Robert Pattinson in seiner kommenden Rolle wohl nicht stellen, wenngleich auch diese Filmfigur mit dem ein oder anderen Regelbruch hadert. Der 34-Jährige übernimmt in "The Batman" von Matt Reeves die Rolle des dunklen Ritters. Zuletzt war er im Christopher-Nolan-Film "Tenet" in den Kinos zu sehen.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH