Im Land der Taliban

Ashwin Raman: sein letzter Kriegsfilm vom Hindukusch

Zu viel Pessimismus? Die hautnahen Kriegsreportagen von Ashwin Raman, Träger des Grimmepreises und des Deutschen Fernsehpreises, laufen mittlerweile im Nachtprogramm. Mit einem letzten Afghanistan-Film verabschiedet er sich von dieser wichtigen Form der Berichterstattung.

Am Ende kehrt er noch einmal in jenes Land zurück, das ihn wohl am längsten begleitete. Anfang der 80er hatte Ashwin Raman erstmals aus einem kriegerischen Afghanistan berichtet. Damals kämpfen Mudschaheddin genannte islamische Gruppen – im Westen sah man sie als heldenhafte Rebellen – gegen sowjetische Invasoren. Seitdem hat das Land Raman, Deutschlands profiliertesten Kriegsreporter, nicht mehr losgelassen. Am Ende seines Berufslebens mit vielen haarsträubenden, lebensgefährlichen Missionen fuhr der 72-Jährige noch einmal in einen Staat, der seit Mitte der 70er nicht zur Ruhe kommt. "Im Land der Taliban – Der lange Krieg am Hindukusch" (Mittwoch, 19. September, 0.45 Uhr, ZDF) ist das bittere Abschiedswerk des Grimme-Preisträgers von 2017.

"Ich bin ein Vollblutjournalist. Mich stört es, wie im deutschen Fernsehen über viele Dinge berichtet wird, etwa in der 'Tagesschau' oder in den 'heute'-Nachrichten. Dort werden oft Agenturbilder aus Kriegsgebieten gezeigt, die mit irgendeinem Kommentar unterlegt werden. So bekommt der Zuschauer kein vollständiges Bild davon, wie es vor Ort wirklich aussieht." Es sind Aussagen wie diese, die Ashwin Raman 2016 im Interview mit der Agentur teleschau – der mediendienst tätigte, die ihm den Ruf eines Nestbeschmutzers einbrachten. Das würde zwar kein deutscher Fernsehredakteur laut sagen, denn dazu sind Ramans Filme, in denen er mitten aus Kampfhandlungen berichtet, zu mutig und beeindruckend. Weil jener Mann, der Mitte der 70er bedrängt von Zensur aus Indien nach Deutschland übersiedelte, hautnah aus Gegenden der Welt berichtet, aus denen alle anderen weg wollen, nahm er eine Alleinstellung im deutschen Fernsehen ein.

Raman berichtete aus dem Irak, aus Somalia, aus dem Grenzgebiet zwischen Syrien und Irak, wo der IS wütete, und immer wieder aus Afghanistan. Seit 17 Jahren, als im Nachgang von 9/11 eine Allianz um die Vereinigten Staaten von Amerika die regierenden Taliban aus dem Land vertreiben wollte, herrscht hier Krieg. Offiziell ist die Bundeswehr 2018 nur noch in ihrem Camp in Masar-i-Sharif, um den afghanischen Truppen im Kampf gegen den Taliban-Terror beratend zur Seite zu stehen. Als Raman das Camp für seinen aktuellen Film besucht, rücken die – mittlerweile wieder auf 1300 aufgestockten – deutschen Soldaten erstmals seit Jahren wieder zu Kampfhandlungen aus. Jeden Tag gibt es Hinterhalte und Anschläge, plötzliche Tode sind ständiger Begleiter des Lebens im Norden Afghanistans. Mitten dabei auf staubigen Straßen, in militärischen Unterständen oder durch den Häuserkampf hechelnd: Ashwin Raman. Ein Einmann-Filmteam mit Handkamera.

Raman prognostizierte schon vor vielen Jahren, dass die Lage in Afghanistan schlimmer anstatt besser werden würde. Zu zerrissen und kompliziert sei das Land, das er so oft monatelang bereiste. Sein neuer Film zeigt das Interview mit einem Taliban-Führer, der Raman in sein Zuhause in Kabul eingeladen hatte. Obwohl der Mann mit strahlendem Blick der Kamera anvertraut, er werde immer ein Taliban bleiben, hat ihn die afghanische Regierung vor ein paar Jahren überraschend aus dem Gefängnis entlassen. In einem anderen Interview erfährt man, dass in sehr vielen Familien – und familiärer Zusammenhang bedeutet in diesem Zipfel der Welt sehr viel – Regierungssoldaten, Taliban und gequälte Zivilisten zusammenleben. Man bekommt als interessierter Zuschauer mehr als nur eine Ahnung davon, wie absurd und schwierig es in Afghanistan zugeht.

Ashwin Raman zeigt Bilder vom Krieg, die wirklich wehtun. Auch verbreiten seine Beiträge wenig Optimismus. Man könnte auch behaupten: Sie sind einfach nur realistisch. Dennoch fällt auf, dass Ramans Filme – auch dieser letzte Kriegseinsatz – sich mittlerweile auf Sendeplätzen wiederfinden, wo kaum noch jemand zuschaut. 0.45 Uhr im ZDF – das ist für einen, der 2010 für seinen Somalia-Film den Deutschen Fernsehpreis und im vergangenen Jahr den Grimme-Preis für Reportagen direkt aus der IS-Kampfzone erhielt, schon reichlich randseitig.

Schlechte Nachrichten lassen sich, vor allem wenn sie von weit weg kommen, eben nicht gut verkaufen. Ganz aufhören mit dem Filmen will Raman, der mittlerweile nicht mehr ganz gesund ist, noch nicht. Nur das mit den Kriegsfilmen soll vorbei sein. Seine Frau und die beiden Söhne dürften aufatmen. Nur für das deutsche Fernsehen, dem Raman über Jahrzehnte ein anderes, verwirrenderes und ganz sicher auch für den Reporter gefährliches Bild des Krieges zeichnete, wird er eine Lücke reißen.

2016 wurde Ashwin Raman in besagtem Interview gefragt, ob er bei dem vielen Leiden, das er während seiner Einsätze zu Gesicht bekommen hätte, noch an das Gute im Menschen glaube. "Natürlich sehe ich all das Elend", antwortete er. "Aber ich habe immer die Hoffnung, dass der Wille zu überleben und einander zu helfen nicht stirbt. Während meiner Drehs bin ich auf sehr viel Gastfreundschaft gestoßen und immer wie ein Freund empfangen worden. Das hat mich sehr bewegt."


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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