Treffen mit Carlos Benede

Matthias Koeberlin: "Es war für beide Seiten bizarr"

von Erik Brandt-Höge

    Matthias Koeberlin gehört zu den neugierigsten und empathischsten Vertretern der Schauspielerzunft. Im ZDF-Film "Der Polizist, der Mord und das Kind" ist er als Carlos Benede zu sehen, den er zuvor auch persönlich getroffen hat.

    Es ist eine wahre Geschichte: Opferschutzkommissar Carlos Benede, der einst selbst im Heim aufwuchs, nimmt den elfjährigen Alex auf, dessen Vater wegen Mordes ins Gefängnis muss – er hat Alex' Mutter umgebracht. Als der Junge erwachsen wird, hat Benede es mit einem ähnlichen Fall zu tun, und er ist erneut für das Opfer da.

    Im Fernsehfilm "Der Polizist, der Mord und das Kind" (Montag, 11. Dezember, 20.15 Uhr, ZDF) spielt Matthias Koeberlin den Kommissar, im Interview berichtet der vielbeschäftigte Star, der so oft wie kaum ein anderer im deutschen TV als Ermittler besetzt wird, nun von der intensiven Begegnung mit Benede. "Es war für beide Seiten bizarr", erinnert sich der 43-Jährige, der ursprünglich gerne Journalist geworden wäre und daher nicht ganz zufällig zu den neugierigsten und empathischsten Vertretern seiner Zunft gehört.

    prisma: Herr Koeberlin, denken Sie während eines Interviews manchmal: Jetzt würde ich aber doch lieber die Fragen stellen und nicht die Antworten geben?

    Matthias Koeberlin: (lacht) Nein, ich finde die Verteilung, so wie sie ist, eigentlich ganz gut. Antworten ist mir lieber als Fragenstellen.

    prisma: Aber Journalismus war schon ihr primärer Jobwunsch, richtig?

    Koeberlin: Das war er tatsächlich mal, ja.

    prisma: Welche journalistische Arbeit wäre es bestenfalls geworden? Auch eine vor der Kamera?

    Koeberlin: Ich glaube, ich hätte als Journalist nicht die Kamera gesucht. Ich wäre im Hintergrund geblieben. Es war ja auch nie wirklich geplant, dass ich wie jetzt vorne an der Rampe stehen würde.

    prisma: Dort stehen Sie ja nun bereits seit vielen Jahren ...

    Koeberlin: Ja. Und mir macht mein Job sehr viel Spaß. Zudem lerne ich spannende Menschen kennen und komme an tolle Orte. Kleiner Haken an der Sache: Das viele Reisen und Unterwegssein bedeutet, dass man Heim und Hof selten sieht. Insgesamt geht es mir aber wie vielen Kollegen: Das Eintauchen in Stoffe und Figuren hat einen ungeheuer großen Reiz und eine absolute Faszination.

    prisma: Eine Rolle, die Sie regelmäßig bekleiden, ist die eines Ermittlers in verschiedenen Formaten. Nicht selten spielen Sie sehr eigenwillige Polizisten ...

    Koeberlin: Grundsätzlich finde ich jeden, der in irgendeiner Form ein Geheimnis hat, sehr spannend – privat wie im Beruf. Menschen, die nicht jedes Wort sofort auf der Zunge tragen und sich von vornherein öffnen, finde ich einfach besonders. Weniger eigenbrötlerisch als pragmatisch ist allerdings der Polizist Carlos Benede, den ich in "Der Polizist, der Mord und das Kind" spiele. Er ist ziemlich klar in allem, was er tut.

    prisma: Im Vorfeld der Dreharbeiten haben Sie Carlos Benede auch treffen können.

    Koeberlin: Ja, das war mir wichtig. Wir haben uns lange unterhalten, und er hat mir von seinen Beweggründen, seiner Motivation erzählt, warum er damals zwei Adoptionen auf sich genommen hat. Es war ein Kennenlernen und für beide Seiten einerseits natürlich etwas bizarr, weil da jemand mit einer speziellen Geschichte auf jemanden getroffen ist, der eben diese Geschichte noch mal erzählen sollte. Andererseits war es eine sehr sympathische Situation. Wir haben uns wirklich gut verstanden. Er hat mich auch in seinem Heim in Dachau herumgeführt und mir die Jugendlichen vorgestellt, mit denen er dort zu tun hat. Und ich habe ihm gesagt, dass er mir vertrauen kann, weil ich seine Geschichte und meine Arbeit sehr ernst nehme und alles so machen möchte, dass er sich wieder erkennt und glücklich ist.

    prisma: Sie haben seine damalige Motivation angesprochen. Welche war das? Die pure Empathie?

    Koeberlin: Ich glaube, dass Alex ihn schon sehr fasziniert hat. Es war nicht das erste Kind, dass er in einem schrecklichen Fall zu betreuen hatte, aber dieser Junge war eben sehr besonders für ihn, und es ist eine Verbindung zwischen den beiden entstanden, der er sich irgendwann nicht mehr entziehen konnte. Irgendwann war ihm klar, was er zu tun und welchen Weg er zu gehen hatte.

    prisma: Unter anderem hat er seine Beziehung für Alex aufgegeben. Können Sie so etwas nachvollziehen?

    Koeberlin: Nachvollziehen auf jeden Fall, und es nötigt mir auch eine Menge Respekt ab. Es ist schon faszinierend, wie jemand, der selbst im Waisenhaus groß geworden ist, plötzlich die Rolle von Vater und Mutter in Personalunion übernimmt. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sagen würde, ich könnte es genauso machen, wenn ich in einer ähnlichen Situation wäre.

    prisma: Womöglich hat für Sie als Familienvater schon das Lesen des Drehbuches klar werden lassen, in welch glücklicher Lage Sie selbst sind.

    Koeberlin: Ja, natürlich, es wird einem vor Augen geführt, wie privilegiert wir sind und wie schrecklich es bei anderen ist oder sein kann. Da dachte ich schon manchmal, dass Dinge in meinem tagtäglichen Leben, die mich zum Zweifeln, Hadern oder Zaudern bringen, eigentlich nicht wirklich der Rede wert sind.

    prisma: Hat ihr zehnjähriger Sohn den Film schon gesehen?

    Koeberlin: Nein. Er ist aber auch noch nicht so sonderlich interessiert an dem, was ich jobmäßig treibe (lacht). Er fragt eher: Wann musst du weg? Und: Wann kommst du wieder?

    prisma: Sieht er keinen Star in Ihnen?

    Koeberlin: Könnte man vermuten, aber ich bewege mich ja gar nicht so sehr in der Öffentlichkeit, lasse viele Feste und Partys aus. Von daher läuft ab und zu mal ein Film mit mir im Fernsehen, und manchmal sprechen ihn Klassenkameraden auf mich an, aber das war es auch schon. Das hat etwas sehr Normales, und so soll es möglichst auch bleiben.

    prisma: Sie haben das Bad in der Menge tatsächlich bisher meist vermieden. Haben Sie gar keine Lust darauf?

    Koeberlin: Och, gar keine Lust würde ich nicht sagen. Es gibt schon zwei, drei Pflichttermine im Jahr, die ich auch gerne wahrnehme. Ab oft fühle ich mich auf dem roten Teppich eben nicht so wohl, ich sehe das eher als Arbeit. Das können viele Kollegen wesentlich besser als ich.

    prisma: Klingt ja fast wie ein Anti-Schauspieler: Schließlich suchen Schauspieler klischeehaft immer das Rampenlicht.

    Koeberlin: Viele mögen und können das, fühlen sich wohl auf dem Parkett. Ich hingegen fühle mich eher etwas steif, und ich bin auch nicht der große Smalltalker. Ich bewundere es immer, wenn Kollegen da mit jeweils einem Glas in jeder Hand und vier Gesprächspartnern gleichzeitig jonglieren.

    prisma: Dann würden Sie den Journalistenjob am roten Teppich sicher auch sofort ausschlagen.

    Koeberlin: Ja, ich glaube, das wäre nicht so meins (lacht).


    Quelle: teleschau – der Mediendienst

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