Pierre Brice als Winnetou

Der edle Held einer ganzen Generation

In seiner Heimat stand ihm die Ähnlichkeit mit Alain Delon im Weg, in Deutschland machte ihn die Rolle als Apachen-Häuptling zum Star. Am 6. Februar wäre Pierre Brice 90 Jahre alt geworden.

Es war eine beinahe symbiotische Verbindung: Pierre Brice war Winnetou, und Winnetou war Pierre Brice. Beide Namen bilden eine wohlklingende Einheit – auch noch in den ewigen Jagdgründen. Welche enorme Strahlkraft von dem am 6. Juni 2015 verstorbenen Schauspieler noch heute ausgeht, zeigte sich erst Ende Januar eindrücklich, als in Berlin fast 800 persönliche Gegenstände aus seinem Nachlass für rund 150.000 Euro versteigert worden waren. "Es sind die letzten Schätze des großen Häuptlings aller Apachen", schrieb die "Bild". Der Mann, der den Apachen-Häuptling in den unerhört erfolgreichen Kinoverfilmungen der 60er-Jahre auf unvergessliche Weise verkörperte, wäre am 6. Februar 90 Jahre alt geworden.

Brice starb im Alter von 86 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung in einem Pariser Krankenhaus. Nach seinem Tod erinnerten die Betreiber der offiziellen Facebook-Fanseite "Winnetou Pierre Brice" an eine Anekdote, die vielleicht schon alles über den Charakter des in attraktiver Würde ergrauten Schauspielers sagte: Pierre Brice sei einst von einem Reporter gefragt worden, ob es etwas gäbe, das er rückblickend auf sein Leben gerne anders gemacht hätte. Seine Antwort habe er "singend und lachend" gegeben: 'Non, rien de rien, non, je ne regrette rien – ich bereue nichts, wie Edith Piaf."

Ob die Verantwortlichen damals geahnt hatten, welche historische Erfolgsgeschichte sie schreiben würden? Der Neue Deutsche Film war mit dem Oberhausener Manifest 1962 gerade geboren. Doch Opas Kino verbreitete sich noch ein letztes Mal. Der Produzent der Zeit hieß Horst Wendlandt, und Pierre Brice wurde als sein Winnetou zum Star. Mit dem berühmten Zwei-Finger-Friedensgruß grüßte er von der Leinwand herab. Dabei hatte Brice zunächst gar keine Lust, die Rolle der Karl-May-Rothaut zu spielen. Erst die Aussicht auf den verehrten Tarzan-Darsteller Lex Barker als Partner Old Shatterhand lockte ihn. Der am 6. Februar 1929 in Brest geborene Baron Pierre Luis Le Bris war damals 33 Jahre alt.

Aus dem Bündnis des Schauspielers mit seinem Produzenten wurde ein phänomenaler Erfolg. Meist zehn Millionen Zuschauer sahen die noch heute gerne im TV wiederholten Karl-May-Filme im Kino, Brice wurde vor allem von der jüngeren Generation gefeiert. Der vielfach sozial engagierte Schauspieler bekam das Bundesverdienstkreuz und nicht weniger als fünf Bambis sowie zwölf "Bravo"-Ottos, er wurde von der Jugendzeitschrift 56 Mal auf den Titel gesetzt.

Winnetou mit tiefster Seele

Das Aussehen des schönen Franzosen, der in Frankreich unter der Ähnlichkeit mit dem knapp sieben Jahre jüngeren "eiskalten Engel" Alain Delon zu leiden hatte und daher kaum größere Rollen bekam, war es nicht allein, womit er sich in die Herzen der Zuschauer stahl. Er verwandelte sich die Rolle des edlen Indianerhäuptlings bis in die tiefste Seele an. Er wollte auf der Leinwand ein Vorbild sein. "Für mich gelten nur noch Ideale wie Treue, Ehre und Tapferkeit. Ich habe in meinem Leben noch nie etwas Böses getan", so sprach er gern.

Winnetou als Friedensfürst – davon träumte der ehemalige Indochinakämpfer und spätere UNICEF-Botschafter noch, als er nach dem Jugoslawienkrieg zum Schauplatz der Filme fuhr, um dort beim Aufräumen zu helfen. "Ich habe Winnetou eine Seele gegeben", schrieb er in seiner Biografie "Winnetou und ich". Selbst ein kroatischer Karst als Ersatz-Arizona, eine deutsche Synchronstimme und einheimische Rothäute änderten nichts an seiner seltsamen Glaubwürdigkeit. Von deutschen Westmännern wie Götz George oder Ralf Wolter ganz zu schweigen.

Schon vor Zeiten ließ Brice wissen, er habe zu viele Winnetou-Filme gedreht, nach "Winnetou III" hätte er 1965 besser aufgehört. Das war allerdings bereits der achte Film der Reihe. Winnetou war auf der Leinwand längst den Indianertod gestorben (Brice: "Meine Lieblingsszene!"), als sich Wendlandt dazu überreden ließ, den Häuptling noch mal zum Leben zu erwecken. Spätere Versuche, sich durch weitere Rollen von Winnetou zu entfernen, glückten nicht. So blieb er auch noch bei den Karl-May-Festspielen in Elspe und Bad Segeberg Winnetou.

Schade, dass Brice für gut gemeinte Veralberungen wie Bully Herbigs "Der Schuh des Manitu" so gar nicht zugänglich blieb. Doch ob er ohne Winnetou in Deutschland jemals so berühmt geworden wäre, lässt sich bezweifeln. Er selbst ist davon überzeugt. Vor dem Indianerhäuptling spielte er in Frankreich kleinere Rollen (sogar neben Belmondo bei Marcel Carné) und mehrere Kostümrollen in Italien und Spanien. Doch in Frankreich blieb er weitgehend unbekannt. "Le célèbre inconnu" ("Der unbekannte Berühmte") nannte man ihn.

Privat war der auch mit Mitte 80 noch immer gut aussehende Franzose ein rechter Hans im Glück. Mit 58 heiratete er seine deutsche Bewundererin Hella Krekel aus Schwandorf, die er auf dem Münchner Filmball kennenlernte. Die Arzttochter mochte "die Wärme seiner Augen und seine große Herzensgüte". Die Ehe hatte Bestand. Der Heimat seiner Frau, Bayern, gehörte schon immer Pierres ganze Liebe.

Brice hatte längst seinen Frieden gemacht mit der Tatsache, dass er dem gewaltigen Schatten des Indianer-Häuptlings sein Leben lang nicht mehr entkommen würde. Wenn er die legendäre Filmfigur denn auch nicht gänzlich zu seiner eigenen Marke gemacht hat, so hat er sich doch, so betonte Brice gerne, dessen Werte auf die Agenda geschrieben: Er vertrat auch privat die Ideale des großen Apachen und gab an, er stehe für Werte wie Freiheit, Menschenwürde und Toleranz.

Winnetou-Tag am 9. Februar

Im Frühjahr 2015 wurde auch er nach seiner Meinung gefragt, als das Gerücht die Runde machte, RTL wolle den in den 60ern erfolgreich verfilmten Karl-May-Stoff neu adaptieren. "Tatort"-Star Wotan Wilke Möhring, der die Figur des Old Shatterhand spielen sollte, kenne er zwar nicht, sagte Brice damals der "Bild"-Zeitung. Jedoch lobte er das Anliegen der Macher, dem Wild-West-Stoff mit dem gebotenen Respekt zu begegnen: "Ich hoffe, dass die Filme getragen werden von dem Geist Karl Mays", erklärte der Franzose. "Eine Parodie wäre für mich das Fatalste, was man seinen Büchern und den Filmen der 60er-Jahre antun könnte. Deswegen freue ich mich, dass die Produzenten von einer Persiflage Abstand nehmen möchten." Drei Filme wurde dann tatsächlich (unter der Regie von Philipp Stölzl) realisiert und Weihnachten 2016 bei RTL ausgestrahlt. Sie kamen beim Publikum nicht besonders gut an. Wie Pierre Brice seinen durchtrainierten Nachfolger in der Winnetou-Rolle, Nik Xhelilaj, wohl gefunden hätte?

Sein Grab befindet sich auf dem Gemeindefriedhof in Gräfelfing, Landkreis München. Pierre Brice lebte mit seiner aus Bayern stammenden Frau Hella 30 Jahre in einem Jagdschlösschen nördlich von Paris. Das Paar plante einen Umzug nach Bayern.

Die Gelegenheit, sich wieder mal am Lagerfeuer des Indianerfernsehens zu erwärmen und sich an den für alle Zeiten einzig wahren Winnetou zu erinnern, besteht für seine Freunde nun anlässlich des 90. Geburtstags. Im Free-TV hat zwar lediglich das MDR-Dritte (am Sonntag, 10. Februar, 10.15 Uhr) eine Wiederholung ("Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten") im Programm. Doch im Pay-TV wird Winnetou im Überfluss serviert: Sky Cinema Nostalgie lässt den tapferen Indianer Winnetou ab 6. Februar noch einmal durch die komplette Trilogie reiten. Und für echte Fans gibt es dort die Klassiker rund um den Apachen-Häuptling auch am Stück zu sehen: Sky Nostalgie hat den Samstag, 9. Februar, kurzerhand zum Winnetou-Tag erklärt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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