Lena Meyer-Landrut im Interview

"Man hat jeden Tag seine kleinen Niederlagen und Krisen"

Mitte Februar kehrt Lena Meyer-Landrut auf den Jury-Sessel bei "The Voice Kids" zurück. Im Interview spricht sie über ihre neue Verantwortung und ihren Umgang mit persönlichen Angriffen.

Das vergangene Jahr war für Lena Meyer-Landrut ein Krisenjahr. So tönt es nicht nur aus den Medien-Kanälen, die in der ESC-Siegerin von 2010 schon lange ein dankbares Ziel gefunden haben, wenn es um herbeigeschriebene Skandale und banale Äußerlichkeiten geht. Doch abgesagte Konzerte, das verschobene Album und persönliche Rückschläge ließen die 27-Jährige auch selbst von einer "kreativen Krise" sprechen, aus der sie sich befreien musste. Es scheint ihr gelungen zu sein: Offen und gut gelaunt stellt sich Lena, wie sie noch immer genannt wird, dem Interview zur neuen Staffel "The Voice Kids", jener Castingshow, für die sie bis 2016 im Sessel saß. Nun das Comeback als Coach (ab Sonntag, 17. Februar 2019, 20.15 Uhr bei SAT.1), sie ist reifer und verantwortungsbewusster, wie sie sagt.

Auch das Online-Dauerfeuer aus Gerüchten und Beleidigungen scheint sie gut wegzustecken, verfasste über den Umgang mit derlei Angriffen gar den Song "Thank you", der als Single den Ton ihres ersten Albums seit vier Jahren angibt ("Only Love, L"., ab 5. April). Warum sie darin dennoch kein wirkliches Comeback sieht, wie sie mit Niederlagen umgeht und was es heißt, Projektionsfläche zu sein, erklärt Lena Meyer-Landrut im Gespräch.

prisma: Nach einiger Zeit Pause sind Sie mit einem neuem Album und als Coach bei "The Voice Kids" zurück. Haben Sie sich schon wieder an den Trubel gewöhnt?

Lena Meyer-Landrut: Ja, es geht langsam wieder los für mich, nachdem ich eine Weile von der Bildschirmfläche verschwunden war. So intensiv habe ich länger nicht mehr an verschiedenen Sachen gearbeitet. In jedem Fall werde ich jetzt wieder dran erinnert, was es heißt, in die Promo-Phase zu gehen. Aber ich hab' Bock, ich brenne!

prisma: Können Sie mit dem Begriff "Comeback" etwas anfangen?

Meyer-Landrut: Ich bin ja nicht zurück, sondern war immer da (lacht). Ob man nach vier Jahren von einem musikalischen Comeback reden kann? Darüber kann man diskutieren.

prisma: Bei "The Voice Kids" trifft die Bezeichnung aber zu?

Meyer-Landrut: Ja, da war ich ja aktiv weg! Und ich freue mich tierisch, wieder dabei zu sein. Ich hab schon jetzt bei den Aufzeichnungen viel Zeit mit den Kindern verbracht. Es sind starke Talente und Teams dabei.

prisma: Verstehen Sie sich mit den konkurrierenden Coaches Stefanie Kloß, Mark Forster und The BossHoss?

Meyer-Landrut: Das Schöne ist, dass wir uns alle gut kennen. Vorletztes Jahr verbrachten wir bei "Sing meinen Song" gemeinsam viel Zeit zusammen in Südafrika. Das funktioniert nicht nur auf einer Business-Ebene, sondern auch privat. Mark kannte ich noch von den vorherigen "Kids"-Staffeln, mit Stef verstehe ich mich supergut. Unser Verhältnis ist toll, wir sitzen auch nach der Show gern zusammen und quatschen alles durch.

prisma: Und wie sieht es mit den Talenten aus – hat sich Ihr Blick auf die Kids im Vergleich zu vor drei Jahren gewandelt?

Meyer-Landrut: Mein Verantwortungsbewusstsein ist definitiv gewachsen und intensiver geworden. Früher war es mehr Spaß und Spiel. Das war damals für die Kinder okay, da befand ich mich eher in der Rolle der Schwester und Freundin. Viel von der Verantwortung für Disziplin und Übung gab ich an die Vocal Coaches ab. Das ist dieses Jahr ganz, ganz anders.

prisma: Inwiefern?

Meyer-Landrut: Ich beschäftige mich intensiver mit den Kids, gehe mehr auf ihre Bedürfnisse, Problemchen und Ideen ein. Das sind zwar keine Muttergefühle, weil ich ja keine Mutter bin. Aber ich möchte den Kindern eine Richtung geben. Ich bin immer noch eine durchgeschusselte Alte, aber so ein bisschen erwachsener (lacht).

prisma: Erinnern Sie die Kinder manchmal an Ihre eigenen Anfänge?

Meyer-Landrut: Total! Egal, ob professionell oder nicht – ich war immer ein Entertainer, mein ganzes Leben lang. Für mich war schon als Kind immer klar: Wenn Gäste kommen, gibt es eine Show! Ob Zaubern, Singen, Tanzen oder mit dem Meerschweinchen irgendwelche Tricks zeigen. Ich kenne also das Gefühl – diese intrinsische Motivation, auf einer Bühne stehen und etwas präsentieren zu wollen. Bei vielen der Kids muss ich daher schmunzeln und denke oft: Das hätte auch ich sein können. Ein bisschen von meiner Erfahrung möchte ich denen auch mitgeben.

prisma: Die Kids kennen Sie ja nicht mehr unbedingt als "ESC-Lena", sondern aus den späteren Kontexten.

Meyer-Landrut: Das ist vielleicht für die Erwachsenen nicht so ersichtlich, doch ich mache relativ viel mit Kindern, etwa Kinder-CDs wie die "Giraffenaffen". Viele kennen mich aber auch von den früheren "The Voice Kids" oder durch meine Hits. Gerade aktuell, wenn da ein neues Lied von mir läuft, sind die Kids superschnell. Viele sagen mir: "Oh mein Gott, 'Thank you' ist mein Lieblingssong!" (lacht).

prisma: Ein Stück, das ja nicht nur Pop-Song ist, sondern mit Mobbing und Rückschlägen gesellschaftlich wichtige Themen anspricht. Spüren Sie dahingehend, gerade bei den jungen Zuhörern, auch eine bestimmte Verantwortung?

Meyer-Landrut: Auf jeden Fall. Es ist ein großes Thema: Was heißt es, authentisch und echt zu sein, unabhängig von der Meinung anderer? Es geht viel darum, mit Niederlagen umzugehen, mit Situationen, die einem nicht so leicht fallen. Es ist wichtig, gerade den Kids mitzugeben, dass so etwas einen nicht am Boden halten muss – etwa wenn sie bei "The Voice" nicht weiterkommen. Dass ein Tiefpunkt immer auch ein Wendepunkt ist. Eine Gelegenheit, Sachen zu verändern.

prisma: Scheitern als Chance also?

Meyer-Landrut: Ja, sich zu fragen: Hey, was macht das mit mir? Wo geht mein Weg jetzt hin? Dass ich jetzt wieder neue Möglichkeiten habe. Es gehört dazu, manchmal traurig zu sein – und das ist okay. Wenn man das unterdrückt, wird es auch nicht besser.

prisma: Eine Erfahrung, die Sie in den letzten Jahren selbst machten?

Meyer-Landrut: Klar. Man hat ja jeden Tag seine kleinen Niederlagen und Krisen. Es ist Quatsch, das zu beschönigen und zu sagen: "Mir geht es immer gut". Natürlich geht es mir nicht die ganze Zeit gut. Viele Leute haben Angst, dass einem direkt ein Strick daraus gedreht wird, sobald man das zugibt. Man muss Vertrauen haben, dass die anderen verstehen, was man meint, wenn man so ehrlich ist.

prisma: Es klingt schwierig, das als Star und öffentliche Person zu bewerkstelligen ?

Meyer-Landrut: Ich finde es schön, wenn man von seinen Erfahrungen sprechen kann. Wenn ich nun schon einmal ein Sprachrohr bin – warum sollte ich die ganze Zeit lügen? So tun, als wäre alles Friede, Freude? Anstatt ehrlich zu sein und damit vielleicht etwas zum Positiven zu verändern.

prisma: Aber wie halten Sie die damit einhergehenden negativen Reaktionen auf Ihre Person aus? Immerhin wird in den sozialen Medien alles, was Sie tun, penibel kommentiert und auch kritisiert.

Meyer-Landrut: Den Umgang damit muss man lernen. Das fliegt einem nicht zu. Ich kann auch nicht behaupten, dass mich das gar nicht berührt. Wenn mir irgendjemand was vor den Kopf haut, dann ist mir das nicht egal. Darüber denke ich dann auch drei- oder viermal nach. Die Frage ist, ob ich mir das so zu Herzen nehme, dass es mir den Tag versaut. Oder ob ich es beobachte und schaue, was ich damit mache.

prisma: Was können Sie denn aus Beleidigungen überhaupt in positiver Hinsicht machen?

Meyer-Landrut: Erst einmal frage ich, was es bedeutet. Ob es wirklich etwas mit mir zu tun hat – oder vielleicht eher ein Problem desjenigen ist, der mir gegenübersteht. Vielleicht ist der ja einfach wütend und traurig – und deshalb kriege ich das jetzt ab, bin seine Projektionsfläche. Die Gründe können ja vielfältig sein. Beleuchtet man das, fällt es einem leichter.

prisma: Das klingt überaus souverän. Hatten Sie angesichts zahlreicher Angriffe nie das Bedürfnis, sich etwa aus den sozialen Medien zurückzuziehen, den Instagram-Account zu löschen?

Meyer-Landrut: Das kann man machen – und wenn es einen fertig macht, ist das wahrscheinlich auch das Richtige. Mich macht es aber nicht fertig. Mir macht Instagram Spaß, ich bin ein absoluter Vorzeige-Konsument (lacht). Ich like und kommentiere auch fleißig, der Unterschied ist, ich kommentiere nicht negativ. Sobald ich negative Gedanken habe, bespreche ich das mit meinen engsten Freunden, aber teile das nicht mit der Welt. Aber klar: Sofern es einen sehr belastet, ist es gut, sich davon fernzuhalten.

prisma: Im Gegenteil scheinen Sie inzwischen eher davon Gebrauch zu machen, über Ihre Kanäle auch gesellschaftliche Kritik zu verbreiten. Kürzlich kritisierten Sie die Blutspende-Regelungen in Deutschland. Denken Sie angesichts des großen Impacts über solche Posts lange nach?

Meyer-Landrut: Meist ist es sehr spontan, manche Sachen aber weniger. Dieser Post beispielsweise war super-spontan. Zweieinhalb Minuten vorher ging es ums Blutspenden, und mein Make-Up-Artist erklärte, dass er kein Blut spenden darf, weil er schwul ist. Und ich dachte: Das kann doch nicht sein, dass muss ich jetzt mit den Leuten teilen. Gerade, weil ich auch davon nichts wusste und mich so ungebildet und blöd fühlte. Ich fand das irre und dass das mehr Leute wissen sollten. Allein, wenn ein solcher Post anstößt, dass man sich mit einem wichtigen Thema auseinandersetzt, reicht das ja schon. Die Meinungen, die mir dann anschließend entgegenkommen, sind mir egal. Es ist doch schon ein Knaller, wenn Leute jetzt eine Meinung dazu haben, die sie vorher nicht hatten.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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