Krimis am Wochenende

"Tatort" und "Wilsberg": Keine Lust und ganz viel Laune

14.02.2015, 08.00 Uhr
von Detlef Hartlap
Die Hauptkommissare Eva Saalfeld (Simone Thomalla, rechts) und Andreas Keppler (Martin Wuttke, links) kommen am Tatort an. Der Abfallunternehmer Harald Kosen ist in seiner Villa erschlagen worden.
BILDERGALERIE
Die Hauptkommissare Eva Saalfeld (Simone Thomalla, rechts) und Andreas Keppler (Martin Wuttke, links) kommen am Tatort an. Der Abfallunternehmer Harald Kosen ist in seiner Villa erschlagen worden.  Fotoquelle: MDR/Steffen Junghans

Die Hauptkrimis am Karnevalswochenende: Ein Wilsberg, der es fertigbringt, über seine schrägsten Momente hinauszuschießen. Und ein Tatort als Dilettantenstadl.

Früher war auch nicht alles besser, nicht mal der Krimi im Fernsehen. Früher wurde das deutsche Fernsehpublikum auf die heute unvorstellbare Diät von einem Fernsehkrimi pro Woche gesetzt. Wie hat man das bloß ausgehalten? Ganz einfach: Er war so schlecht, dass man's nicht anders haben wollte.

Unvorstellbare Wichtigtuerei

Alles, was über den wöchentlichen Krimihappen hinausging, waren Staatsereignisse, die offiziell Francis-Durbridge-Krimis genannt wurden. Absolute Straßenfeger. "Das Halstuch" hieß einer, "Melissa" ein anderer, die noch blutjunge Ruth Maria Kubitschek starb gleich in der ersten Folge. Sechs Folgen lang künstliche Spannung. Heute unvorstellbare Wichtigtuerei auf allen Schauspielermienen, voran in Dieter Borsches Kummerfalten. Aber 75 Prozent Sehbeteiligung rätselten: Wer war's?

Auch der neue Tatort aus Leipzig, "Blutschuld" heißt er, möchte mit der Frage nach dem Täter punkten. Würde er jedenfalls gern. Leider hat er darin (Buch und Regie Stefan Kornatz) so viel Geschick wie ein 2-Euro-50-Heftchen voller Rätselkrimis.

Es liegt ein starker Hauch jener Krimischusterei vom Ende der Fünfziger- und Anfang der Sechzigerjahre über diesem Film. Der Kamerablick, der durchs Fenster (wahlweise auch Gardinen) auf den Hof geht, wo sich Konspiratives unter Kerlen abspielt ...

Wir vermuten stark, dass hier ein Familiendrama nachgestellt werden sollte. Doch in dieser Familie, in der nun einer nach dem anderen gemeuchelt wird, konnte ohnehin keiner den anderen riechen. Wo sich alle spinnefeind sind, hält sich das Entsetzen in Grenzen.

Nennen wir es Mordvergeudung

Bluttat erfolgt auf Bluttat, in schöner Regelmäßigkeit, möchte man sagen und auch deshalb weil die Leipziger Kommissare nicht schnell genug aus ihrer Tiefgarage kommen. Was soll das Mordgedöns? Wo ergibt sich so etwas wie Zwangsläufigkeit? Was fehlt, ist die Fallhöhe. Wir sehen ein Familiendrama ohne Tragik. Unvorstellbare Wichtigtuerei, wie in den Krimis von Anno dazumal. Nennen wir es Mordvergeudung.

Herrn Kornatz stand einer der besten deutschen Schauspieler, Martin Wuttke, zur Verfügung. Doch war er nicht in der Lage, Wuttke auch nur eine starke Szene zu schreiben oder wenigstens eine Bemerkung in den Mund zu legen, die beim Zuschauer haften bliebe. Nennen wir es Schauspielervergeudung.

Bei den Leipzigern, die in dieser Besetzung in ihre letzte Saison gehen, herrscht Abschiedsstimmung. Simone Thomalla und Martin Wuttke spielen runter, was ihnen aufgegeben wird, der Rest der Besetzung kommt über das tatortübliche Maß an Knallchargentum nicht hinaus. Traurig.

In Münster regiert die Laune

Während es beim Leipziger Tatort an Lust fehlt, regiert in Münster die Laune. Die Bierlaune. Die Folge "Russisches Roulette" vom Samstag schiebt den einstigen Vorzeige-Regionalkrimi des ZDF auf ein gefährliches Parkett – das der Comedy.

Auch in den alten, Krimi-armen Zeiten fehlte das Comedy-Element nicht, nur dass man damals das Wort noch nicht so kannte. War halt lustig, wenn "Kookie" in "77 Sunset Strip" seine heiseren, in der Synchronisation von Hans Clarin gesprochenen Scherze riss. Oder wenn sich "Roscoe" wichtige Informationen auf der Pferderennbahn erlauschte.

Roscoe kommt vom Typ her Wilsberg gleich. Kookie wäre Ekki Talkötter. Aber es gab auch noch andere, seriösere Gestalten am Sunset Strip. Der freitagabendliche Krimi-Ausflug nach Kalifornien durfte für das noch erziehungsbedürftige deutsche Fernsehpublikum nicht reineweg in Jux und Tollerei münden.

Die Beklopptheit zum Prinzip erhoben

Genau dort aber sind Wilsberg und Talkötter, die Kommissarin Anna und der immer schon durchgeknallte Overbeck angelangt. "Russisches Roulette" lebt davon, dass, angefangen bei Wilsberg, alle ganz schwer von Kapee sind, dass jeder auf seinen Irrtümern solange wie möglich beharrt und die Beklopptheit zum Prinzip erhoben wird. In jedem steckt ein Overbeck, hier darf er ihn ausleben.

Erstaunlicherweise funktioniert das sogar bis zu einem gewissen Grade. Wir sehen eine reichlich alberne, kein Klischee und keinen abgelutschten Witz auslassende Komödie. Es darf gelacht werden.

Die Frage ist nur: Kann Wilsberg von diesem Balla-Balla-Theater zu Karneval je wieder zu einem halbwegs ernsten Krimi mit allenfalls leicht angeschrägten Bauteilen zurückfinden? Oder war's das jetzt: Ab in den totalen Klamauk?

Comedy kann eine Falle sein. Die Kollegen vom Münster-Tatort wissen ein Lied davon zu singen. Bei ihnen werden nur noch die besten Sprüche und Gags gezählt, dabei würden sie so gern mal wieder einen richtigen Kriminalfall lösen.

"Wilsberg", Samstag um 20.15 Uhr im ZDF. "Tatort: Blutschuld", Sonntag um 20.15 im Ersten.

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