Im Alter von 66 Jahren gestorben

Musiker Tom Petty ist tot

von Alexander Franck

Tom Petty ist am Montag in einem Krankenhaus in Santa Monica gestorben. Der Rockstar wurde nur 66 Jahre alt und die Musikwelt trauert um einen ganz Großen.

"Free Fallin", "I Won't Back Down" und "Learning to Fly" waren seine größten Hits. Doch wirklich berühmt wurde Tom Petty nicht als Hitlieferant, sondern als Künstler, der sich in erster Linie über seine Alben, seine legendäre Bühnenenergie und seine Geradlinigkeit in die Herzen vieler Millionen Musikfans spielte. Die Nachricht von seinem Tod kam in der Nacht zum Dienstag völlig unerwartet über die Musikwelt. Sein Management ließ über die sozialen Medien wissen, Petty habe am 1. Oktober in seinem Haus in Malibu einen Herzstillstand erlitten und sei ins Krankenhaus gebracht worden. Dort habe man ihm nicht mehr helfen können, er sei am 2. Oktober umgeben von seiner Familie, seinen Bandmitgliedern und seinen Freunden "friedlich" gestorben.

In der Regel sind Künstler-Homepages kaum mehr als Werbeplattformen, die über Veröffentlichungen, Tourdaten und Merchandise-Artikel informieren und im besten Fall noch mit einigen Bildern, Videos, News und biografischen Eckdaten aufwarten. Wirklich persönlich wird es nicht. Auf www.tompetty.com wird nun deutlich, dass eine Künstlerseite so viel mehr sein kann, als eine reine Informationsquelle. Sehr schnell und pietätvoll wurde dort nicht nur über das unerwartete Ableben des Künstlers aufgeklärt, sondern unter "#riptompetty" auch eine Möglichkeit zum Kondolieren geschaffen.

Trauer und tiefe Dankbarkeit

Die Zahl der Beileidsbekundungen nahm binnen weniger Stunden enorme Ausmaße an. Aus den allermeisten der hinterlassenen Beiträge sprach neben Betroffenheit und Trauer auch eine tiefe Dankbarkeit: Tom Petty und seine Fans – das war immer etwas sehr Persönliches, fast Intimes. Dieser Künstler stand für etwas, und er vermochte die Menschen offensichtlich tief in der Seele zu berühren. Er gab seinen Fans mit seiner aufrichtigen Art und bodenständigen Ausstrahlung etwas, woran sie sich in ihrem eigenen Leben orientieren konnten, etwas, das sie vor allem bei seinen Konzerten fanden. Gerade war er wieder einmal auf einer umjubelten Tour in Nordamerika unterwegs, noch am 25. September spielte Tom Petty den letzten von drei direkt aufeinanderfolgenden, ausverkauften Gigs im Hollywood Bowl, Los Angeles. Die ausgedehnte Konzertreise zum 40. Bühnenjubiläum – Petty hatte sie als "letzte große Tour" vorgesehen. Er wollte sich in seiner Wahlheimat Malibu fortan verstärkt um seine Enkelkinder kümmern ...

Tom Pettys Werdegang klingt zunächst wie eine beliebige musikalische Nachkriegsbiografie: Zunächst waren da die Songs im Radio, später kam die Begeisterung für Elvis und dann natürlich die Beatles, mit denen erstmals der Wunsch aufkam, selbst eine Band zu gründen. In greifbare Nähe rückte dieser Traum aber erst dank der Rolling Stones, erklärte Tom Petty in einem Interview. Denn wo die "unfassbare Genialität" der Fab Four unerreichbar schien, ermutigten Mick Jagger und Co. den Teenager, selbst eine Karriere als Rockstar anzustreben: "Sie spielten den Blues zwar auf diese rohe, energiegeladene Weise, aber all zu kompliziert war das nicht." Die einfache, ehrliche und direkte Art der Musik sprach den 1950 in Gainesville, Florida, geborenen Künstler damals an. Kein Wunder, sind es doch Qualitäten, die ihn als Songwriter und Persönlichkeit stets auszeichneten. Seit über 40 Jahren ... Auch "Hypnotic Eye", das 2014 veröffentlichte 13. und letzte Album von Petty und seinen Heartbreakers, lebte von einer gewissen Geradlinigkeit.

Was nicht heißt, dass er auf seinem Karriereweg nicht immer auch neue Richtungen eingeschlagen hätte. Petty war zunächst der ungestüme Rock'n'Roll-Poet (mit Hits wie "Anything That's Rock'n'Roll" und "American Girl"), wurde aber bald dank seiner romantischen, von Freiheitsliebe und der Jagd nach dem "American Dream" getriebenen Songs zum Synonym für den sogenannten "Heartland Rock". Zeitweise mutierte er sogar zum MTV-Popstar: Sein parodistischer "Alice im Wunderland"-Clip zu "Don't Come Around Here No More" gewann 1985 einen "Video Music Award", Johnny Depp spielte die Hauptrolle im Video zu "Into The Great Wide Open".

"I Won't Back Down" als Motto seiner Karriere

Tom Petty gewann die Anerkennung vieler Kollegen, war Teil der illustren Supergroup Traveling Wilburys (an der Seite von George Harrison, Roy Orbison, Bob Dylan und Jeff Lynne). Und natürlich schrieb er unvergängliche Hits wie "Free Fallin'", "Learning To Fly" und "I Won't Back Down". Letzteres könnte auch als Motto über seiner Karriere stehen: nicht zurückweichen, sich nicht unterkriegen lassen, sich stets treu bleiben.

Bei aller Popularität – bis heute verkaufte er schätzungsweise 80 Millionen Platten – ließ er sich nie zu Rock'n'Roll-Exzessen oder persönlichen Eskapaden hinreißen. Er war seit 2001 zum zweiten Mal verheiratet, hatte zwei Kinder aus erster Ehe und stand wohl nur einmal nicht wegen seiner Musik in den Schlagzeilen: 1987 wurde er Opfer einer Brandstiftung, bei der sein Haus in Kalifornien zerstört wurde. Auch künstlerisch verstiegene Experimente waren ihm stets fremd: Tom Petty und seine Musik blieben stets geerdet und das Produkt einer musikalischen Sozialisation, die er mit Millionen Amerikanern teilte.

Wobei: Nur wenige seiner Zeitgenossen können wohl von sich behaupten, Elvis jemals persönlich getroffen zu haben. Sein Onkel arbeitete 1961 am Set von dessen Film "Follow That Dream" und nahm den damals elfjährigen Tom mit: "Er begrüßte mich mit einer Art Grunzen", erinnerte sich Petty in einem "Esquire"-Artikel – aber auch daran, von seiner Erscheinung beeindruckt gewesen zu sein: "In gewisser Weise wirkte er nicht real, er schien förmlich zu glühen." Pettys Leidenschaft für Musik war auf jeden Fall geweckt und wurde von einer weiteren berühmten Persönlichkeit geformt. Einer seiner ersten Gitarrenlehrer war Don Felder, der Mitte der 70er-Jahre Teil der Eagles wurde. Wesentlich prägender für Pettys musikalische Entwicklung war – wie eingangs erwähnt – jedoch die Begegnung mit den Songs der Stones: "Sie waren meine Punk-Musik."

Ein Vergleich, der nur auf den ersten Blick hinkt. Denn für den Teenager Petty hatten Jagger und Co. tatsächlich eine ähnliche Wirkung wie die Punk-Bewegung für spätere Generationen. Schließlich transportierten beide die einfache Botschaft: Jeder kann Musik machen, einfache Akkorde spielen, Songs schreiben. Im Falle von Tom Petty lassen sich sogar noch mehr Querverbindungen spinnen. Schließlich traten der junge Rock'n'Roller und seine Band, die Heartbreakers, mit ihrem Debüt 1976 fast zeitgleich mit den ersten Punk-Bands erstmals in Erscheinung. Zudem war die Schlagrichtung durchaus ähnlich: Auch Petty wollte sich bewusst von den durch riesige Plattenfirmen-Budgets aufgeblasenen Bombast-Rockbands jener Zeit abgrenzen.

Seiner kritischen Haltung gegenüber der sprichwörtlich wie eine "Industrie" agierenden Musikbranche, die kommerziellen Erfolg über künstlerischen Anspruch stellt, blieb Petty immer treu. Er kämpfte offensiv um seine Rechte. Als 1979 sein Label Shelter Records Teil des Giganten MCA werden sollte, wollte Petty seinen (Knebel-)Vertrag neu aushandeln, um nicht "wie ein Stück Fleisch verkauft zu werden". Dort weigerte man sich, was den Musiker dazu veranlasste, sich selbst für bankrott zu erklären, um der Vereinbarung zu entkommen. Das Label seinerseits drohte zeitweilig mit der Beschlagnahmung der Masterbänder. Doch Petty setzte sich durch und bekam einen neuen Vertrag zu besseren Konditionen. Ähnliches gelang ihm auch 1981, als MCA von seiner Popularität profitieren und "Hard Promises" aufgrund des zu erwartenden Erfolgs teurer als damals üblich verkaufen wollte. Das Album kam schließlich zum regulären Preis (damals 8,98 Dollar) in den Handel.

Petty sagt, was er denkt

Musik sollte für alle bezahlbar bleiben, erklärte Petty damals seine Motivation für den Streit. Nicht immer jedoch stieß er mit seinen Meinungen auf Gegenliebe beim Publikum: Er beklagte sich darüber, dass Rockmusik nicht mehr "echt" genug sei, dass etwa Hair-Metal-Bands so vorhersehbar wie "professionelles Wrestling" seien. Er zog sich die Wut der Country-Szene zu, als er behauptete, dass die meisten der Nashville-Acts nur "schlechte Rockbands mit Geige" wären. Seine immerwährende Kritik an der Eintönigkeit der Radiolandschaft und den schlechten Sitten der Musikindustrie, die in "The Last DJ", einer Art musikalischem Pamphlet, 2002 gipfelte, kam selbst bei seinen Fans nicht gut an. Aber wie auch immer man zu seinen Ansichten steht: Petty sagt, was er denkt und ist dabei nie oberflächlich.

"Er hat die Fähigkeit, Gefühle und Gedanken anzusprechen, die so tief in den Menschen drin sind, dass normalerweise kein Außenstehender rankommt", schwärmte Peter Bogdanovic, der Pettys Karriere in der wunderbaren Vier-Stunden-Doku "Runnin' Down A Dream" (2006) Revue passieren ließ. Für viele Menschen sei sein Werdegang "nachvollziehbar", so der Regisseur, vor allem drückten seine Songs aber "das Lebensgefühl einer ganzen Generation aus". Vielleicht auch, weil sie sind wie Tom Petty war: einfach, ehrlich und direkt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Das könnte Sie auch interessieren