ARD-Film zum Tag der Deutschen Einheit

"Willkommen bei den Honeckers": Schwacher Start, starkes Ende

von Eric Leimann

"Willkommen bei den Honeckers" ist nicht nur der offizielle ARD-Film zum Tag der Deutschen Einheit, sondern auch "eine ziemlich wahre Geschichte", wie es im Untertitel heißt. 1993 gelingt es einem Kellner und Möchtegern-Journalisten aus Frankfurt/Oder, dem im chilenischen Exil lebenden Erich Honecker ein letztes Interview abzuringen.

ARD
Willkommen bei den Honeckers
Drama • 03.10.2017 • 20:15 Uhr

Der schwerkranke, ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR, gespielt von Martin Brambach, glaubt tatsächlich, dass der junge Aufschneider Johann Rummel (Max Bretschneider) in Deutschland sehr erfolgreich eine neue sozialistische Jugendorganisation gegründet hat. Tatsächlich will der Wendegewinner in spe jedoch nur ein Volontariat bei einer großen Zeitung. "Willkommen bei den Honeckers" ist die wahre Geschichte des "Bild"-Journalisten Mark Pittelkau.

27 Jahre nach der Deutschen Einheit ist es möglich, zum Jahrestag des Vollzugs eine Komödie über Erich Honecker in die Primetime zu hieven. Allein das könnte man schon mal als Erfolg werten. "Willkommen bei den Honeckers" ist zudem ein wirklich gelungener Film. Allerdings nur, wenn man die ersten 60 Minuten ignoriert. Zu Anfang wirkt das Leben und Streben des Johann Rummel nämlich ein wenig wie "Good Bye, Lenin!" für Arme. Ein erwartbares Possenspiel über die Postwendezeit in der ostdeutschen Provinz. Mit Charakteren so flach wie eine gut gepresste DDR-Briefmarke. Da ist Johann, der schelmenhafte Tunichtgut und Träumer, den seine bodenständige Freundin Jenny (Cornelia Gröschel) nicht festzuhalten vermag. Dazu der treue Freund und Fotograf Maik (Max Muaff), ein sympathischer Sidekick, wie man ihn ebenfalls schon öfter gesehen hat.

Die Kellner Johann und Maik machen sich einen Sport daraus, mit Tricks zu Prominenten wie Sänger Heino (spielt sich selbst) vorzudringen und ihnen ein paar Fragen zu stellen. Das Ergebnis verkaufen sie samt Foto für kleines Geld an die lokale Presse. Eine Zukunft hat das Ganze nicht. Tatsächlich glaubt Johann auch niemand so recht, dass der Junge aus der Ost-Provinz, der noch nicht mal Abitur hat, tatsächlich als Journalist Karriere machen könnte. Bis er auf die Idee kommt, dem todkranken Erich Honecker, der schon lange nicht mehr mit der Presse spricht, ein letztes Gespräch abzutrotzen. Um den sozialistischen Senior davon zu überzeugen, dass der junge Naive einer neuen DDR-treuen Jugendorganisation vorsteht, wendet Johann so manchen Trick an. Illusionistische Manöver, die ihn am Ende tatsächlich im Auftrag einer großen Zeitung gen Chile reisen lassen, um dort von Honecker und Frau Margot (Johanna Gastdorf) empfangen zu werden.

Tragikomische Wucht

Über die ersten zwei Drittel seiner Spielzeit ist der Film von Matthias Pacht (Drehbuch, er schrieb den tollen Matthias Brandt-"Polizeiruf 110: Und vergib uns unsere Schuld") und Philipp Leinemann (Regie, "Wir waren Könige") brav und berechenbar. Dafür gewinnt er ab der Begegnung zwischen Johann Rommel und Erich Honecker eine nicht mehr für möglich gehaltene, tragikomische Wucht, die einem den Mund offenstehen lässt. Martin Brambach (hier im Interview) spielt Honecker als gebrochenen, wenn auch verbohrten Mann auf den letzten Metern. Während Johanna Gastdorf die dem Gast gegenüber immer skeptisch bleibende Aufpasserin mimt. Dass sie Johann nach ein paar Tagen der Gespräche, die Erich wie ein Lebenselixier aufsaugt, Stullen für die Abende in der Pension schmiert – die in Wahrheit ein Luxushotel samt Spesen ist – lässt selbst die kalte Margot ein Stück menschlicher werden.

Honecker-Komödien scheinen derzeit im Trend zu liegen. Am 12. Oktober 2017 startet im Kino "Vorwärts immer!" (Regie: Franziska Meletzky). Jörg Schüttauf spielt darin einen DDR-Schauspieler kurz vor dem Mauerfall, der sich als Honecker verkleidet, um Gutes zu tun. Man kann kritisieren, dass in Filmen wie "Willkommen bei den Honeckers" Menschen, die Schuld auf sich geladen haben, auf einmal als hilflose Senioren dargestellt werden. Von der Geschichte Enttarnte, die sich am Ende des Weges noch ein wenig Rehabilitation in die Seele einmassieren lassen wollen. Andererseits wird genau dieser Umstand gezeigt und – von allen drei Schauspielern – übrigens auch brillant gespielt. Neben sehr gelungenen, subtilen Seitenhieben auf den Boulevard-Journalismus darf am Ende nüchtern festgehalten werden: Auch wer Menschen an der Mauer erschießen ließ, geht gern im Garten spazieren und friert dort, wenn er alt und krank ist.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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