"Überwachen und belohnen"

"Wilsberg": In den Armen einer Überwachungskrake

von Wilfried Geldner

Die neue "Wilsberg"-Folge dreht sich um die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten und Gefahren der sozialen Medien. Es ist einer der besten Wilsberg-Fälle.

ZDF
Wilsberg – Überwachen und belohnen
Krimi • 20.02.2021 • 20:15 Uhr

Die Firma Social Credit Deutschland, abgekürzt SCD, hat die Bürger im Griff. Mit einem nach chinesischem Vorbild installierten Belohnungssystem – wer brav ist, bekommt die meisten Punkte und damit Privilegien vom Arzttermin bis zur Wohnungssuche – fängt SCD die Bürger ein und macht sie sich gefügig. Spätestens als in der neuen "Wilsberg"-Folge "Überwachen und belohnen" eine gegnerische Aktivistin im Antiquariat vorstellig wird und vermeldet: "Mein Freund wurde ermordet, und Sie müssen das beweisen!", wird auch Georg Wilsberg (Leonard Lansink) auf die dubiose Firma Social Credit Deutschland aufmerksam. Mit den Treuepunkten, die diese Firma nach chinesischem Vorbild für Gefügigkeiten und Bürgerbravheit per App vergibt, hat Wilsberg bislang nichts zu tun. Der Archivar kennt sich gut mit Büchern aus, hasst aber E-Books, weil die "viel Strom beim Lesen" verbrauchen.

Die 71. Folge insgesamt wurde nach dem Drehbuch von David Ungureit von Dominic Müller mit viel Witz als Science-fiction-Komödie inszeniert. Sie lebt vor allem vom Gegensatz zwischen dem Anhänger der vermeintlich guten alten Zeit und den Gefahren, die das Internet noch so alles mit sich bringen könnte.

Aber an den Radiomeldungen, die davon berichten, dass das "Social Credit"-System, das "vor einiger Zeit" in Deutschland eingeführt worden sei, immer mehr Befürworter finde, kommt selbst Wilsberg nicht vorbei. Auch wenn er sich eher mit einem Wasserrohrbruch im Antiquariat beschäftigen müsste, verfolgt er nun doch die Spur, die zum Lenker des Wagens führen soll, der den Entwicklungschef der Firma ermordet hat, weil der zu viel wusste. Der Mann wollte als Whistleblower vor die Öffentlichkeit treten und hat zu diesem Zweck einen USB-Stick hinterlassen.

Kaum glaublich, wer alles sich bereits in den Armen der Überwachungskrake SCD befindet. Selbst Ekki (Oliver Korittke) hat schon brav Treuepunkte gesammelt im neuen Überwachungsstaat. Und Alexandra (Ina Paule Klink), Wilsbersg Patentochter, hat sich gar längst als Anwältin bei der obskuren Firma verdingt. Wie gut, dass wenigstens Merle, die Studentin (Janina Fautz), unbelastet ist und entscheidend bei der Entschlüsselung eines vom Whistleblower hinterlassenen USB-Sticks hilft. Jede Menge Politiker und andere Mächtige wurden gekauft.

Anwältin Alexandra Holtkamp verabschiedet sich

Es ist einer der besten Wilsberg-Fälle, nicht zuletzt, weil er vom Thema her geradezu auf die skurrile Hauptfigur zugeschnitten ist. Old School und Belesenheit (der Stick ist in Melvilles "Moby Dick" versteckt) kämpfen gegen eine neue, die Menschen korrumpierende Zeit. Das hat man allerdings schnell verstanden und wird daher in dieser witz- und wortreichen Komödie vielleicht ein wenig zu oft hingewiesen. "Big Brother is watching you", Orwell und dessen "1984", sind hier nicht weit. Die Regie kostet das optisch aber glücklicherweise nicht aus. Ein paar blinkende Kameras, großzügige kalte Büroräume und wenige Drohnenflüge über die Straßen drunten reichen schon, um dem Ganzen einen spöttisch-gefährlichen Look zu geben.

Der gesamte Cast überzeugt diesmal noch mehr als sonst. Die Freunde Wilsbergs sketchen und slapsticken mit viel Witz um die Wette, aber auch die "Feinde" von der Social Credit (Katharina Nesytowa, Mareile Blendl) brillieren mit krimineller Energie. Schade jedoch, dass das nun der letzte Wilsberg-Film mit Ina Paule Klink als Anwältin Alexandra Holtkamp war. Schon seit Längerem weiß man es, sie ging aus eigenen Stücken. Zwei weitere Filme wurden bereits ohne sie gedreht. Zum verknautschten Leonard Lansink hat sie schon ziemlich gut gepasst.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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