Das Cannes ja nur schiefgehen

Filmkritik zu „Megalopolis“: Was kann Francis Ford Coppolas vielleicht letztes Werk?

27.09.2024, 11.23 Uhr
von Gregor-José Moser
Kann „Megalopolis“ den hohen Erwartungen gerecht werden?
Kann „Megalopolis“ den hohen Erwartungen gerecht werden?  Fotoquelle: picture alliance / COLLECTION CHRISTOPHEL | American Zoetrope - Caesar Film

Mit der „Die Pate“-Trilogie und dem Antikriegsepos „Apocalypse Now“ erreichte Francis Ford Coppola einen Legendenstatus. Nachdem es in den letzten Jahren eher still um ihn war, kehrt der Filmemacher jetzt mit „Megalopolis“ zurück.

Es war eine lange und beschwerliche Reise für Francis Ford Coppola und seinen neuesten Film „Megalopolis“. Diesen Film, so betont Coppola immer wieder, wollte er schon seit Jahrzehnten machen. Immer wieder kamen jedoch andere Projekte dazwischen. Zudem hatte Coppola auch Schwierigkeiten damit, in Hollywood jemanden zu finden, der dazu bereit war „Megalopolis“ zu finanzieren. Schlussendlich zahlte er das Produktionsbudget von rund 120 Millionen US-Dollar notgedrungen aus der eigenen Tasche.

„Megalopolis“ und die Presse – eine Trailer-Kampagne zum Vergessen

Diese Anekdote zeigt die Leidenschaft Coppolas für sein neues Werk. Eine Leidenschaft, die viele Kritikerinnen und Kritiker jedoch nicht teilen. Das war bereits im Mai 2024 auf dem Filmfestival Cannes ersichtlich geworden, als „Megalopolis“ seine Premiere feierte. Auf die negativen Pressestimmen reagierte das Marketing mit einem peinlichen Trailer, der kurz darauf wieder zurückgezogen wurde. In diesem wurden angebliche Zitate von Filmkritikern- und Zeitschriften zu Coppolas großen Filmen „Der Pate“ (1972) sowie „Apocalypse Now“ (1979) eingeblendet. Diese Zitate waren durch die Bank negativ. Die Botschaft hinter dem Trailer: Schon damals hätte die Presse Coppolas Genie zunächst nicht erkannt, sondern erst später. Schließlich gelten die genannten Filme als absolute Meisterwerke. Bei „Megalopolis“, so die Message, sei das nun ebenfalls so. Blöd nur: Wie sich herausstellte, waren die Pressestimmen im Trailer KI-generiert. Es hat sie so nie gegeben.

Ein zweites Rom und Adam Driver in der Hauptrolle

„Megalopolis“ stand im Vorfeld des Kinostarts also unter keinen guten Vorzeichen. Doch wovon handelt der Film überhaupt? Im Zentrum der Geschichte steht der Stadtplaner und Architekt Caesar Catilina, der mit Adam Driver hochkarätig besetzt ist. Caesar, der in einem futuristischen New York wohnt, träumt von einem besseren Leben für alle. Erreichen will er das durch die Erschaffung einer perfekten Stadt. Auf dem Weg dorthin muss er sich gegen den von Giancarlo Esposito gespielten Bürgermeister Cicero League durchsetzen.

Wie schon die Namen beziehungsweise Titel „Caesar“ und „Cicero“ es vermuten lassen, finden sich in „Megalopolis“ allerhand Anspielungen an das Römische Reich. Auch daran, dass dieses schlussendlich unterging. Ein Schicksal, das dem futuristischen New York ebenfalls drohen könnte. Womöglich sogar der gesamten Welt. Die New Yorker Führungsriege erinnert mit ihrem Lebensstil und ihren Gewändern an die römischen Senatoren. Hinzu kommen die imposanten Gebäude sowie, etwas plump, antike Wagenrennen.

Diese Geschichte wollte Coppola so lange erzählen?

Der Film selbst, so das ernüchternde Fazit, ist leider in der Tat ein absolutes Desaster. Angefangen beim Drehbuch, über die Charaktere und den Look gelingt es Coppola nicht, ein stimmiges Gesamtwerk zu kreieren. Stattdessen ist „Megalopolis“ ein wirres Sammelsurium an vielen Ideen und Einfällen, die entweder nicht neu sind oder schlicht nicht überzeugen können. Das Drehbuch ist ein solches zusammenhangsloses Durcheinander von mutmaßlich gewollt ikonischen Szenen, dass man sich als Zuschauer hinterher fragt, was eigentlich die Geschichte des Films ist.

In „Megalopolis“ reiht sich eine nichtssagende Szene an die nächste. Die Handlung bringen diese nicht wirklich voran. Auch die Charaktere bekommen durch sie nur selten mehr Tiefe. Stattdessen scheinen viele dieser Szenen einzig und allein dem Zweck zu dienen, irgendwie „stylish“ zu sein und Aufmerksamkeit zu erregen. Man könnte sie problemlos streichen, ohne dass dadurch etwas verloren gehen würde. Wenn dann doch mal größere Handlungsentwicklung passieren, laufen diese viel zu hastig ab. So hastig, dass sie fast zufällig erscheinen. Als Zuschauerin oder Zuschauer muss man das dann einfach schlucken.

Hohe Ansprüche, tiefer Fall

Es ist leider wirklich schwer zu begreifen, dass das die „Geschichte“ sein soll, die Coppola seit Jahrzehnten unbedingt erzählen möchte. Auch deshalb, weil sie oft so vage bleibt und nur selten mal konkreter wird. Eine große, erzählenswerte Vision ist das definitiv nicht. Ein positives Wort über die Charaktere zu finden, fällt auch alles andere als leicht. Durch ihre theatralische, übertrieben-dramatische Art wirken sie wahlweise comichaft oder wie aus einem Shakespeare-Stück entnommen. Die Charaktere verhalten sich so befremdlich, dass einem gar nichts anderes übrig bleibt, als mit dem Kopf zu schütteln. Das alles ist nicht ausschließlich dem Drehbuch geschuldet, sondern liegt auch an dem maßlosen Overacting der Schauspielriege rund um Adam Driver, Nathalie Emmanuel und vor allem Shia LaBeouf.

Gewissermaßen die Krönung des Ganzen sind die oft pseudophilosophischen Dialoge. Diese präsentieren sich in einem intellektuellen Gewand, führen jedoch meist ins Nichts. Vor allem aber sind sie im Grunde sehr simpel und muten lediglich wegen der Wortwahl und des Overactings hochtrabender an. Optisch kann sich „Megalopolis“ leider auch nicht retten: Die meisten Sets sowie nahezu sämtliche Hintergründe wirken künstlich oder sind unscharf. Hin und wieder beschleicht einen das Gefühl, dass in „Megalopolis“ ein zumindest solider Film stecken könnte. Die Welt, die Coppola entworfen hat, wirkt im Grunde nicht uninteressant. Sie wird jedoch so schlecht erklärt und aufbereitet, dass man das Interesse verliert. Alle spannenden Fragen werden nicht beantwortet. Es bleibt nur zu hoffen, dass „Megalopolis“ nicht der letzte Film von Coppola sein wird. Ein solcher Abgang ist einem Filmemacher seiner Größe eigentlich unwürdig.

„Megalopolis“ läuft seit dem 26. September 2024 in den deutschen Kinos.

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