Zu romantisierend oder ein Vorbild für Betroffene? Kritik zum Filmdrama „Nur noch ein einziges Mal“
Die Romanverfilmung „Nur noch ein einziges Mal“ sieht sich aktuell jeder Menge Kritik ausgesetzt. Der Vorwurf: Der Film romantisiere häusliche Gewalt. Tatsächlich begeht er schwerwiegende Fehler, macht jedoch auch manches richtig.
Triggerwarnung: Häusliche Gewalt
Spoilerwarnung: Diese Kritik thematisiert wesentliche Handlungsentwicklungen des Films.
Der eigene Blumenladen in Boston: Das ist Lily Blooms (Blake Lively) großer Traum. Die junge Frau will noch einmal neu anfangen und ihre traumatische Vergangenheit hinter sich lassen. In der neuen Stadt eröffnet sie nicht nur endlich ihr Geschäft, sondern lernt auch ihre zukünftige beste Freundin Allysa kennen – sowie den gutaussehenden Neurochirurgen Ryle (Justin Baldoni). Bald entwickelt sich eine scheinbare Bilderbuchbeziehung, bis das perfekte Bild plötzlich Risse bekommt. Gleichzeitig wird Lily wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert – auch in Gestalt ihrer Jugendliebe Altas (Brandon Sklenar).
Rom-Com-Klischees dominieren die erste Hälfte
Die Handlungsbeschreibung von „Nur noch ein einziges Mal“ klingt beinahe so generisch wie der Filmtitel. Dieser Eindruck scheint sich in der ersten Hälfte des Films auch zu bestätigen. Diese ist eher wie eine romantische Komödie geschrieben, in der sich eine Frau und ein Mann nach anfänglichen Konflikten doch noch ineinander verlieben. Dazu passt, wie konstruiert sich „Nur noch ein einziges Mal“ in der ersten Hälfte anfühlt. Der Protagonistin Lily passieren Dinge einfach so, es gibt viele Zufälle. Nur wenige Minuten nachdem Lily die Schlüssel für ihren kürzlich gekauften Laden bekommt, kommt auch schon Allysa herein. Diese Zufallsbegegnung mündet darin, dass die beiden gemeinsam das Geschäft herrichten und anschließend betreiben sowie beste Freundinnen werden.
Klischees mit Kalkül?
Auch stellt sich heraus, dass der attraktive Ryle, den Lily zufällig auf dem Dach eines Hochhauses begegnet ist, zugleich Allysas Bruder ist. Lily hatte eigentlich nicht geplant ihn wiederzusehen. Für das Publikum war es jedoch offensichtlich, dass das genauso ablaufen wird. Obendrein bahnt sich auch noch ein Liebesdreieck an, als Lily ihrem ersten Freund Atlas wiederbegegnet. Für die einen gehören solche Zufälle und Klischees dazu, die anderen stöhnen genervt auf. Im Rückblick erscheint die erste Hälfte des Films jedoch in einem anderen Licht. Der Einsatz der genannten Klischees wirkt wie eine bewusste Entscheidung, um dem Publikum die Illusion zu vermitteln, dass es sich hier um eine Liebesgeschichte wie aus jeder beliebigen Romantikkomödie handelt. Deshalb setzt der Film auch auf vertraute Schnittsequenzen, in denen sich Lily und Ryle näherkommen, wie etwa beim Karaoke und Bowling mit Freunden. So ähnlich war bereits „Promising Young Woman“ (2020) vorgegangen.
Wie Filme übergriffiges Verhalten romantisieren
Besonders gelungen ist dabei die Charakterisierung von Ryle. Dessen schlechte Seiten sind für jeden offensichtlich, der sich diesen nicht verschließt. Wir lernen ihn von Anfang an als jemanden kennen, der seine Aggressionen nicht unter Kontrolle hat. Außerdem verhält er sich Lily gegenüber sehr übergriffig und aufdringlich. So etwa auf einer Party, bei der er Lily ständig hinterherläuft und mit ihr flirtet, obwohl sie ihm mehrfach und mit voller Ernsthaftigkeit sagt, dass er damit aufhören soll. Lily und vermutlich auch Teile der Zuschauerschaft verfallen ihm zunächst jedoch trotzdem. Das liegt an seinem Charme und seiner Attraktivität – und daran, dass andere Filme und Serien übergriffiges Verhalten, insbesondere durch Männer, noch immer oft verharmlosen und romantisieren. Falls es so beabsichtigt war, hält uns „Nur noch ein einziges Mal“ hier den Spiegel vor und ist clever geschrieben und inszeniert. Das wird spätestens gegen Ende des Films deutlich, wenn Lily realisiert, dass sie sich immer etwas vorgemacht hat: Es waren eben nicht „nur Unfälle“, wenn Ryle ihr wehgetan hat.
Wo die Kritik gerechtfertigt ist
„Nur noch ein einziges Mal“ scheint sein Anliegen, auf Gewalt in Paarbeziehungen hinzuweisen, wichtig zu sein. Vor allem mit dem Finale könnte er womöglich anderen Betroffenen Mut machen. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass der Film die Trennung als zu einfach darstellt. Ihre Freundin glaubt Lily sofort, als diese sich ihr anvertraut. Zudem ist Lily offensichtlich nicht finanziell von Ryle abhängig und es geht ihr auch schlicht psychisch noch gut genug, um den notwendigen Schritt zu machen. Die Realität sieht bei diesen Punkten jedoch häufig anders aus. Der Film interessiert sich zu wenig für diese Herausforderungen, die es Betroffenen so schwer machen, eine missbräuchliche Beziehung zu verlassen. Völlig fehlt am Platz ist außerdem, dass Hauptdarstellerin und Produzentin Blake Lively sowie Autorin Colleen Hoover ihn als einen Liebesfilm vermarkten. Ryle-Darsteller Justin Baldoni, der auch Regie geführt hat, spricht auf der Pressetour dagegen über die Problematik häuslicher Gewalt.
Sichtbarkeit für häusliche Gewalt
Kritisiert wird auch, dass sich Ryle am Ende so einsichtig zeigt und in Therapie begeben will. In der Realität dürfte das eher selten der Fall sein. Zudem weckt der Film Sympathien für Ryle und betont dessen schwere Kindheit. Trotz aller berechtigter Kritik muss man jedoch auch anerkennen, dass „Nur ein einziges Mal“ Sichtbarkeit für das Thema schafft. Durch den Ansatz, die erste Hälfte oft im Stil einer Romantikkomödie zu inszenieren, erreicht der Film ein großes Publikum – und damit möglicherweise auch Menschen, die sich sonst nicht mit der Thematik auseinandersetzen. Auch, dass der Film medial, vor allem in sozialen Netzwerken, so breit diskutiert wird, hilft dabei, das Thema in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Das ist zwingend notwendig, denn auch heutzutage ist Gewalt in Paarbeziehungen ein Thema, bei dem viele Menschen lieber wegsehen und weghören.
„Nur noch ein einziges Mal“ läuft seit dem 15. August 2024 in den deutschen Kinos.
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