Im Interview

"Viele Menschen merken, dass irgendwas in unserem modernen Leben schiefläuft" - Benno Fürmann

05.09.2025, 13.50 Uhr
Benno Fürmann, bekannt aus Film und Fernsehen, spricht über seine Leidenschaft für Naturdokus und wie die Natur sein Leben beeinflusst hat. In der ARD-Reihe "Erlebnis Erde: Faszination Europa" leiht er seine Stimme und teilt seine Begeisterung für die vielfältige Tierwelt Europas.

"Naturdokus sind der Blick durchs Schlüsselloch auf Dinge, an denen wir oft vorbeigehen", sagt Schauspieler Benno Fürmann, der eine besondere Beziehung zu den Tieren, Pflanzen und Landschaften pflegt. Vor zwei Jahren erschien sein Buch "Unter Bäumen: Die Natur, mein Leben und der ganze Rest". Nun leiht der 53-Jährige der spektakulären Naturdoku-Reihe "Erlebnis Erde: Faszination Europa" (ab Montag, 8. September, 20.15 Uhr, Das Erste) seine Stimme. Im Interview erzählt der Schauspielstar davon, warum es ihn im Laufe seines Lebens immer mehr in die Natur zog.

prisma: Wie ist Ihre persönliche Beziehung zum Tierfilm?

Benno Fürmann: Ich habe schon immer gerne solche Dokus geschaut. Wenn man 1972 geboren ist, erinnert man sich an die Sendungen von Heinz Sielmann oder den Film "Die lustige Welt der Tiere", wo die Affen nach dem Genuss gegärter Früchte betrunken waren. Das sind ganz frühe Kindheitserinnerungen.

prisma: Und später dann?



Fürmann: Da sah ich diese faszinierenden High End-Dokus wie "The Blue Planet" von der BBC. Das habe ich mit meiner Tochter geschaut, als sie klein war. Kinder neigen ja dazu, ihre Lieblingsfilme immer wieder sehen zu wollen. In dieser Zeit, als unser Filmgeschmack recht unterschiedlich war, konnten wir uns immer auf Tier- und Naturdokus einigen.

"Was wir da sehen, ist ungeheuer wichtig für unser Leben als Menschen"

prisma: Was finden Sie an "Erlebnis Erde: Faszination Europa" besonders?

Fürmann: Ich bin ein großer Freund Europas. Naturdokus sind ja der Blick durchs Schlüsselloch auf Dinge, an denen wir oft vorbei gehen. Weil sie zu versteckt, unzugänglich oder kleinteilig ist. Als Europäer finde ich es toll, etwas über unseren Kontinent dazuzulernen.

prisma: Und was haben Sie gelernt?

Fürmann: Vieles. Dass wir zum Beispiel Leoparden in Europa haben, wusste ich nicht. Er lebt – ziemlich versteckt – im Kaukasus. Um ihn zu filmen, brauchten die Filmemacher ziemlich viel Geduld. Drei Jahre haben sie in Zusammenarbeit mit dem WWF in einsamen Gegenden Bewegungskameras aufgestellt, um irgendwann diese faszinierenden Aufnahmen zu bekommen. Ich habe gelernt, dass Würfelnattern exzellente Fischer sind, die sowohl unter Wasser auf Jagd gehen als auch vom Ufer zuschnappen. Eisbären jagen mittlerweile Rentiere, da sie durch die klimatische Erwärmung immer schwerer an die Robben kommen. Und wir sehen Ziegen, die an senkrechten Staudämmen stehen, um dringend benötigte Salze von den steilen Wänden zu lecken. Es gibt so viele europäische Aha-Erlebnisse in dieser Reihe.

prisma: Tierfilme empfinden viele Menschen als entspannend. Deshalb laufen sie gerne zur Primetime. Gaukeln sie uns auch ein bisschen die heile Welt vor?

Fürmann: Das sehe ich anders. Na klar, wir sehen die Schönheit der Welt in solchen Filmen. Wir kommen immer wieder ins Staunen, obwohl wir schon so viel Natur gesehen haben – auch im Fernsehen. Für mich ist es aber immer auch das Filigrane, die Schutzbedürftigkeit der Natur, die mich in solchen Filmen bewegt. Auch ihr langsamer Rhythmus, wenn man es mit unserem Leben vergleicht. Natur kann kolossal, mächtig und dreckig sein. Oder zartgliedrig und verletzlich. Der Aufruf einer jeden Naturdoku ist für mich immer der gleiche und muss auch gar nicht im Film formuliert werden: Das, was wir da sehen, ist ungeheuer wichtig für unser Leben als Menschen.

"Irgendwann nahmen wir die Natur vorwiegend als Warenlager wahr"

prisma: Haben wir uns von der Natur entfremdet?

Fürmann: Seit der Aufklärung wurde die Welt entmystifiziert. Was natürlich auch seine guten Seiten hat, aber spätestens seit der Industrialisierung haben wir uns mehr und mehr von der Natur entfremdet. Wir lebten in Städten, die sich von der Natur abgegrenzt haben und arbeiteten in Jobs, die wenig mit Natur zu tun hatten. Irgendwann nahmen wir die Natur vorwiegend als Warenlager wahr, aus dem wir uns bedient haben. Es ist immer komisch, wenn sich etwas trennt, das eigentlich natürlich zusammengehört. Wir Menschen sind schließlich Teil dieses Planeten und seiner Natur – und nicht lebensfähig ohne sie.

prisma: Sie haben vor zwei Jahren ein Buch geschrieben, das Ihre enge Beziehung zur Natur beschreibt. Wollten Sie andere Menschen von dieser Idee überzeugen?

Fürmann: Muss man jemanden überzeugen, dass wir lebendige Natur sind? Wir vergessen es nur manchmal durch unseren von der Natur entkoppelten Lebensstil. Es gibt aber auch eine Rückbesinnung auf die Natur. Viele Menschen merken, dass irgendwas in unserem modernen Leben schiefläuft. Die Frage ist, wie ernst wir unsere Verantwortung für den Planeten nehmen. Nehmen Sie den Klimawandel: Er ist eine immense Bedrohung für die Menschheit, die noch vor wenigen Jahren die Medien und gesellschaftliche Diskussion bestimmte. Für "Fridays for Future" sind regelmäßig Menschenmassen auf die Straße gegangen. Und heute? Ist die Lage nicht besser geworden, aber wir haben – auch wegen anderer massiver Probleme – dieses Problem verdrängt.

prisma: Sie sind in Westberlin geboren und aufgewachsen. Nicht unbedingt das prägende Umfeld für einen Naturburschen!

Fürmann: Oh, wir haben sehr schöne Eichen und Kastanien in Berlin, kommen Sie vorbei (lacht)! Berlin ist mit vielen Parks und Seen eigentlich eine recht grüne Stadt, aber natürlich wächst man dort nicht als Naturbursche auf. Meinen Eltern, vor allem meiner Mutter habe ich es zu verdanken, dass ich als Kind coole Reisen gemacht habe. Wir sind in die Alpen gefahren, nach Griechenland und nach Italien. Da habe ich schon früh schöne Sachen gesehen. Dann hatte ich Familie mütterlicherseits im Siebengebirge. Dort war ich häufig und habe den Rhein von oben in der Drachenburg gesehen. Bei Froschwanderungen trug ich Frösche auf die andere Seite der Straße. Das sind prägende Kindheitserinnerungen. Sie haben mein Interesse für Landschaft, Tiere und Natur stark angeregt.

"Heute suche ich nach solchen Momenten ganz bewusst"

prisma: Und was finden Sie heute in der Natur?

Fürmann: Je älter ich wurde, desto mehr spürte ich, wie ich immer mehr zu mir komme in der Natur. Wie wichtig sie für mich ist. Als Refugium vor dem Lärm der Welt. Und wie schnell ich dort auftanke. Für mich gibt es kein schöneres Geräusch als das Rascheln von Blättern in einer Brise Wind. Oder das Plätschern eines Baches, während man eindöst nach einer Bergwanderung. Auch das große Summen um einen herum. Früher nahm man das einfach so hin, wenn es da war. Heute suche ich nach solchen Momenten ganz bewusst.

prisma: Viele Menschen entdecken die Schönheit der Natur erst, wenn sie ein bisschen älter sind. Haben Sie schon als junger Mann Natururlaub gemacht?

Fürmann: So würde ich es nicht nennen. Ich reiste mit meinem Rucksack durch die Welt. In meinen Zwanzigern war ich der klassische Backpacker. Da war natürlich immer Meer dabei – oder auch mal Wüste und Berge. Es ging aber eher um das Reisen an sich und die Leute, die man dabei kennenlernte. Als ich mit dem Klettern anfing, war ich so um die 30. Damals hat sich etwas verändert. Ab dann suchte ich bewusst die Natur als Natur auf. Es ging los, als ich in Südafrika "Die Nibelungen" drehte und mit dem Stuntman öfter im Berg arbeitete. Dabei war auch der leider verstorbene Schauspieler Julian Sands, der vorletztes Jahr in den kalifornischen Bergen verunglückte. Es waren zwei Menschen, die mir damals zeigten, wie man mit Langsamkeit und Beharrlichkeit eine steile Wand hochklettern kann.

"Wir haben Eisklettern und über Gletscher laufen geübt"

prisma: War das also ein Erweckungsmoment?

Fürmann: Auf jeden Fall. Danach ging es immer öfter in die Berge. Ein paar Jahre später kam bei mir der Film "Nordwand". Dafür haben wir Eisklettern und über Gletscher laufen geübt. Wenn du in den Bergen unterwegs bist, fängst du zwangsläufig an, deine Reisen und dein Tun genauer zu planen. Du bekommst großen Respekt vor der Natur. Wenn du ihn nicht hast, können Dinge schnell schiefgehen. Damals war es reisemäßig noch ein Mix bei mir. Ich bin auch gerne nach New York geflogen, mein bester Freund wohnt dort. Ich hatte viel Schauspielunterricht in den USA und bin immer gerne an die Ostküste und danach nach Los Angeles gereist. Heute ist es anders. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal aus privaten Gründen in eine Großstadt gefahren bin. Wenn ich Zeit habe, suche ich immer die Natur.

prisma: Klettern Sie noch?

Fürmann: Gerne. Aber Sportklettern so gut wie gar nicht mehr. Ich mag das Alpine und gehe gerne in der Höhe. In diesem Jahr war ich auf dem Ortler, dem höchsten Berg Südtirols, eine meiner Lieblingsgegenden auf der Welt. Auch auf dem Piz Buin in Vorarlberg war ich in diesem Sommer. Die Berge haben mich sicherlich über die Zeit immer mehr in den Bann gezogen. Die Macht und Schönheit der Natur sind dort omnipräsent. Aber man findet diese Schönheit in vielen Momenten und Beobachtungen, auch den unspektakulären. Es gibt viele wundervolle Dinge zu entdecken, wenn man die Augen aufmacht.

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Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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