"Hochzeit auf den ersten Blick"-Expertin

Sexualtherapeutin Beate Quinn im Interview über Fantasien und Erotik

22.09.2023, 13.53 Uhr
von Marina Birner

Sexualtherapeutin Beate Quinn steht den Singles bei "Hochzeit auf den ersten Blick" mit ihrem Rat zur Seite. Im Interview erklärt die Expertin, wie Fantasien dazu beitragen können, "die Erotik zu verbessern".

Was treibt viele Menschen am meisten um? Egal, ob als Jungspund im Teenager-Alter oder verheiratete Frau in der Menopause? Richtig: Es geht um Liebe und Sex. Beate Quinn (56) ist Einzel-, Paar-, Familien- und Sexualtherapeutin. Seit der zweiten Staffel verhilft sie als eine von drei Expertinnen und Experten frischen Paaren im Rahmen des TV-Formats "Hochzeit auf den ersten Blick" (ab Montag, 25. September, 20.15 Uhr, SAT.1 und ab Montag, 18. September, Joyn) zum Liebesglück. Die Sendung geht nun in die nächste Runde: Die Kuppelshow feiert zehnjähriges Bestehen. Anlässlich des Jubiläums spricht Beate Quinn im Interview über Liebe, Beziehungen und Sex: Wie wichtig ist Sex für eine Partnerschaft und wie bringen Paare wieder neuen Schwung ins Schlafzimmer?

prisma: Wie wichtig ist Sex für eine Beziehung?

Beate Quinn: Generell finde ich eine glückliche, zufriedene Sexualität sehr wichtig für eine gesunde Beziehung, da Intimität nicht nur körperliche Befriedigung bietet, sondern auch dazu beitragen kann, die Bindung zwischen Partnern und Partnerinnen zu vertiefen. Aber klar ist auch: Die Bedeutung von Sex in einer Beziehung ist etwas sehr Individuelles und variiert von Paar zu Paar. Für einige ist es ein essenzieller Bestandteil, für andere ist Sex weniger wichtig. Und das ist auch vollkommen in Ordnung so. Wichtig ist nur, dass beide in diesem Punkt gleich ticken, damit es nicht zu Unzufriedenheiten kommt.

"Physische und hormonelle Veränderungen können sich auf das sexuelle Verlangen auswirken"

prisma: Kann man eine Liebe, eine Beziehung retten, auch wenn der Sex anfangs nicht so gut ist, wie es sich beide wünschen?

Beate Quinn: Guter Sex entsteht über das Kennenlernen des anderen. Und der Schlüssel für dieses Kennenlernen ist eine gute Kommunikation. Ein offenes und ehrliches Gespräch über die sexuellen Wünsche, Bedürfnisse und Fantasien kann ganz massiv dazu beitragen, die Erotik zu verbessern. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass sich die sexuelle Chemie zwischen zwei Menschen im Laufe der Zeit weiterentwickelt und stärker werden kann. Wichtig sind Geduld, ein offenes und neugieriges Ohr und Verständnis füreinander. Deswegen: Ja, es ist möglich, eine Beziehung zu retten, auch wenn der Sex am Anfang nicht so gut ist.

prisma: Woran kann es liegen, dass die Leidenschaft in einer Beziehung nachlässt?

Beate Quinn: Oft spielen da mehrere Gründe zusammen. An erster Stelle steht aber sicher Gewohnheit und Routine. Dass immerwährender Alltagstrott die Leidenschaft eher dämpft als anfacht, liegt auf der Hand. Auch Stress und Lebensbelastungen können die Intimität der Beziehung sehr beeinträchtigen, weil sie viel Aufmerksamkeit und Energie in Anspruch nehmen. Ungelöste Konflikte spielen ebenfalls oft eine ausgesprochen große Rolle und wirken sich auf emotionale Nähe und Leidenschaft aus. Und manchmal ist es einfach eine Veränderung der Libido.

prisma: Inwiefern?

Beate Quinn: Diese variiert im Laufe der Zeit: physische und hormonelle Veränderungen können sich auf das sexuelle Verlangen auswirken. Trotz allem sollten wir eines nie vergessen: Das Nachlassen der Leidenschaft in Beziehungen kann vorkommen, aber es gibt auch viele Möglichkeiten, sie wieder ins Leben zurückzuholen.

prisma: Was raten Sie Paaren, die über fehlendes Feuer oder gar eine Flaute im Bett jammern?

Beate Quinn: Erstens: Kommunikation. Sprechen Sie offen und ehrlich über Ihre Gefühle und Bedürfnisse, ohne Ihrem Gegenüber Vorwürfe zu machen. Zweitens: mehr Zeit zu zweit. Planen Sie Aktivitäten, die die Verbindung stärken und das romantische Interesse wiederbeleben. Drittens: sexuelle Abwechslung und experimentieren. Probieren Sie neue Dinge im Schlafzimmer aus, erkunden Sie Fantasien und binden Sie auch Spielzeuge in Ihr Liebesleben ein. Viertens: professionelle Hilfe. Manchmal lohnt es sich zu erkunden, warum genau die Leidenschaft von Bord gegangen ist. Dabei kann ein Profi gut unterstützen.

"Die Liebe braucht keine kribbelnde Verliebtheitsphase"

prisma: Ist es angesichts dieser doch sehr komplexen Thematik für die Teilnehmenden an der Sendung nicht überfordernd, jemanden in dieser besonderen Situation des Experiments körperlich anziehend zu finden?

Beate Quinn: Natürlich befinden sich die Teilnehmenden in den ersten Stunden nach dem Kennenlernen erstmal in einer absoluten Ausnahmesituation. Diese Reizüberflutung kann tatsächlich dazu führen, dass man Schwierigkeiten hat, das Gegenüber sexuell oder emotional anziehend zu finden. Hier hilft es aber, wenn sich die Singles klarmachen, dass sich beide in der gleichen außergewöhnlichen Situation befinden. Das schafft ein Verständnis für den anderen und öffnet damit den Weg für eine erste Annäherung. Ich beobachte, dass die Paare sich meist ganz intuitiv gegenseitig dabei unterstützen, mit diesem Ausnahmezustand umzugehen. So entstehen bereits am Standesamt erste, innige Kontakte.

prisma: Was sind die häufigsten Probleme, mit denen die Kandidatinnen und Kandidaten zu Ihnen kommen?

Beate Quinn: Meiner Erfahrung nach haben die Paare am häufigsten Schwierigkeiten damit, dass ihr Match oft wenig oder gar nicht ihrem üblichen Beuteschema entspricht. Natürlich lassen wir die Attraktivität im Matchingprozess nicht außer Acht, aber viel wichtiger in unserer Entscheidungsfindung sind die Kriterien, die für eine gesunde, längerfristige Beziehung wichtig sind. Das führt dazu, dass bei manchen Paaren die Schmetterlinge im Bauch fehlen – und dieser Zustand wird dann oftmals interpretiert als: Wir passen nicht zusammen. Aber das ist ein Trugschluss!

prisma: Warum?

Beate Quinn: Die Liebe braucht keine kribbelnde Verliebtheitsphase, sondern ein ganz anderes Fundament und andere Kriterien, damit sie wachsen und gedeihen kann. Diese Phase zu durchleben ist für die Paare die schwierigste, aber auch die lohnendste, und ich schätze mich dankbar, sie auf diesem Weg begleiten zu dürfen.

prisma: Sehen Sie für Paare, die sich im Rahmen der Show nicht in dem erhofften Maße körperlich anziehend finden, eine reelle Chance, zusammenzubleiben?

Beate Quinn: Absolut. Wer kennt das nicht, dass ein anfänglich körperlich anziehender Partner auf einmal unattraktiv wird, zum Beispiel durch seinen Charakter, sein Verhalten oder auch seinen Geruch? Genauso kann es andersherum passieren. Die körperliche Anziehung kann sich im Laufe des Kennenlernens verändern und kann auch bei jedem unterschiedlich ausgeprägt sein. Hier ist es nochmal zusätzlich wichtig, den persönlichen Liebesstil zu bestimmen und herauszufinden, welche Kriterien für den Einzelnen wichtig sind.

"Nicht jeder Aspekt einer Beziehung hängt ausschließlich von gutem Sex ab"

prisma: Kann in einer Beziehung, in der zunächst auf Sex verzichtet wird, eine genauso starke Bindung aufgebaut werden, wie in einer Beziehung, die von körperlicher Liebe dominiert wird?

Beate Quinn: Ja, das ist möglich. Die Stärke der Beziehung hängt nicht ausschließlich von der sexuellen Komponente ab, sondern auch von anderen wichtigen Faktoren wie Kommunikation, Vertrauen, gemeinsame Ziele und Werte, emotionale Verbundenheit und Respekt.

prisma: Gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen gutem Sex und einer auf Vertrauen und Liebe basierenden Beziehung?

Beate Quinn: Das ist tatsächlich oft der Fall. In einer liebevollen, vertrauensvollen Beziehung fühlen sich die Partner und Partnerinnen emotional eng miteinander verbunden und können dadurch viel besser und auch offener über ihre Wünsche und Bedürfnisse sprechen. Das wiederum ermöglicht eine intimere und lustvollere Sexualität. Guter Sex kann wiederum das Vertrauen und die Verbundenheit in einer Beziehung vertiefen. Aber: Beziehungen sind komplex und nicht jeder Aspekt einer Beziehung hängt ausschließlich von gutem Sex ab. Kommunikation, Respekt, gemeinsame Werte sind ebenfalls entscheidend für eine glückliche Beziehung.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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